Wer die Nachrichten der letzten Tage verfolgt hat, dem könnte der "Musterhitzeschutzplan für den organisierten Sport" als sog. Bundesempfehlung des deutschen Bundesgesundheitsministeriums, des deutschen olympischen Sportbunds, einer KLUG genannten "Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit" und der Universität Mannheim aufgefallen sein. Wir finden das hier: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/H/Hitzeschutzplan/Bundesempfehlung_Musterhitzeschutzplan_Sport_BMG_Layout_bf.pdf
(Weiters werde ich das als Muhischup abkürzen.)
Auf netto acht Seiten in einem SEHR großzügigen Layout werden Bedrohungen, Risiken und Maßnahmen erörtert, die organisierte Sportler ergreifen SOLLTEN, wenn es im Sommer warm wird oder werden sollte.
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Schon der erste Satz macht klar: "Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) zählen Sporttreibende zu den besonders betroffenen Risikogruppen für klimabedingte Gesundheitsrisiken [8]." Die [8] bezieht sich auf das sog. Quellenverzeichnis, welches entgegen wissenschaftlichem Standard alphabetisch organisiert ist. Es ist erfreulich kurz, denn außer den acht Quellen wurde da wohl nichts gefunden.
Nun ist in diesem einleitenden Satz von "Sporttreibenden" die Rede, also wohl auch von Otto-Normalradler und Emma-Durchschnittswalkerin, jedoch läßt der restliche Text nur noch auf einen Bezug zu vereinsmäßig organisierten Sportlern (und -innen selbstredend) und vereinsmäßigen Veranstalungen schließen. Das freut mich denn dann doch, denn der Nachbarschaftslauf- bzw. -walktreff oder die Radtour mit Freunden ist nicht gemeint.
Und tatsächlich. Ein paar Zeilen weiter lesen wir: "Die Adressatinnen und Adressaten dieses Musterhitzeschutzplans sind Vereine und Verbände. Ihnen soll dieser Plan helfen, Sporttreibende, hauptamtlich Mitarbeitende und freiwillig Engagierte, z. B. Trainerinnen und Trainer,Kampfrichterinnen und Kampfrichter, Funktionäre und Servicekräfte, ebenso wie Zuschauerinnen und Zuschauer vor hitzebedingten Gesundheitsrisiken zu schützen. Um eine möglichst breite Wirksamkeit zu erzielen, ist es wichtig, dass bei der Umsetzung aller Maßnahmen auf Inklusion und Barrierefreiheit beachtet wird."
Political correctness guaranteed. Denn was wäre ein Muhischup ohne inklusive Barrierefreiheit? Ein exklusiver Hindernislauf möchte ich meinen.
Auch sonst verwendet der Muhischup alle Klingelwörter (neudeutsch buzzwords), die offizielle Angstdokumente neuerdings haben müssen. Weil es so drängt, erfolgen die Empfehlungen "zeitnah", weil es offenbar doch nicht so kompliziert ist, ist es praktikabel und weil der letzte Dorfdepp angesprochen werden kann, ist es auch noch niederschwellig. Nun greife ich zwar vor, aber an dieser Stelle passt's: Etwas zu trinken, wenn man Durst hat, scheint mir eine gute Idee zu sein. Und in den Schatten zu gehen auch. Ich komme darauf zurück.
Nun ist, wie ich mich gerne belehren lasse, die "Evidenzlage zu diesem Präventionsfeld noch lückenhaft". Da versucht wer, mit seiner Kenntnis eines "elaborierten Sprachcodes" die Volksweisheit "Nix genaues weiß man nicht" zu kaschieren. Das dafür gezahlte Honorar wüßte ich gerne meinem Konto gut geschrieben. Sei's drum.
Nun schauen wir uns an, was bedacht wurde. Glücklicherweise finden wir im eigentlichen Muhischup vier Themenfelder, von denen leider nicht ausgesagt wird, ob sie ständig, turnusmäßig oder gar nur einmalig zu beachten sind.
1. Maßnahmen zur Vorbereitung auf den Sommer
Das deutet auf einen Turnus hin. Nach landläufiger Meinung hat nun wirklich jedes Jahr einen Sommer, auf den man sich vorbereiten kann. Soweit ich das beurteilen kann, planen die meisten ihren Sommerurlaub jährlich. Warum nicht auch die Sportveranstaltungen?
Ein kleiner Einschub: Dieser Muhischup wurde Anfang Juni, also zu Beginn des meteorologischen Sommers vorgestellt. Aktuell sind bei mir im Rheinland bei Bonn ca. 15° C mittags, früh waren es bei bedecktem Himmel 11°, will sagen, dass die Schafskälte etwas zu früh ist.
Aber wirklich: In dem Muhischup werden an der Stelle hypothetische Szenarien angesprochen. AnsprechPERSONEN sind zu benennen, technische Mittel sind zu prüfen, Anfahrtzeiten und -routen sind zu bedenken und dergleichen Stumpfsinn mehr. Die Veranstalter sollen bedenken, was sie wohl täten, wenn "Extremwetterereignisse[.] (wie beispielsweise Gewitter, Hitzewellen)" einträten. Boh ey! Ich wüßte ja auch gerne die Lottozahlen im Voraus. Eintritt nur mit Schirm?
Besonders scheint der Passus negativ aufgefallen zu sein: "Bewirtungsangebot bei Veranstaltungen im Sommer rechtzeitig abstimmen, offenes Feuer / Grill vermeiden". Im Kontext bedeutet das ja nichts anderes, als dass Sportvereine keinen Grill betreiben sollen.
Da frage ich mich: Wer bedient den Grill? Wohl eher nicht der aktive Sportler bzw. die -in natürlich und auch nicht Frieda Normalbesucherin oder Fritz Normalfan. Versteht sich, dass Hygienestandards eingehalten werden müssen.
Und natürlich sind alle möglichen Leute per Edukation zu informieren. Man möchte kotzen.
Nun ist der Sommer da - Hurra?
2. Maßnahmen zum Schutz während des Sommers
Die Sportstätte soll sommers belüftet werden. Wow! Und sie soll begangen werden. Echt jetzt? Wohlgemerkt: Im Frühsommer, um Schäden und Verbesserungspotenzial zu "identifizieren". Von Reparieren ist nicht die Rede. Auch nicht von verbessern. Aber gut, dass wir drüber geredet haben.
Nun findet trotz aller Fährnisse unbegreiflicherweise ein Wettkampf statt, bei dem auch Zuschauer erlaubt, will sagen zugegen, sind. Nun wird's kompliziert: Denn da sind Aktive allerlei Geschlechts und Fans allerlei Geschlechts.
"Ablaufpläne für Veranstaltungen je nach Hitzewarnstufe erstellen und umsetzen; sportartspezifische Regularien beispielsweise zu Startzeiten und Grenzwerten beachten" so die Forderung hinsichtlich Teilnehmer. Nun weiß ich nicht wirklich, ob das sportartspezifische Startzeitregularien und wenn ja, welche Grenzwerte das gibt, aber so aus meinem Bauchgefühl und meiner exemplarisch-evidenten Expertise scheint mir plausibel, im Zeitraum zwischen 1.7. und 31.8. jeweils zwischen 3.00 und 10:00 MESZ sporteln zu lassen, da dann die Temperaturen meist zuverlässig unter 20° liegen.
Für die Zuschauer scheinen vor allen dargebotene Getränke und Speisen hochproblematisch: Der Muhischup bringt Klarheit:
"Essens- und Cateringangebot an hohe Temperaturen anpassen:
• Auf die hygienische Lagerung von Lebensmitteln und Ein-
haltung von Kühlketten achten
• Auf Ausschank von alkoholischen, stark zuckerhaltigen,
koffein- oder taurinhaltigen Getränken verzichten
• Mineralwasser, ungesüßten Tee und dünne Saftschorlen
anbieten"
Heureka! Kein Bier, Wein, Sekt, Schnaps, Cola oder andere Brausen mit Zucker, Kaffee (was ist mit schwarzem Tee) und kein Red Bull. In Verbindung mit dem Grillverbot vorher wird ein Schuh draus. Geht zum Sport und hab keinen Spass. Kurzum: Es lebe der Sport .
3. Spezielle Maßnahmen während akuter Hitzeperioden (inkl. Hitzewarnstufe 1 + 2)
und
4. Maßnahmen zur mittel- und langfristigen Anpassung
sind im Grundsatz noch einmal ein Aufguß des erwähnten zum dritten und vierten Mal, getreu des deutschen Grundsatzes, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun.
Nicht vergessen mag ich aber die letzten Punke unter auf Seite 10 des Pamphlets, die wohl das wichtigste überhaupt zu sein scheinen:
Barrierefreie Informationsmaterialen anbieten, z. B.:
• in verschiedenen Sprachen
• in Papierform sowie digital
• in einfacher Sprache
• leicht lesbar
• in Brailleschrift bzw. Audioformat
You never walk allone!
Dem gegenüber: Ich brauche keine Erziehung mehr. Ich bin schon groß!
Komisch, dass ich als junger Mensch mit den Ratschlägen meiner Oma immer gut ausgekommen bin:
Trink was!
Bleib im Schatten!
Creme Dich ein!
Mach langsam! (da ging's aber um harte körperliche Arbeit).
Aber, damit die Aufzählung regierungsamtlicher, dümmlicher Gemeinplätze wenigstens zu einem Punkt kommt:
Geniesst Eure Gerstenkaltschalte oder den vergorenen, gerne auch moussierenden Traubensaft. Esst Eure Bratwurst oder was immer vom Grill.
Lebt einfach!
Addendum: Nur der Vollständigkeit halber sollte ich sagen, dass das Thema ein klassischer Sidekick ist, um die Aufmerksamkeit der Plebs vom zu teueren und zusammenfallenden Gesundheitssystem abzulenken. Man kann sich kollektiv trefflich aufregen, dass einem jetzt die Thüringer am Sportplatz vermiest werden soll. Der Ärger, morgen aber keinen Facharzttermin im nächsten halben Jahr zu finden, der Ärger, dass die Klinik jetzt 50 statt 20 km weit weg ist, der Ärger, dass der Notarzt erst nach 20 min statt nach max. 10 min kommt, ist immer individuell und damit wegzubügeln. Das sollten wir neben den explodierenden Kosten nicht vergessen.