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Gerade konnten wir Zeugen einer weiteren 180°-Drehung Trumps werden. Sein Wahlversprechen, sich militärisch zurückzuziehen und die weltweit durch Interventionen unterfütterte US-Dominanz zu einem Relikt des späten 21. Jahrhunderts werden zu lassen, scheint gebrochen. Ist Trump immer noch der selbsternannte Deal-Maker und Realpolitiker, oder lässt er sich mittlerweile durch eine übergeordnete Ideologie leiten, die aus der Strafexpedition nach Afghanistan 2001, den unendlichen Krieg werden ließ?

„America First!“ war sein Wahlkampfslogan. Mit seinem Sieg sollte eine neue Ära des Isolationismus den USA zu alter Größe verhelfen. Isolationismus war der neue alte Begriff der Stunde, da es schließlich auch nicht das erste Mal in der US-Geschichte wäre, dass man sich mit Hilfe der drastischen Reduktion des Übersee-Engagements, Fokus und Ruhe für die Problemlösung im Inland verschaffen würde. Von der altehrwürdigen Maxime ist, gut ein halbes Jahr nach Trumps Amtsantritt, nichts mehr übrig: Syrien, Nordkorea und jetzt Afghanistan. Überall, so scheint es, sucht Trump die Konfrontation, anstatt die durch Desinteresse gekennzeichnete Koexistenz. Damit ist er nicht nur in den Fahrwassern alter US-Administrationen, sondern gleich dabei in die Vollen zu langen, wenn es darum geht, den US-amerikanischen Machtanspruch mit Hilfe militärischer Drohgebärden durchzusetzen. Unter realpolitischen Gesichtspunkten ist dieses Vorgehen höchst riskant, da die Folgen, und damit auch die Kosten, nicht abzuschätzen sind. Eine Isolation wäre kurz-/mittelfristig garantiert effizienter bei dem Versuch heimische Machtpotentiale zu konsolidieren.

Rechts blinken – links abbiegen

Bei genauerer Betrachtung der Trump'schen Hotspots fällt jedoch auf, dass auf großes Getöse stets stark abgeschwächte, oder gar der verkündeten „harten“ Linie zuwider laufende Maßnahmen erfolgen. In Syrien griff man für militärische Maßstäbe kostengünstig an, warnte vorher die russische Konfliktpartei, sodass eine direkte Konfrontation durch ein etwaig auftretendes Missverständnis ausgeschlossen wurde. Zusätzlich schadete es dem Assad-Regime nicht in außergewöhnlichem Maße, da dieses schon am nächsten Tag neue Luftschläge von der am Tag zuvor angegriffenen Rollbahn flog. Trump, der als Chef eines Wirtschaftsimperiums gewissermaßen autokratische Züge haben muss, ist zudem darauf bedacht, sein Gesicht zu wahren und sein Ego zu schützen. Das hat der Einsatz in Syrien bewirken können, bei geringen Kosten und Risiken. Man darf auch nicht die jüngst erfolgte Maßnahme vergessen, die Unterstützung für syrische Rebellen zu kappen und so den Geld- und Waffenfluss trockenzulegen.

In Nordkorea ging Trump ein großes Risiko ein, ohne jedoch große Kosten tragen zu müssen. Einsparungen lassen sich an der Ostasiatischen Front so zwar auch keine machen, jedoch muss man darüber hinaus die Möglichkeit im Hinterkopf behalten, dass Trump China durch die Eskalation in Nordkorea schwächen oder zumindest zu Zugeständnissen bewegen möchte, welche dann einen größeren Nutzen bringen würden, als Einsparungen durch Reduzierung der vor Ort stationierten Soldaten. Wann, und ob überhaupt, Trump die Früchte dieser Nordkorea-China-Politik ernten können wird, bleibt abzuwarten.

Rätsel Afghanistan

Die Antwort auf die Frage, was die Abkehr von seiner ursprünglich anvisierten Afghanistanpolitik ausgelöst hat, liegt noch im Dunkeln. Interessant ist, dass das Militär mehr Freiräume erhalten soll und die Abkehr vom Nation Building, welche nicht mehr Ziel der US-Doktrin sei, nun gesetzt ist. Letzteres ist eindeutig ein Bruch mit der klassisch neokonservativen Zielsetzung im Bereich der Außenpolitik. Terroristen zu töten sei jetzt erste und einzige Aufgabe, der von ihm geführten USA. Zu bedenken ist auch, dass Trump damit seine Stammwählerschaft beruhigen will, indem er, wenn er schon keinen Rückzug liefert, er wenigstens dafür sorgt, dass hypermoralische Begründungen ausbleiben. Simples Töten der „bösen“ Jungs zieht schließlich auch bei seiner Wählerbasis. Die Zeiten, in denen die USA der weltweite Demokratie-Lieferservice waren, sind vorbei – so die Message. Eine 4.000 Mann starke Verstärkung soll bei der nun verkündeten und betont archaischen Jagd helfen, die eher höchstens mittelbar mit Nation und Democracy in Verbindung zu bringen ist. Wenn man bedenkt, dass zu Spitzenzeiten knapp 100.000 Soldaten keinen Sieg erzwingen konnten, ist es fraglich, wie ernst Trump es mit dem Sieg über die in Afghanistan beheimateten Terroristen meint. Gesichtswahrung, das Zurückdrängen eines in letzter Zeit gewachsenen Einflusses Russlands in der Region und die Ablenkung von der US-amerikanischen Innenpolitik, könnten Ziele, abseits der angeführten Terroristenjagd, sein. Hier dürften die Kosten den Nutzen jedoch bei Weitem übersteigen, bedenkt man das bald seit 16 Jahren andauernde Engagement der USA in Afghanistan, sowie Kosten im Billionenbereich. Vom Schaden, den seine Soldaten in einem quasi nicht zu gewinnenden Krieg tragen, braucht man hier gar nicht erst sprechen.

Zu erst erschienen auf freisprech. - https://freisprech.org/2017/08/22/afghanistan-first/

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Matt Elger

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