Bald schon wird Trumps Amtsantritt ein Jahr zurückliegen. Doch das hat dem Wahlkampfmodus hiesiger Medien keinen Abbruch getan.

Permanent wird sich mit dem US-Präsidenten beschäftigt: Er sei dumm, dement oder gefährlich – manchmal auch alles zusammen. Das zeigt nur, dass der Schock tief sitzt und die Schreiberlinge bis auf weiteres ihr Trauma wegen Trump, an Trump abarbeiten werden.

Das neue „Enthüllungsbuch“ mit dem Titel Fire and Fury liefert den „Qualitätsjournalisten“ die Munition nach der sie lange, jedoch vergeblich, gesucht hatten. Nun, da die Tintenpatronen frisch geladen wurden, heißt es ein weiteres Mal: Feuer frei! Stellvertretend für all die jüngst erschienen Schmähartikel über den US-Präsidenten muss jener der ZEIT ONLINE herhalten, sind diese doch besonders engagiert im Kampf für die Deutungshoheit was gut und gerecht ist.

„Verrückt wie eh und je“

So der Titel, der nichts Neutrales, Abwägendes oder Differenziertes erahnen lässt. Die Vorahnung wird spätestens mit folgendem Absatz bestätigt: „Wie die meisten Erzählungen über Trump, die plötzlich und mit Macht in die großen Medien drängen, ist diese ebenso alarmierend wie potenziell beunruhigend. Sie ist sehr alarmierend, weil das Schicksal der Welt nun in den Händen eines Mannes liegt, der vielleicht nicht im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten ist.“ Und weiter heißt es: „Die vielen Tweets und Artikel, in denen behauptet wird, dass Trump den Verstand verliert, behaupten auch, dass er immer mehr von sich selbst besessen sei. Dass er immer größere Wahnvorstellungen von seinen eigenen Fähigkeiten habe. Dass er mittlerweile scheinbar seine eigenen Lügen glaube. Und dass er egoistischer sei als je zuvor. All das ist wahr. Aber nichts davon ist neu.

Ganz einfach – die Behauptungen, die auf Aussagen der Dienstmädchen der Cousine eines Großneffen basieren oder aus „engsten Geheimdienstkreisen“ stammen, sind schlicht wahr, so muss es ja sein, also ist es auch so. Und das Buch, samt Autor, welcher vereinzelt selbst in der Trump hassenden Presse kritisiert wird, dessen Glaubwürdigkeit bisweilen als nicht-existent beschrieben wird, ist der neue heilige Gral der Bewegung der Gerechten. Die Gier macht sie unempfänglich für die Ratio, zu reizvoll sich die Finger wund zu tippen und es dem hässlichen, alten, weißen Mann so richtig zu zeigen!

Wenn Etikette wichtiger ist als Erfolg

Trump ist männlich, alt, weiß, reich und rechts. In der heutigen Zeit alles Kriterien, die ihn quasi für alles disqualifizieren, von der Eignung Führer der westlichen Welt zu sein, brauchen wir da denke ich gar nicht erst anfangen. Jede Anschuldigung, jede Unterstellung, die gegen ihn geäußert wird, so absurd diese auch klingen mag, wird für wahr erachtet – im Kampf der Gerechten sind Lügen schließlich erlaubt, dienen sie doch einem höheren Zweck! Jeder, der dies anzweifelt, ist nur ein ungebildeter und abgehängter „Dunkeldeutscher“. Dass Trump mit seiner Linie den nordkoreanischen Diktator zum Einlenken bewegt hat? Geschenkt. Dass sein Vorstoß im Steuerwesen in Grundzügen der amerikanischen Wirtschaft ungeahntes Wachstum bescherenden Reform Reagans nachempfunden ist und praktisch alle Einkommenssteuerpflichtigen in den USA entlastet, wird aber doch gewürdigt? Das wird sie natürlich nicht. Die Entlastungen der Steuerreform wären ja was Gutes und da das nicht geht, werden diese halt als Fake News abgestempelt. Der Autor hört nicht auf mit Unterstellungen und absurden Gedankenspielen um sich zu werfen und die Diskussion um Trumps psychische Verfassung als das Normalste der Welt darzustellen. 

Seine Unterstützer hätten, ihrem Idol nicht unähnlich, sowieso eine psychische Störung. Wie auch sonst könnte man ihr Wahlverhalten erklären? Doch diese sind nur, und da unterscheiden sie sich vom verrückten Narzissten, von „paranoiden Ängsten“ befallen. Unser Herr Autor aber ist ein Paradebeispiel für einen Paranoia freien Geist, wie man an folgenden Sätzen nur unschwer erkennen kann: „Wir sollten uns aber auch nicht zurücklehnen und darauf warten, dass seine Unzulänglichkeiten apokalyptische Folgen nach sich ziehen, wie einen Atomkrieg mit Nordkorea. [...] Dass ein Präsident die Macht hat, eine Rakete zu starten, die auf einen Schlag Millionen von Menschen töten kann, ist das offensichtlichste Beispiel für die übergroße Macht des Amtes.“ Die Heraufbeschwörung der Apokalypse, als klassisches Zeichen einer ausgeprägten Paranoia, und die fehlende Kenntnis der Befehlskette in den USA ist das einzige, was in diesen Sätzen zum Ausdruck kommt.

Mainstreammedien als Gefühlstagebücher

Ja, Trump mag unkonventionell, rüde, bisweilen beleidigend sein und ein Gemisch von all dem in seinen Twittereien impulsiv in die Welt schleudern, doch, und das ist das Wichtigste, spielt dies, so seltsam es sich anhören mag, gar keine Rolle. Jemand mit analytischem Sachverstand schaut sich seine Amtshandlungen an und bewertet diese in erster Linie an dem zu erwartenden Output, ohne emotionale Vorbehalte, gleich welcher Couleur. Und gingen Berichterstatter diesem Grundsatz nach, hätten sie in großen Teilen nicht diese Auflageneinbrüche, die sie gerade erleben. Dass sie sich bei Rotwein im Kollegenkreis, abends in einem veganen Café in Berlin Mitte süffisant das Maul über Trump zerreißen, daran hindert sie doch keiner. Nur bitte sollten sie aufhören im beschrieben Zustand Leitartikel über den US-Präsidenten aus ihrer Filterblase heraus zu verfassen, soviel journalistischer Anspruch war gerade vor einem Jahrzehnt noch der gängige Standard.

Zuerst erschienen auf - https://freisprech.org/2018/01/11/die-medien-und-das-biest/

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