Abschied in Raten - der tägliche Wahnsinn

Die Tage, an denen sich die Sonne zu uns verirrt sind für gewöhnlich jedes Jahr an einer Hand zählbar. Nicht, dass es dauernd finster wäre. das wäre absurd, aber so richtig warm ist es eben selten. Das was die geographische Höhe nicht verhindert, macht der Wald. Unterm Strich haben wir recht selten so richtige Sommertage.

Deshalb muss man die auch nutzen, was in erster Linie heißt, dass wir uns auf die Terrasse setzen und die Ruhe genießen. So hatte ich mir das zumindest gedacht.

Aber das was ich denke, und das was dann draus wird, sind seit dem Familienzuwachs in Form meiner Mutter prinzipiell zwei Paar Schuhe.

Vor ein paar Tagen war es also wieder einmal so weit. Strahlendblauer Himmel, eine ganz leichte Brise im Wald, und Sonne ohne Ende. Das war förmlich eine Einladung raus zu gehen. Ich bitte meine Mutter, dass sie ihre Schuhe anzieht. Obwohl viele Fähigkeiten meiner Mutter inzwischen schon die Reise ins Nirgendwo angetreten haben - Schuhe anziehen funktoniert meistens noch. Vorausgesetzt sie stehen da, wo sie nachweislich gerade noch gestanden haben. Also werden erstmals die Schuhe gesucht, die sich dann auf wundersame Weise auf einem Küchenstuhl in verdächtiger Nähe zu meiner Mutter befinden. Den Verdacht, dass sich meine Mutter die Schuhe schon geholt hat, spreche ich gar nicht aus. Da ist meine Mutter empfindlich. Man kann ihr doch nicht Dinge unterstellen, die ich mit meinem Hang zur Unordnung bestimmt selber gemacht habe.

Egal, man muss ja nicht so kleinlich sein. Die Schuhe sind also angezogen. Vor dem Rausgehen gebe ich ihr noch zu trinken. Sie verweigert es, da sie nicht durstig ist. Ich sage meiner Mutter, dass sie mitkommen soll. Sie fragt mich, wo wir hingehen. Ich erkläre ihr, dass es draußen so schön ist, und dass wir uns einfach auf die Terrasse setzen. Sie sagt, dass sie nicht aufstehen kann, ihre Beine wären heute ganz zittrig. Ich überlege im Stillen, wo die nicht zittrigen Beine hingekommen sind, mit denen sie sich vorher die Schuhe geholt hat, schlucke es aber runter. Eine Diskussion darüber möchte ich vermeiden.

Ich bin ihr beim Aufstehen behilflich, als Dank dafür quetscht sie meine Finger. Es ist offensichtlich - ihre Beine sind nur so zittrig, weil sie ganze Kraft in den Händen steckt. Wir bahnen uns den Weg auf die Terrasse. Jeder Schritt wird mit der Frage begleitet, ob da eine Stufe sei. Schließlich sieht meine Mutter schlecht und vor allem hat sie heute ja auch noch zittrige Beine. Nach gefühlten drei Stunden ist der Weg durchs Haus geschafft - zwei Stufen noch und wir sind auf der Terrasse. Da meine Mutter heute augenscheinlich sehr schlecht sieht, kündige ich die Stufen an - man weiß ja nie.

Sie erklärt mir, dass sie nicht blind sei und dass sie sehr wohl gesehen hat, dass da Stufen sind. Auch das lasse ich unkommentiert. Als sie endlich im Sessel sitzt, atme ich erleichtert auf. Ich will mir nur schnell ein Buch holen, sage ich ihr, ich bin gleich wieder da. Ich hole also mein Buch, haste wieder auf die Terrasse und will es mir bequem machen. Meine Mutter beschwert sich, dass ihr die Sonne ins Gesicht scheint. Bevor ich es mir also ein bisschen bequem machen kann, helfe ich meiner Mutter beim Aufstehen. Sicherheitshalber gebe ich ihr die andere Hand - da sind noch ein paar Finger übrig, die sie zerquetschen kann. Ich drehe also den Sessel, und platziere meine Mutter so, dass ihr die Sonne nicht ins Gesicht scheint. Jetzt sollte doch alles soweit in Ordnung sein, hoffe ich doch. Ich fische mir mein Buch vom Tisch und will zu lesen beginnen.

Meine Mutter sieht mich an und sagt mir, dass sie Durst hat. Ich sehe meiner Mutter direkt ins Gesicht und bin erstaunt darüber, wie harmlos sie aussehen kann. Ich hatte vermutet, dass zumindest ein wenig Teuflisches durchscheint, aber echt - da ist nichts. ich lege also mein Buch wieder zur Seite und gehe hinein, mache ihr ein Glas Heidelbeersaft und bringe es raus. Meine Mutter nippt am Glas. Ich sage ihr, dass sie das ruhig trinken kann. Sie habe keinen Durst, sagt sie und schaut demonstrativ in den Wald.

Ich nehme ebenso demonstrativ mein Buch. Meine Mutter seufzt. ich versuche es zu ignorieren. Dann beginnt sie mit den Fingern auf die Stuhllehne zu klopfen. Auch das versuche ich zu ignorieren. Meine Mutter fragt mich, warum ich sie in den Schatten gesetzt habe... jetzt sei ihr kalt. Wir haben gut 30 Grad und meiner Mutter ist kalt. Ich fixiere den Hals meiner Mutter und schätze den Umfang. Und dann überlege ich, ob ich sie ein bisschen würgen soll, nur ein kleines bisschen.....

Ich kann meine Überlegungen aber sowieso nicht zu Ende führen. Schließlich muss sie ja jetzt aufs Klo. Wie sie mir vorwurfsvoll mitteilt, kommt das allein davon, dass ich sie ständig zum Trinken nötige........

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Steirermadl

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Joekah

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fischundfleisch

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fischundfleisch

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