"Weichei" - "Rekrut zu Tode marschiert" - "Brutales Bundesheer"

Ein junger Grundwehrdiener der Garde verstirbt nach einem Kreislaufkollaps unter tragischen Umständen. Und was macht das (sozial-)mediale Österreich? Es liefert sich eine mit aller Härte geführte mediale Auseinandersetzung mit allen Mitteln (Posts, Blog Beiträgen, Videos, ...) über Sinn und Unsinn des Bundesheeres und ob man denn bei über 30°C noch marschieren sollte.

Mal wird von Kommentatoren aus dem einen Lager unterstellt, dass die Leute der junge Generation eben "keine Härte mehr kennen" (Moment, kennen wir das nicht aus einem Austro-Pop Song?). Und dass früher alles noch viel anstrengender war, als das Bundesheer noch kein "Ferienlager" war. Hmm ja, und jetzt ist der junge Mann quasi selber schuld und früher wäre er schon bei km 2 kollabiert, oder was?! Alleine der Gedanke dahinter beschmutzt das Gedenken an den Verstorbenen. Aber diese Kommentare sind in der Minderheit.

Auf der anderen Seite bezeichnen Kommentator_innen einen 7 km Fußmarsch mit 10 kg Gepäck bei, für die Jahreszeit üblichen, hohen Temperaturen als grundsätzlich lebensgefährliche, "sinnlose Schinderei" mit dem einzigen Zweck die jungen Männer zu quälen. Erdacht aus purem Sadismus der Ausbildner heraus oder weil "die hohen Offiziere" ein Interesse daran hätten so ihre Macht auszuleben und/oder die jungen Menschen in willenlose Kampfmaschinen umzuformen.

(Exemplarisch dazu der Kommentar von Michael Völker von derStandard.at und die nachfolgenden Kommentare: http://mobil.derstandard.at/2000062530668/Tod-eines-Rekruten-Politische-Verantwortung)

Um den verstorbenen Soldat und die Umstände, die zu seinem Tod führten, geht es nur mehr am Rande. Die Ausbildungspraxis wird in Frage gestellt, was in Teilaspekten berechtigt ist (wie dem mancherorts herrschenden Umgangston), die Wehrpflicht sowieso und manchmal auch die Existenzberechtigung des Bundesheeres als ganzes.

In den Fokus des medialen Interesses gerückt werden nun die verantwortlichen Ausbildner, fallweise auch als "Schleifer" und "Sadisten" bezeichnet. Jene Männer und Frauen die, als Teil der Ausbildung der GWD, die schwierige Aufgabe haben, in kurzer Zeit - 6 Monate sind bekanntlich ja genug - eine recht heterogene Gruppe von jungen Menschen an ihre Leistungsgrenzen heranzuführen. Das mit dem Ziel die jungen Soldaten unter Übungsbedingungen auf das vorzubereiten, was sie bei einem Einsatz erwarten könnte - sei es im Katastrophenhilfseinsatz oder im Verteidigungsfall.

Das Risiko, dass es bei einsatznaher Ausbildung zu Unfällen bis zu Tragödien dieser Art kommt, lässt sich auch durch die Abschaffung des Grundwehrdienstes nicht verhindern. Dann stirbt eben "nur" ein Freiwilliger. Aber das Risiko lässt sich minimieren: Durch geeignete Maßnahmen die bereits in Kraft sind (Marscherleichterung, Wahl der Marschstrecke, erhöhte Zufuhr von Trinkwasser), welche laut bisherigen Berichten im gegenständlichen Fall auch gesetzt wurden. Dazu könnten neuen Maßnahmen zur Risikominimierung kommen, wie etwa einem Medical Check vor und zwischen Marschtagen bei mehrtägigen Märschen. Aber sicher nicht dadurch, dass kein GWD mehr bei über 30°C an die Sonne darf.

Denn eines ist klar: Der Verzicht auf einsatznahe Ausbildung der GWD oder gleich auf den Grundwehrdienst als ganzes bedeutet nicht, dass der Einsatz dann einfacher wird. Es bedeutet nur, dass man dann schneller lernen muss. Und der Preis dafür ist hoch. Denn in der Ausbildung gilt der Grundsatz "Sicherheit vor Übungszweck". Im Einsatz sollte die Sicherheit im Handeln schon vorhanden sein - hergestellt durch vorangegangene Übung.

Aber genug. Die Untersuchungskommission des Heeres und die Staatsanwaltschaft sind nun am Zug und mögen unbeeinflusst vom Rauschen im Wald der (Sozialen-)Medien ihre Arbeit mit aller Sorgfalt machen, auf dass dem Verstorbenen und seinen Angehörigen Recht widerfahre. Und dass Lehren aus dem Vorfall gezogen werden, damit so ein tragischer Vorfall in Zukunft so weit wie möglich ausgeschlossen werden kann.

Die letzten Worte gehören dem verstorbenen Gardisten: Er möge in Frieden ruhen.

böhringer friedrich - Eigenes Werk https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Böhringer

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