Jedes Jahr im Januar beginnt der große Rücklauf. Rund 10.000 Tonnen Schoko-Weihnachtsmänner kehren aus Supermarktregalen in unscheinbare Hallen zurück. Zu alt, zu viele, zu billig. Sie kommen in Kartons mit bunten Nikolausgesichtern, deren Lächeln jetzt leicht verschmiert wirkt. In wärmesatten Kesseln werden sie entkleidet, entpackt, eingeschmolzen – und neu gegossen. So entstehen glänzende Osterhasen, deren Ohren aus der gleichen Masse bestehen wie einst die Bärte der Heiligen.
Ökonomisch lohnt sich das erstaunlich gut. Die Schokolade wird nie wirklich schlecht, nur etwas... müde. Das Entpacken, Schmelzen, Gießen, Verpacken kostet wenig im Vergleich zu den Neuproduktionskosten. Und solange der Kakaoanteil pro Gramm stimmt, kann das Etikett weiterhin stolz „Vollmilchschokolade“ verkünden.
Doch geschmacklich verändert sich das Produkt mit jedem Schmelzvorgang. Die Textur wird dichter, wachsiger, ein Hauch von Altblech breitet sich im Mund aus. Nach dem fünften Zyklus schmeckt das Resultat erstaunlich ähnlich wie die Verpackung selbst. Dann, wenn die Schokolade endgültig ihren Lebenswillen verliert, landet sie nicht mehr im Discounterregal, sondern als Werbegeschenk von Parteien, die sich empört dagegen aussprechen, dass Weihnachtsmänner in offiziellen Schreiben nur noch als „Jahresendfiguren“ bezeichnet werden dürften. Unterm Rednerpult klebt dann ein leicht süßlicher Film – Symbol jener moralischen Restverwertung, die nach außen anständig aussieht.
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In den Produktionsstätten riecht es nach Kakaostaub und billiger Desinfektion. Hier wird jede Figur ein wenig mit Kinderschweiß veredelt, ein zarter Film aus übermüdeten Händen, die am Fließband stehen. Das gefallene Lieferkettengesetz hätte dem ein Ende gesetzt – zu viel Bürokratie, hieß es. Jetzt zählt wieder, was zählt: dass der Kunde glaubt, er koste die Geborgenheit seiner Kindheit. Ein kleines Schuldgefühl schmilzt schneller als Schokolade unter Neonlicht.
So wandern die Figuren von Fest zu Fest, Jahr für Jahr, schmelzend, neu geboren, dabei immer schaler im Geschmack. Am Ende liegen sie in Sommerschubladen, grau angelaufen, mit einem Geruch zwischen Staub und Zucker – ein letztes süßliches Mahnmal für eine Gesellschaft, die Kinderschweiß im Zellophan zur eigenen Identität erklärt.
Und niemand will sie mehr essen. Zu Recht.