wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!

„Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.“ Diese Drohung zwang den Menschen, nicht nur so zu handeln, wie von ihm verlangt wurde, sondern auch so zu denken und zu fühlen, daß er nicht einmal in Versuchung geriet, sich anders zu verhalten.

Diesen Satz schrieb Erich Fromm in einem Aufsatz über die psychologischen Aspekte zur Frage eines garantierten Grundeinkommens im Jahr 1966.

Und für viele ist der Gedanke, dass Menschen unabhängig und abseits bezahlter Tätigkeiten ausreichend Geld bekommen, um ihre Existenz zu sichern, noch immer abwegig.

Auch, wenn die Realität im modernen Sozialstaat österreichischer Prägung bereits in vielen Fällen anders aussieht.

Diverse Transferleistungen wie Familienbeihilfe, Notstandshilfe, Studienbeihilfe oder Ausgleichszulage (vulgo Mindestpension) sind in gewisser Weise schon jetzt nicht mehr an strukturelle Erwerbsarbeit gebunden.

Auf der anderen Seite zeigt eine Statistik des Statistischen Bundesamtes (D), dass durchschnittlich rund 24,5 Stunden je Woche mit unbezahlter Arbeit und nur rund 20,5 Stunden mit Erwerbsarbeit verbracht werden. In diesem Zusammenhang muss auch auf die ungleiche Verteilung von unbezahlten Tätigkeiten zwischen Männern und Frauen hingewiesen werden.

Bemerkenswert ist auch, dass rund drei Millionen Österreicher*innen ehrenamtlich tätig sind und dabei rund 720 Millionen Arbeitsstunden leisten.

Es lässt sich also deutlich erkennen, dass „Arbeit“ und „Bezahlung“ nur mehr sehr bedingt unmittelbar miteinander verknüpft sind.

Hinzu kommen steigende Arbeitslosenzahlen, die sowohl ein gesellschaftliches Problem sind, als auch Ursache für individuelle Ängste. Vollbeschäftigung, wie wir sie aus den 70ern kennen gehört wohl endgültig der Vergangenheit an.

Die vielzitierte Studie "the future of employment" von Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne aus dem Jahr 2013 zeichnet ein düsteres Bild von der Zukunft des Arbeitsmarktes.

Grob geschätzt wird jeder zweite Arbeitsplatz obsolet, weil diese Arbeiten von Robotern/Maschinen verrichtet werden.

Zwei aktuelle Beispiele zeigen deutlich, wo die Reise hingeht:

Foxconn ersetzt 60.000 Mitarbeiter durch Roboter

und Infineon preist die Vorzüge des im Vorjahr in Villach eröffneten Werkes wie folgt:

„In der neuen Fabrik gleiten Roboter vollautomatisch durch die Halle, tragen die Scheiben mit den Halbleitern, die sogenannten Wafer, von einer Maschine zu anderen. Die Automaten sind ebenfalls vernetzt: Ist ein Teil zu warten, dann sorgen sie selbstständig dafür, dass ein Mechaniker anrückt – oder sie reparieren sich gleich selbst.“

Aber bleiben wir noch kurz bei Fromm um uns danach wieder harten Fakten zu widmen.

Er schreibt auch:

Für ein garantiertes Einkommen für alle spricht in erster Linie, daß die Freiheit des einzelnen auf diese Weise entschieden erweitert werden könnte.

Ein garantiertes Einkommen, das im Zeitalter des wirtschaftlichen Überflusses möglich wird, könnte zum erstenmal den Menschen von der Drohung des Hungertods befreien und ihn auf diese Weise von wirtschaftlicher Bedrohung wahrhaft frei und unabhängig machen.

Jetzt kann man natürlich auch den Begriff der individuellen Freiheit sehr weit spannen.

Das geht von Karl Marx mit

„Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“.

bis zu Sigmund Freud

„Die meisten Menschen wollen die Freiheit nicht wirklich, weil Freiheit Annahme von Verantwortung bedeutet, die meisten Menschen zittern vor solcher Annahme.“

Und Judith Shklar schreibt:

Jeder erwachsene Mensch sollte in der Lage sein, ohne Furcht und Vorurteil so viele Entscheidungen über so viele Aspekte seines Lebens zu fällen, wie es mit der gleichen Freiheit eines jeden anderen Menschen vereinbar ist. (The liberalism of fear/1989)

Es ist wohl kein Zufall, dass das bedingungslose Grundeinkommen gerade von jenen vehement abgelehnt wird, die den „Leistungsgedanken“ auf ihre Fahnen geheftet haben. „Leistung muss sich wieder lohnen!“

Wobei Leistung nach streng definierten Kriterien eben jener „Leistungsträger“ verstanden wird.

Der einflussreiche Wirtschaftsdachverband Economiesuisse zb warnt, dass sich viele Schweizer dem „Dolcefarniente“ zuwenden würden.

Yannis Varoufakis – ein Befürworter des BGE – antwortet:

Offenbar hat Economiesuisse kein Problem damit, wenn sich beispielsweise Kinder reicher Fabrikanten und Manager dank ihres ererbten Vermögens dem «Dolcefarniente» zuwenden. Sie arbeiten nicht, um zu überleben, sondern um sich selbst zu verwirklichen.

Auf der gegenüberliegenden Seite der Ablehner stehen jene, vorwiegend Gewerkschafter, denen Arbeit als alleingebende Sinnstiftung erfüllten Lebens erscheint.

Fast möchte man annehmen, dass sich in dieser Ablehnung die Angst vor jener Freiheit widerspiegelt, die es Menschen erlauben könnte ein Leben nach ihren Eigenen Bedürfnissen zu führen, ohne ökonomischen Zwängen ausgesetzt zu sein.

Womit wir wieder zu den hard facts kommen – der Ökonomie.

Die „Gretchenfrage“ die wie das Amen im Gebet in jeder Diskussion über das Grundeinkommen auftaucht lautet: Wer soll das bezahlen?

Ohne jetzt hier eine detaillierte Berechnung anzustellen (aber auch diese gibt es auf Nachfrage) ist festzuhalten.

Ausgehend von der aktuellen Höhe der Ausgleichszulage ergibt das bei 8,5 Mio Bezugsberechtigten etwa einen Finanzbedarf in der Höhe von 85 Milliarden Euro.

Demgegenüber stehen Sozialausgaben in etwa in gleicher Höhe.

Natürlich sind nicht diese kompletten 85 Milliarden als Gegenrechnungsbetrag zulässig, aber diese Gegenüberstellung zeigt, dass es bei der Finanzierung keineswegs um utopische Zahlen handelt.

Zur Abdeckung des vorhandenen „Fehlbetrages“ könnten – ohne Erhöung der Abgabenquote - unterschiedliche Quellen dienen.

Staatliche Förderung von Arbeitsplätzen in der Industrie um tendenzielle Vollbeschäftigung zu erreichen werden sinnlos bzw. zur Förderung für Roboter umfunktioniert und verlieren somit jede Berechtigung. Geschenke an Unternehmen um zur Einstellung von Arbeitskräften zu bewegen sind damit in Zukunft überflüssig und die dann freien Mitteln könnten der Finanzierung des BGE dienen.

Bei den derzeit mit etwa 8 Milliarden Euro zu Buche stehenden Verwaltungskosten wäre durch die Vereinfachung ebenfalls einiges zu holen.

Ein grosser Teil der ausbezahlten Beträge würde mit grosser Wahrscheinlichkeit in den Konsum fliessen und somit ein namhafter Betrag über die MWSt wieder dem Staatshaushalt zugute kommen.

Weitere positive Auswirkungen für den Wirtschaftskreislauf lassen sich mit der sogenannten Kaufkrafttheorie beschreiben.

In kaum einer Rede über das Schwächeln der Wirtschaft fehlt die „fehlende Inlandsnachfrage“.

Gerade das BGE würde die Kaufkraft der einkommensschwachen Schichten stärken wie kaum eine andere Massnahme.

Für den Arbeitsmarkt würde die bedingungslose Existenzsicherung bedeuten, dass sich der Arbeitsmarkt von einem Angebots- in einen Nachfragemarkt verwandeln.

Am Rande erwähnt sollen noch werden:

Förderung kreativer Unternehmungen oder Tätigkeiten

Stop der Landflucht und

Ermöglichung von ehrenamtlichen Tätigkeiten.

Bevor ich hier nun zu einem Ende komme noch zwei Punkte:

Im Artikel 22 der Menschenrechte steht:

Jeder hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht auf soziale Sicherheit und Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit sowie unter Berücksichtigung der Organisation und der Mittel jedes Staates in den Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen, die für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlich sind.

Dies bedeutet, dass in einer Gesellschaft die mit Geld funktioniert und alle existenzsichernden Bedürfnisse zu bezahlen sind, dass das Recht auf Leben und soziale Sicherheit gleichbedeutend ist, mit einem Recht auf Einkommen.

Zum Abschluss noch eine persönliche Anmerkung.

Das bedingungslose Grundeinkommen ist keine „eierlegende Wollmichsau“ und keinesfalls der alleinige Problemlöser für alle gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme.

Das BGE ist aber eine machbare Antwort auf die Fragen der zukünftigen Veränderung speziell der nicht aufzuhaltenden Digitalisierung unserer Gesellschaft.

Nicht mehr – aber auch nicht weniger!

In diesem Sinne:

Bleibt´s gsund und losst´s eich nix gfoin!

www.hagerhard.at

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