Ablass fürs Klima

Gefunden auf EIKE

von Wolfgang Kaufmann

Eine neue Frömmigkeit, ein neuer Gott – nur die Bigotterie klingt ziemlich alt.

Als es im 6. Jahrhundert zu einer gravierenden Klimaverschlechterung infolge von Vulkanausbrüchen und eines Asteroideneinschlags an der Nordküste Australiens kam, wuss­te der byzantinische Kaiser Justinian sofort Bescheid: Das sei die göttliche Strafe für menschliches Fehlverhalten. Also unternahm er alles, um seine Untertanen zu mehr Frömmigkeit zu erziehen – manchmal sogar vermittels Todesstrafe. Dabei erhielt er Unterstützung vom Bischof Johannes von Ephesos, der vor allem Sittenlosigkeit, Blasphemie und das Streben nach schnödem Reichtum für die Klimakapriolen verantwortlich machte.

Heute wird hingegen nur noch selten auf einen ungnädigen Gott verwiesen, wenn sich Wetter und Klima ändern. Trotzdem gibt es mentalitätsmäßige Parallelen. Schuld an der Misere sollen jetzt all die Frevler in den westlichen Industrieländern haben, welche verstockt genug sind, Fleisch zu verzehren, in den Urlaub zu fliegen oder gar Auto zu fahren.

Letzteres freilich auch, um die Steuergelder zu erarbeiten, die den Priestern der Klimareligion – pardon: den Klimaforschern – ein gutes Auskommen sichern. Aber das bewahrt die Sünder nicht davor, Buße tun zu müssen. Und zwar wiederum in Form von Geld, Geld und nochmals Geld.

Obwohl es inzwischen keine Figuren wie den Ablassverkäufer Johann Tetzel mehr gibt, auf deren Treiben Martin Luther mit seinem Thesenanschlag reagierte, lebt der von Tetzel perfektionierte Ablasshandel noch immer. Statt „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt“, heißt es nun freilich „Klimaneutralität durch freiwillige Kompensation“.

Wessen „ökologischer Fußabdruck“ derart breit ist, dass er auf das eigene Gewissen drückt, der kauft sich finanziell frei, indem er als Ausgleich für die emittierte Menge des „Klimakillers“ Kohlendioxid in Klimaschutzprojekte investiert.

So kann der Mensch fast alles „klimaneutral“ tun:

Auto­fahren, bauen, campen, drucken, essen, fliegen, grillen, heizen, im Internet surfen, jodeln (nein, das leider noch nicht!), kochen, Lebensmittel produzieren, Mineralwasser trinken, Natur genießen, Öfen beheizen, Post versenden, Quartiere beziehen, Restaurants besuchen, Seereisen unternehmen, tanken, an Universitäten studieren, Veranstaltungen durchführen, wohnen und Zigarren rauchen.

Trotzdem ist nicht die Zeit für erleichtertes Aufatmen, denn kein noch so großzügig bemessener Obolus vermag die menschliche Erbsünde zu tilgen, die darin besteht, dass wir alle permanent CO2 ausstoßen: Der Anteil dieses Gases in der Ausatemluft des Homo sapiens ist teuflische einhundert Mal höher als in der geschundenen Atmosphäre um uns herum. Hiergegen gibt es letztlich nur ein probates Mittel: klima­neutraler Sex, wie ihn Stefanie Iris Weiss in ihrer Ratgeber-Bibel zum Thema grün-nachhaltiges Liebesleben propagiert. Denn das ökologisch korrekte Austoben von Trieben besteht ja nicht nur darin, mit dem Fahrrad zum Rendezvouz zu strampeln oder im Falle von dessen Misslingen auf mechanisches Sexspielzeug mit Handkurbeln statt Batterien auszuweichen, sondern beinhaltet auch den Verzicht auf jedwede Reproduktion.

Kein weiterer Mensch auf diesem Planeten, kein neuer Klimasünder! Oder ist diese Formel falsch? Vielleicht kann hier ja der Historiker Prokopios von Caesarea weiterhelfen, welcher ebenfalls zur Zeit von Kaiser Justinian und Johannes von Ephesos lebte und in seiner Chronik „Bella“ anmerkte: Gerade die Experten „für alle Phänomene, die aus dem Himmel niederfahren … pflegen häufig wunderbare Gründe, die kein Mensch nachvollziehen kann, anzugeben oder abwegige Naturlehren zu erdichten.“

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Dieser Aufsatz ist zuerst erschienen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung; 08.02.2019, S. 12;

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