Do it yourself und Brot & Spiele – ist das die Zukunft?

Letzte Woche war ich für einen Vortrag in Cambridge eingeladen und habe ein bisschen bei den Eliten Europas reingeschnuppert. Da ging es viel um Algorithmen, also Berechnungen, was wir als Menschen in der Industrie 4.0 brauchen.

Keine Sorge, der Zotter wird jetzt nicht zum Eliteschnösel; aber man will ja wissen, wie die Welt in ein paar Jahren aussehen könnte. Die Konzerne berechnen ja jetzt schon, was „wir“ als Konsumenten brauchen und was nicht. Und am Ende wirst du als Mensch in ein System eingebaut, bei dem du glaubst, du hast alles in der Hand. Reisebüro? Brauch ma net, wir buchen im Internet! Self checkin am Flughafen, dafür holen wir das Frühstück und Abendessen am Buffet im Hotel selber. Im Supermarkt? Wir kassieren uns selber ab. Bankgeschäfte? Arbeiten tut dort im tagtäglichen Geschäft eh keiner mehr, wir banken online. Wir sind dann bei der Bank mit der besten Werbung und Website, kaufen die Möbel, die ein großes schwedisches Unternehmen zum Selbermachen entwirft und essen, was grad im Supersonderbilligangebot ist. So viel also zu „do it yourself“!

Die Idee dabei ist: Wenn wir schon im Berufsleben nur noch hinter Bildschirmen sitzen und Roboter unsere Konsumgüter produzieren, sollen wir uns wenigstens in der Freizeit manuell beschäftigen, Hochleistungssport betreiben, weil sonst der Bauch wächst, das krank macht und es der Versicherung Geld kostet.

Bei der Tagung in Cambridge ging man aber noch weiter als das, was ich gerade geschrieben habe. In 20 Jahren brauchts keinen Landarzt mehr, keinen Steuerberater, keine Beamten, Banken als Standort sowieso nicht; die Autos fahren dann vermutlich auch schon selbst. Wir sind gechippt, vernetzt und nur noch im Internet und rennen mit Taucherbrillen-artigen Bildschirmen am Schädel durch die Gegend und schauen diese virtuell im 360 Grad-Modus an. Da beschleicht mich immer so ein leiser Anflug, dass die ganzen vernetzten Dinge einmal uns kontrollieren, nicht mehr wir sie. Klingt nach Science Fiction? Schon, aber denken wir doch einfach mal an den Fall, dass ein Computervirus ALLE Bankomaten und Bankomatzahlgeräte lahm legt. Wer kontrolliert da wen? Und wo verdammt noch mal gibt es dann noch eine Filliale? In Gehweite? Stell dir vor, du müsstest auch noch tanken!

Dieses ganze „Mach das selber“-Getue ist gefährlich. Ich will nicht allzu schwarz malen und sagen, dass da eine Verschwörung dahinter steckt, aber ich halte es für Brot und Spiele. Wir denken ja dann nur noch, dass wir uns frei entscheiden können. Insgeheim checkt aber der Algorithmus unsere Vorlieben, spielt uns im Netz heute schon nur vor, was der Computer glaubt, das uns gefällt. Ok, wir können noch entscheiden, wo wir Like drücken. Aber jedes Like führt dazu, dass uns nur noch Dinge vorgespielt werden, die dem ähnlich sind. So entsteht ein Mikrokosmos von dem, was eine Firma vorgibt. Und das sollen wir mögen!

Ich denke, dass diese Entwicklung jede Kreativität killt. Bleiben wir bei den Möbeln. Die sind in der Maßanfertigung durch die großen Konzerne so sauteuer geworden, dass sich kaum ein normaler Mensch mehr es leisten kann, genau den Kasten produzieren zu lassen, den er will. Weil zu den Preisen, die das große Möbelhaus anbietet, kann der Tischler nicht einmal das Holz kaufen, das er für den Kasten braucht.

Ja und wenn man weiterdenkt ... haben die meisten dann überhaupt noch eine Arbeit? Oder werden wir nur noch beschäftigt oder belustigt? Brot & Spiele eben! Ist das nicht verrückt? Oder werde ich es gerade?

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Schreinler Touni

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sisterect

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