So schön hatte ich es gehabt! Sofern man es schön nennen kann, wenn man mit einer schweren Verletzung im Spital liegt. Eine ganze Woche lang wurde ich auf etwaige Keime untersucht und isoliert untergebracht. Das Krankenzimmer ganz für mich allein!Sobald sich aber herausstellte, dass ich keine fremden Keime an meinem Haaransatz und anderen, peinlicheren Körperstellen mitgebracht hatte, war es auch schon vorbei mit der Ruhe. Die Tür ging auf und eine alte Dame wurde in ihrem Bett ins Zimmer geschoben. Sie war sehr freundlich, nur ein bisschen dement. Eine Woche hat sie mich mit ihrer Anwesenheit beehrt. Ihre Lebensgeschichte hat sie mir mehrmals erzählt, aber in der Nacht hat sie nicht geschnarcht. Eine angenehme Krankengenossin also.

Als die Woche fast um war, wurde ihr gesagt, dass sie am nächsten Tag heimgehen dürfe. Kurz darauf sah ich sie mit ihrem Gebiss in der Hand in unser gemeinsames Badezimmer gehen. Ein paar Minuten später kam sie damit wieder heraus. Ich musste auch ins Bad, und dabei fiel mir auf, dass es rund um meine elektrische Zahnbürste, die ich neben dem Waschbecken geparkt hatte, nass war. Ich hatte doch schon in der Früh die Zähne geputzt, warum war die Bürste dann jetzt nass?Da schwante es mir auch schon. Ich fragte einmal nach. Ja, sie hätte immer mit dieser Bürste ihr falsches Gebiss geputzt. Aber die wäre eh schlecht zu gebrauchen, denn sie hat keinen ordentlichen Griff. Sie hatte nämlich nur mit dem Aufsatz gebürstet. Kurz kam bei mir der Ärger auf, und ich fragte sie, warum sie keine eigene Bürste hätte und warum sie nicht sicherheitshalber gefragt hätte, ob sie diese benützen könne. Da wurde sie ganz schuldbewusst und entschuldigte sich gleich mehrmals hintereinander. Mit hängendem Kopf saß sie auf ihrem Bett und jede halbe Stunde fragte sie mich "Frau Judith, was machen wir jetzt wegen der Zahnbürste?". Mir tat sie inzwischen schon leid und ich meinte nur, dass eh alles in Ordnung wäre.

Sie aber wollte das Problem lösen und brachte mir eine Einwegzahnbürste vom Krankenhaus. "Nehmen Sie diese und ich nehme die Ihre mit!" war ihr Vorschlag. Dass eine elektrische Zahnbürste nun aber ein Vielfaches einer Einwegbürste kostet, hatte sie nicht bedacht.Ich versuchte sie weiter zu beruhigen, aber der Gedanke ging ihr nicht aus dem Kopf und sie entschuldigte sich immer wieder.Als sie dann nach Hause ging, war sie so aufgeregt, dass sie vergaß, sich von mir zu verabschieden.

Am darauffolgenden Tag ging die Tür zum Zimmer auf und da war sie wieder. Sie hatte mir Obst mitgebracht und entschuldigte sich dieses Mal, weil sie nicht Auf Wiedersehen gesagt hatte. Dann packte sie einen Kamm aus und meinte "Den hab ich Ihnen auch gestohlen", aber den hatte sie vom Krankenhaus mitgehen lassen.

Die Ärzte hielten übrigens die Bakterien vom falschen Gebiss für vernachlässigbar, während sie sich für die in meiner Wunde sehr interessierten.

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Herbert Erregger

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Andrea Walter

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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