Die Wahrheit über Sebastian Kurz, oder: Der strategische Fehler des Herrn K.

Wie es Sebastian Kurz durch seine geschickte Kampagne gelungen ist, unantastbar zu werden, und warum das nicht so fair ist, wie er es selbst gerne darstellt. – Zum Streiten gehören zwei.

Die Dramaturgie lehrt, dass die Identifikation mit dem Helden einer Geschichte erst über den Antagonisten erfolgt. Einfach erklärt: Es ist leichter zu sehen, wogegen jemand kämpft, als wofür, da ihn ja erst diese Widerstände davon abhalten, sein Ziel zu erreichen und insofern immer präsenter sind. Deshalb schärft ein guter Gegner das eigene Profil.

Das Wichtigste im politischen Kampf um Wählerstimmen ist also die Positionierung nicht in Bezug auf Inhalte, sondern in Bezug auf die Feindbilder, die man sich wählt.

Grob gesagt, gibt es 4 mögliche Feindbilder:

– Die Regierung (Die da oben)

– Die Elite (Die da noch weiter oben)

– Die Anderen (Ausländer, die Nicht-Bürger, “Schmarotzer”)

– Die anderen politischen Parteien und ihre Ideologien

Weil Narrativen heute das Wahlverhalten stärker beeinflussen, als Inhalte und Tradition, die Wahlentscheidung also öfter emotional oder aufgrund von Sympathie getroffen wird, als anhand konkreter Wahlprogramme und Wahlversprechen, ist es wichtiger denn je ein möglichst klares Narrativ zu präsentieren und damit also möglichst fokussiert ein konkretes Feindbild zu besetzen.

Das war der entscheidende Moment in diesem Wahlkampf: Sebastian Kurz, kündigt die Regierung auf, besetzt das Ausländer-Feindbild von HC Strache, und distanziert sich von der eigenen Regierungsbeteiligung.

Kern bleibt überhaupt kein anderes Feindbild übrig als die Elite (da oben), was als Regierungspartei ein fast unmöglich zu gewinnendes Thema ist, da man ja auch als da oben wahrgenommen wird.

Als Regierungspartei kann man überhaupt nur punkten, wenn man zu der eigenen Arbeit stehen kann. Gibt es in der Bevölkerung zu großen Unmut über die Regierungsarbeit, wirkt jede Verteidigung und Rechtfertigung wie ein Schuldeingeständnis.

Der eigentliche strategische Fehler von Kern war, die Regierungsarbeit nicht als erster aufzukündigen. Aus traditionellen Überlegungen hatte man in Österreich die Erfahrung abgeleitet, dass derjenige der Schuld an den Neuwahlen ist, auch derjenige ist, der Stimmen einbüsst. Aber in der heutigen Welt zählt das Narrativ! Und das Narrativ wird durch Feindbilder erzeugt.

Nicht, wer die “Ehe” hochhält, sondern, wer besser mit der Trennung klarkommt, also der, der Schluss macht, ist heute der Held des Moments. Wahlkampf heute heißt: Wer kann schneller ein neues Narrativ besetzen. Wer kann besser und klarer darstellen gegen eines der vier Feindbilder zu sein.

Gleichzeitig blieb Kern überhaupt keine Wahl als die Regierungsverantwortung alleine zu übernehmen.

Kurz verlässt das sinkende Schiff und lässt Kern alleine stehen.

Für eine Regierungspartei, die noch als solche identifiziert wird, ist es das Beste schlicht zur (hoffentlich guten) eigenen Arbeit zu stehen und sonst nicht viel von sich zu geben (siehe Merkel).

In dem Moment als Kurz die Regierung hingeworfen hat, kam Kern also sofort in narrative Not. Besondere taktische Raffinesse: Das einzige Feindbild, das einer Regierungspartei noch bleiben würde, sind die politischen Mitbewerber und deren Ideologie. Und genau dieses einzige verbleibende Feindbild, stilisiert Kurz als unantastbar, da das “alter Stil” wäre sich gegenseitig anzupatzen.

Jemandem mit der Verantwortung allein im Stich zu lassen ist sicher nicht staatstragend und schon gar nicht die feine englische Art. Und so kann die Kampagne von Kurz als geschickter Affront gegenüber seinem Regierungspartner gewertet werden.

Ein perfekt berechneter Wahlkampf: Kurz nimmt Strache seine zwei Feindbilder (Regierung und Ausländer) weg und zwingt Kern die Verantwortung für die Vergangenheit alleine zu tragen in dem er selbst plakatiert “endlich” zu tun, was richtig ist. Seine zwei Hauptkontrahenten überlistet er hier also clever, und schürt damit einerseits deren Groll gegen ihn, und verbietet ihnen gleichzeitig jede Kritik, weil es ja Zeit für was neues ist.

Der strategische Knackpunkt ist die Lüge:

Ich bin nicht die Regierung.

Und das ist von Kern nur schwer anzugreifen. Der Vorwurf nie da zu sein nütz Kurz (Er will ja nichts mit der Regierung zu tun haben.) Der Vorwurf schlechte Regierungsarbeit geleistet zu haben, wird verteidigt dadurch, dass dies Anpatzen sei. Wenn dieser Vorwurf berechtigt ist und auf einer beweisbaren Grundlage basiert, wird er auf den Koalitionspartner geschoben. Weil Kurz selber ja immer schon anders hätte agieren wollen, und das auch glaubhaft darstellen kann. Außerdem ist es als (nunmehr einzig verbleibende) Regierungspartei immer schwierig die Arbeit, die man ja noch immer mitverantworten muss, zu kritisieren.

Sebastian Kurz weiß wirklich genau, was die Bevölkerung will. Die Frage ist nur, ob er das auch selbst tatsächlich ist:

Wenn Kurz wirklich eine neue Bewegung wäre, die sich aus der Opposition heraus formiert hätte, dann wäre das Narrativ nicht nur passend, sondern entspräche genau der Veränderung, die sich die Bevölkerung von der Politik auch erwartet. Aber durch seine eigene “verdrängte” Regierungsbeteiligung bekommt diese Geschichte einen schalen Beigeschmack. Man muss Herrn Kurz wirklich großes taktisches Geschick und politisches Gespür aussprechen, aber ob sein Wahlkampf fair und ehrlich ist, ist eine andere Frage.

Im besten Fall wäre Kurz wirklich das, was er verspricht. Er reformiert erst die Volkspartei und dann auch Österreich im Sinne der Menschen. Es wäre wünschenswert. Zumindest die Mittel, die er dabei für den Wahlkampf wählt, sind nicht so sauber, wie er seinem Publikum gerne weis machen will. Aber muss Politik denn wirklich immer so sauber sein? Nur wo Image alles ist. Zum Streiten gehören zwei. Und wer so gar keine Schuld am Scheitern einer Beziehung übernehmen will, nützt am Ende womöglich doch noch dem lachenden Dritten und könnte darüberhinaus auch Schwierigkeiten haben, einen neuen Partner zu finden. Vielleicht wird die Inszenierung der eigenen Unfehlbarkeit in dieser Perfektion ja doch noch zum Bumerang und damit zum (einzigen) strategischen Fehler des Herrn K.

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louiskarrew

louiskarrew bewertete diesen Eintrag 09.10.2017 14:59:51

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