Schwanzvergleich im Bäckermilieu

Geht man heute auf der Landstrasser Hauptstraße stadtauswärts spazieren, kann man Zeuge eines Schwanzvergleiches im Bäckermilieu werden. Der Felber weiß vermutlich selber, dass er nicht mitspielt, aber Ölz, Joseph und Ströck treten mit dicken Flaggschiffen gegeneinander an. Wir begaben uns auf Lokalaugenschein um herauszufinden, wer den längeren, äh, das längere bzw. das leckerere Baguette hat.

Beginnen wir beim Shooting Star - der Joseph macht zurzeit scheinbar alles richtig - die Bobos lieben ihn. Nicht einmal ein Außenschild hat er notwendig, wie cleanlabelig ist denn das?? Drinnen smart, sehr smart und phast scheint es, als würden seine wie Superstars präsentierten Produkte mit Vornamen alle Bio heißen. Irgendwie schaphpht der Joseph gleichzeitig den Eindruck zu vermitteln, seine Rezepte wären von seiner Großmutter und, dass seine Großmutter Vievienne Westwood heißt. Nachdem wir uns mit gutem Gewissen verwöhnen wollen, zahlt der heimische Quasifairtrader den Biobauern angeblich mehr, wie man hört soll sich dies aber auf wenige Prozentpunkten beschränken, während man am Ladentisch für ein Baguette €4,10 löhnt, aber immerhin. Auch hört man, dass der Bioshootingstar Brot teils von Waldviertler Bäckereien weiterverkauft. Aber gut, soll er an seinem Brand verdienen, wenn in unserer von raising agents dominierten Hauptstadt kaum noch jemand einen gescheiten Sauerteig ansetzen kann. Originalität kennt keine Grenzen und so ist das oben angesprochene Baguette eigentlich ein in die Länge gezogener gstaubter Wecken aus Sauerteig. Prädikat: nicht phunky.

Der Traditionsbäcker Ölz dürfte der erste auf der Flagshipstoremeile gewesen sein, so ich meinem Co-Degustator glauben schenken darf. Mission accomplished! Betritt man das appetitlich eingerichtete Geschäftslokal denkt man nicht an die plastikverpackten Striezel aus dem Supermarkt mit dem die Großbäckerei vermutlich gutes Geld verdient, der aber für die Marke gewiss kein Segen ist. Durch die Scheibe im Lokal sieht man in eine Art Backstube, auf einen Mehretagenofen und könnte theoretisch sehen wie dort Brot gebacken (oder aufgebacken?) wird, wenn dort jemand Brot backen würde. Die Verkäuferin ist jung, aber ein wenig älter als das Jospephteam, bedient sehr freundlich, mit slawischem Akzent. Ölz kommt nicht verstaubt rüber, aber auch ohne Anspruch stylisher Trendsetter zu sein, sondern einfach als solider Bäcker. Warum die einzige Baguette-Sorte aus einem Ciabatta-Teig sein musste bleibt sein Geheimnis.

Es wird gerüchteweise gemunkelt der Ströck hätte nicht einmal direkte kommerzielle Erwartungen an sein Flaggschiff, sondern wollte einfach dem Joseph etwas entgegensetzen. Aber alles sicher nur ein böses Gerücht.  Das Geschäftslokal ist jedoch nicht mehr wirklich downtown und von der Lage her vermutlich eher für ein italienisches Systemgastronomiecafé geeignet. Nicht ausschließen darf man allerdings, dass im Keller des Gebäudes mit der schwarzen smarten Fassade, Mister Ströck himself auf einer Orgel jamesbondbösewichtmäßig Toccata und Fuge in d-moll von Bach spielt, denn DIESER Store wurde eindeutig mit dem Anspruch konzipiert, die Weltherrschaft zu übernehmen. Nicht nur dem leidlichen Emporkömmling Joseph soll hier gründlich das Wasser abgegraben werden, bei der Gelegenheit will man auch alle Menschen abwerben die grundsätzlich, theoretisch oder wie auch immer bereit sind einen Starbucks und/oder einen Wein&Co überhaupt nur zu betreten. Aber leider, leider, leider, leider: Es geht sich nicht ganz aus. Selbst wenn man bereit wäre dem Bäcker die affichierte Baristaerfahrung abzunehmen, bröselt das Konzept, sobald einem das nicht sehr feierliche Standardbrotsortiment ins Auge springt. Falls es philologisch möglich wäre die Metapher „Perlen vor die Säue“ zu einem Antonym umzudrehen, wäre hier vermutlich von einem Schweinsauge in einer Muschel zu sprechen. Das Baguette hingegen, und das möchte ich an dieser Stelle explizit erwähnen, besitzt genau die optimale Konsistenz die Durchschnittsfranzosen von jenem Längsgebäck erwarten, dass ausschließlich dazu genutzt wird, um es sich in einer Slapstickkomödie gegenseitig um die Ohren zu hauen - man will ja den Gegner mit dem lätscherten Teil nicht verletzen.

Zusammengefasst muss man zum Thema Baguette also mit aller Deutlichkeit sagen, dass offenbar alle drei Flaggschiffe nachhaltig nicht bereit sind unter französischer Fahne zu segeln.

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Corinna Milborn

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fischundfleisch

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Martjusha

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