Wintereinbruch

Gestern nachmittag schimmerte das ehemalige Anwesen von Lew Tolstoj in Moskau noch in den prächtigsten Herbstfarben, um schließlich letzte Nacht vom ersten Schnee überdeckt zu werden. Leider gelang es der weißen Pracht nicht lange dem Stadtbild der russischen Hauptstadt Romantik und Ruhe einzuhauchen, der Montagmorgen war von Staus mehrfacher Dimension geprägt.

Grundsätzlich staut es in Moskau eigentlich sowieso immer, besonders aber im Herbst, wenn die Stadt nach der Sommerpause auf der Datscha wieder ihre volle Aktivität aufnimmt, und insbesonder staut es natürlichauch in der rush hour am Montagmorgen. Hinzu kommt, dass Schneereste und Schmelzwasser die Zähflüssigkeit des Molochverkehrs heute morgen weiter erhöhten - eine zu tiefe, zu lange und auch aussichtslos breite Lacke legte sogar meinen Segway lahm.Das Tüpfelchen auf dem I, die Kirsche am Sahnehäubchen in Sachen Stau sind aber die vielen russischen Sommerreifen, die jährlich für verlängerte Bremswege, verlangsamte Beschleunigungen, liegengebliebene Fahrzeuge und natürlich auch für vielfältige Unfälle als Folge des ersten Schnees sorgen.

Nachdem es nicht gänzlich containtuitiv ist, dass es in Russland im Herbst und Winter gelegentlich kalt wird und bei gleichzeitig prognostizierbarem Niederschlag die eine oder andere Schneeflocke sich nicht nur Vladimir und Olga auf die Nase setzt, sondern auch Beton und Asphalt bevölkert, muss doch etwas anderes als slawische Saumseeligkeit dahinterstecken, wenn einfach niemand rechtzeitig Winterreifen aufzieht? Tut es auch, steht es auch.

Traditionell werden die Reifen in Russland erst bei Schneefall gewechselt, denn, so versicherten mir bereits mehrere russische Männer, fährt man mit Winterreifen bei normaler Temperatur, ist der Abrieb so hoch, dass man sie innerhalb weniger Wochen entsorgen müsste. Außerdem, so ist zu vernehmen, sei das Fahren mit Winterreifen bei nichtwinterlichen Bedingungen auf Grund des verlängerten Bremsweges gefährlich.  Die zahlreichen Unfälle bei Wintereinbruch sind sogesehen lediglich als Kollateralschäden einer vernunftbegabten Reifenpolitik zu verstehen, die ihren Ursprung eventuell beim schlechten Reifengummi zu Sowjetzeiten nahm. Zwar fährt heute niemand mehr mit sowjetischen Reifen, aber das Wissen um die herbstlichen Sicherheitsmaßnahmen hält sich hartnäckig.

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:16:53

Martjusha

Martjusha bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:16:53

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