Was täte Österreich ohne Deutschland-Vergleich?

Im dieswöchigen ORF-Report sagte Bundeskanzler Faymann, wie sich Österreich gerne mit Deutschland vergleicht und zitierte dazu (interessanterweise nicht richtige) Angaben über das höhere Wirtschaftswachstum Österreichs in den letzten Quartalen. Österreichs Politikerinnen und Politiker vergleichen sich gerne mit Deutschland, Ähnliches tun auch die hiesigen Medien. Diese Vergleiche sind oft voller Schadenfreude, wenn Österreich in irgendeinem Bereich besser abschneidet als Deutschland. Auf der anderen Seite wird Österreich von deutschen Politikern und in deutschen Medien vergleichsweise wenig erwähnt, geschweige denn als Referenzgröße bei politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Vergleichen herangezogen. Und das ist durchaus verständlich, wenn man die Bevölkerungsgröße und die internationale Bedeutung beider Länder in Betracht zieht. Bei den meisten Deutschen herrscht vielmehr ein verklärtes Bild von Österreich als kleinem Nachbarland, in dem Skifahren und k.u.k. Flair immer noch Hochkonjunktur haben.

Ich habe mich als zugewanderter Österreicher schon immer gefragt, warum es in Köpfen vieler Österreicherinnen und Österreichern auch 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg immer noch teilweise offene Ressentiments gegenüber Deutschland existieren, und der Mythos vom „Großen Bruder“ hartnäckig aufrecht erhalten wird. Nicht nur einmal habe ich zusammen mit Österreichern Fußball geschaut: Jeder Erfolg von Deutschlands Gegenmannschaft wurde frenetisch bejubelt, obwohl Österreich mit der zu bejubelnden Nation oft gar nichts verbindet. Ich bin mir bewusst, dass in den vergangenen Jahrzehnten zu viel Sympathie für Deutschland in Österreich oft als Signal für die deutschnationale und rechtsextreme Gesinnung verstanden wurde und negative Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg hervorrief. Schließlich und endlich manifestierte sich die Emanzipation von Österreich als eigenständiger Nation u.a. auch durch eine klare Distanz zu Deutschland.

Andererseits verbindet beide Länder eine gemeinsame Sprache, auch wirtschaftlich und politisch wird eng kooperiert. Heutzutage stellt kein ernstzunehmender Mensch die Existenz einer eigenständigen österreichischen Nation in Frage. Die geänderte geopolitische Lage in Europa erfordert jedoch ein neues Bild von Deutschland – nicht nur in Österreich, sondern auch in ganz Europa. Deutschland wuchs mittlerweile nicht nur zu einem wirtschaftlichen, sondern auch zu einem politischen und diplomatischen Riesen. In manchen Bereichen ist Deutschland für Österreich nach wie vor ein Role Model, obwohl das viele hierzulande nicht gerne zugeben. Und daran gibt es absolut nichts Negatives oder Schlechtes. Was Österreich und die EU nun brauchen, sind Beziehungen zu Nachbarländern ohne Minderwertigkeitskomplexe und unnötige historische Altlasten.

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