Warum Wien so falsch ist

Wien ist so falsch, weil es vorgibt etwas zu Sein, was es nicht ist.

Wien ist die lebenswerteste Stadt der Welt. In sämtlichen Rankings befindet sich die Bundeshauptstadt auf den ersten Plätzen. Regelmäßig wird die sehr hohe Wasserqualität gelobt, das öffentliche Verkehrssystem gilt als das effizienteste der Welt, die Müllabfuhr ist vorbildhaft und die Altbauten entlang der Ringstraße sind die bekanntesten Wahrzeichen der Stadt. Viele Superlative, mit der sich Wien schmücken kann. Doch was sagen solche Statistiken über eine Stadt aus? Gar nichts. Internationale Rankings heben vor allem die quantitativen Aspekte hervor. Solche wie Pünktlichkeit, Luftwerte, Lebenserwartung, Gesundheit, Umweltstandards etc. Die wirklich aussagekräftigen qualitativen Indikatoren, wie etwa viele unnötige Behörden, das Starke abschneiden einer rechtspopulistischen Partei, die an absurden Verschwörungstheorien glaubt, der sensationsgeile Jahrmarktjournalismus der Gratiszeitungen, die erschreckend hohe Gleichgültigkeit gegenüber Bedürftigen und nicht zuletzt der ausgeprägte Grad an Unfreundlichkeit bleiben ausgeklammert. Wien gibt der Außenwelt etwas vor, was sie nicht ist.

Wien darf nicht Istanbul werden

Wien ist falsch, weil es vorgibt weltoffen zu sein, aber ihre Einheimischen in Wahrheit engstirnig und unfreundlich sind. Alle zwei Jahre kommt es zu einer ernsthaften Schießerei im gesamten Stadtgebiet und schon wird davor gewarnt, dass Wien nicht Istanbul werden dürfe. Als EU-Bürger darf man sich hier ohne weitere Auflagen niederlassen, doch trotzdem kündigt der Beamte der MA35 für den nächsten Tag die Fremdenpolizei an der eigenen Haustür an, weil man kurzfristig arbeitslos geworden ist. Ein Mann bricht an Weihnachten im letzten Jahr in einem Aufzug in der U-Bahnstation „Volkstheater“ mit einem Herzinfarkt zusammen und kein Mensch kommt auf den Gedanken Zivilcourage zu beweisen und dem Opfer zu helfen, bis dieser stirbt. Ein alter Grantler beschimpft in einer Tram einen farbigen mit rassistischen Pöbeleien und dennoch hält es niemand für nötig den Rassisten in die Schranken zu weisen. Es ist eine lebensbeneinende Stadt.

Sensationsgeile Gossenzeitungen

Wien ist falsch, weil es Sitz zahlreicher Medienunternehmen ist, aber ihre Straßen mit exhibitionistischen und sensationsgeilen Gossenzeitungen zugemüllt werden. In Boulevardzeitungen werden Vergewaltigungen praktisch detailliert beschrieben und der Schutz der Privatsphäre ignoriert. Selbsternannte Bürgerwehre, die ihre Stadt vor einer „Asylflut“ schützen wollen, werden hofiert.

Behördendschungel

Wien ist falsch, weil es vorgibt demokratisch und transparent zu sein, doch in Wirklichkeit nicht klar ist, wer für was zuständig ist. Politik und Wirtschaft jammern darüber, dass der Unternehmergeist in Österreich weniger ausgeprägt ist, als anderswo. Gleichzeitig vergessen Sie, dass es schon einer Dschungelodyssee gleicht, wenn man bei der Wiener Stadtverwaltung versucht den zuständigen Beamten zu erreichen. Da kann es passieren, dass man von der ersten Abteilung durch vier andere Abteilungen weitergereicht wird, bis man schließlich wieder in der ersten Abteilung landet und es immer noch nicht geklärt ist, wer für Unternehmensförderungen zuständig ist. Und wehe, man vergisst die Herrschaften mit ihrem Titel anzusprechen…

Irgendwie erinnert mich Wien an das Deutschland in der ersten Hälfte der 2000er Jahre: Die Arbeitslosigkeit ist steigt, die Menschen finden immer etwas zum Jammern, die „Geiz-ist-Geil-Mentalität“ ist ziemlich stark ausgeprägt, man hält sich für das Zentrum der Welt und jede Veränderung ist genauso schlecht wie der Status Quo. Und wenn man es wagt, vor allem als Ausländer, einem Wiener oder einer Wienerin die Meinung zu sagen, wird man direkt aufgefordert sich aus Österreich zu schleichen, wenn es einem hier nicht gefällt.

Seid freundlicher

Nur weil ich diese Zeilen schreibe, heißt es nicht, dass es mir hier nicht gefällt. Ich arbeite und lebe gerne hier. Ich frage mich nur, woher diese ausgeprägte Form der Unfreundlichkeit stammt. Wien hat alles, was eine gesunde Stadt haben kann. Dennoch wird gegrantelt und gejammert, was das Zeug hält. Viele Freunde sagen mir, der Wiener ist halt der Wiener. Seine Unfreundlichkeit muss man akzeptieren, sonst beißt man sich vergeblich die Zähne aus, wenn man ihn ändern will. Ich will aber diese Unfreundlichkeit nicht akzeptieren und ja: Ich will, dass es sich ändert. So naiv das auch klingen mag. Stets bemühe ich mich freundlich gegenüber anderen Menschen zu sein. Schon aus Respekt und Anstand. Vor allem auch deswegen, weil ich selber gerne freundlich behandelt werden möchte. Ich gebe es offen zu, dass ich mit Unfreundlichkeit, auch wenn sie nicht persönlich ist, nicht umgehen kann und es mir aufs Gemüt geht. Deshalb, liebe Wienerinnen und Wiener,  bemüht euch ein wenig freundlicher zu sein.

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