„Gipfeltreffen“ zur „Kombinationshaltung“

Vor der bildschönen Gipfelkulisse des Wilden Kaisers in Tirol

fand vor kurzem ein Treffen der ungewöhnlichen Art statt. Auf einem alteingesessenen Bauernhof im Bergdoktor-Dorf Going gaben sich Maggie Entenfellner, Österreichs bekannteste Tierschützerin, Bauerbund-Obmann Georg Strasser sowie Tirol Milch-Obmann Stefan Lindner ein Stelldichein. Thema: Die Anbinde- bzw. nach neuem Sprachgebrauch „Kombinationshaltung“ von Milchkühen.

Unter diesem ungewohnten, weil neuen Begriff verbirgt sich die vor allem in alpinen Regionen althergebrachte und nach wie vor häufig praktizierte Kombination aus zeitweiligem Anbinden der Kühe im Stall und zumindest saisonalem Auslauf auf Tal- und/oder Alm-Weiden. (Wen es näher interessiert: Hier gehe ich der grundsätzlichen Frage ob man Kühe anbinden darf ein wenig auf den Grund.)

v.l.n.r.: Die Hausherren Sylvia und Georg Heuberger, Tirol Milch-Obmann Stefan Lindner, Maggie Entenfellner und Bauerbund-Obmann Georg Strasser

Das Anbinden von Kühen ist ein Dauerbrenner...

...und -aufreger innerhalb der Tierwohldebatte. Und seit ein, zwei Jahren vermehrt ein Stein des Anstoßes zwischen Handel und Molkereien und in Folge zusehends auch zwischen Molkereien und ihren Bauern. Einzelne Händler stellen dabei ein wenig die Rute ins Fenster und lassen über einen Komplettausstieg aus der Kombinationshaltung „nachdenken“. Den Molkereien und ihren Bauern wird bei derlei Gedanken zu Recht Angst und Bang. Bedeutete ein erzwungener Ausstieg aus der Kombinationshaltung doch in jedem Fall das Aus für Tausende Milchviehbetriebe im Land. Umso wichtiger, dass Alternativen zu diesem drohenden Szenario angedacht UND auch mit entsprechender Reichweite kommuniziert werden. Deshalb auch dieser Termin zwischen der Krone- und ORF-Frontfrau Maggie Entenfellner und bäuerlichen Spitzenvertretern auf einem Hof, wo die Kühe wie an vielen, vielen anderen Höfen seit Jahrhunderten angebunden werden – wenn sie nicht auf der Weide sind.

Mit dabei beim besagten Treffen, wir von Land schafft Leben.

Es soll nämlich demnächst ein Bericht zum Thema in der Serie „Unsere Bauern“ in der Kronen-Zeitung erscheinen. Zusammen mit Hannes Royer, unserem Obmann bringt im Rahmen dieser Reihe Maggie Entenfellner in ungefähr 14-tägigem Rhythmus den zahlreichen Krone-Lesern „die Arbeit und Sorgen unserer Landwirte“ nahe. Auf jeweils einer ganzen Doppelseite in der reichweitenstärksten Sonntagsausgabe. Was wir von Land schafft Leben damit bezwecken? Die bäuerliche Urproduktion in ihren so vielfältigen, spannenden, schönen aber oft auch weniger schönen, schwierig zu kommunizierenden, komplexen Aspekten zu zeigen. Und zwar nicht nur ein paar ohnehin eingeweihten Experten und Praktikern. Nicht nur der bäuerlichen Community, wie sie einschlägige Fachorgane bedienen, sondern einer großen bundesweiten Leserschaft. Die vielzitierten Konsumenten wollen wir so erreichen, die letztlich über ihr Einkaufsverhalten aber auch ihre Meinungsäußerung etwa in den Sozialen Medien indirekt über derlei Dinge wie die „Kombinationshaltung“ entscheiden. Wichtig: Wir wollen zeigen, nicht schönreden! Zeigen, nicht verteidigen! Zeigen, um Interesse dafür zu wecken, um Diskussionen anzuregen auf Basis von umfangreich recherchierten Fakten und Zusammenhängen. Unter Beteiligung der besten Köpfe aus Theorie und Praxis. Ob uns das gelingt? Es kann sich jeder (Bauer und Bürger) ein Bild davon machen.

Und demnächst also zur Anbinde- bzw. Kombinationshaltung.

Was wir zuallererst an Maggie Entenfellner herantragen wollten, war die Überzeugung, dass sich das Thema in seiner ganzen Komplexität nicht mit einer Schwarz-Weiß-Brille betrachten lässt. Das geschieht leider häufig, wenn über das Anbinden von Kühen schlechthin der Stab gebrochen und ein generelles Verbot gefordert wird. Selbstredend gibt es für eine Annäherung und wirkliche Veranschaulichung aller möglichen Aspekte rund ums Anbinden von Kühen keinen besseren Ort als einen Bauernhof, wo dies praktiziert wird. Es lassen sich Dossiers über Dossiers, Positionspapiere und daraus abgeleitete Forderungen von allen möglichen Experten anschaffen und studieren, die wichtige Argumente für und wider beibringen. Die Überzeugungskraft des unmittelbaren Augenscheins, des persönlichen Eindrucks und Gesprächs können diese nicht ersetzen. Also auch deshalb die Tierschützerin live am Bauernhof im Gespräch mit Bauer und Bäuerin und mit den hohen Herren aus Wirtschaft und Politik – und im Hintergrund die weidenden Kühe.

Ich will dem veröffentlichten Ergebnis dieses Treffens nicht vorgreifen,...

... das heißt der Geschichte, die Maggie und wir zum Thema Kombinationshaltung erzählen werden. Ich will hier nur noch die aus meiner Sicht einzig zielführende Strategie in dieser so wichtigen wie heiklen Angelegenheit in aller Kürze ausführen. Wenn ich sage „zielführend“, dann steht für mich das Ziel außer Frage: Das Außer-Streit-Stellen einer Form der Anbindehaltung in Österreich, die den neuen Namen „Kombinationshaltung“ verdient. Oder, um es mit anderen Worten zu sagen: Das Festhalten gewisser Hardliner an der „dauernden Anbindehaltung“ halte ich für nicht zielführend – ganz abgesehen davon, dass ich mit allen Experten, mit Tierärzten und auch der weit überwiegenden Mehrheit der Milchbauern einig bin darin, dass diese aus Tierschutz- und Tierwohlsicht schlicht nicht länger argumentierbar ist.

Auch wenn die besagten Hardliner es „geschafft“ haben, die ganzjährige Kombinationshaltung in der letztjährigen Novellierung der Tierhaltungsverordnung gesetzlich zu verankern. Dieser vermeintliche Anker könnte sich recht bald als Fallstrick erweisen. Oder um es simpel auf den Punkt zu bringen: Wer den guten Argumenten für die Kombinationshaltung nicht jede Überzeugungskraft rauben will, der muss sich klar gegen die dauerhafte Anbindung aussprechen! Wie das bereits die Salzburg- und Vorarlberg Milch getan haben und die NÖM für 2020 angekündigt hat.

Abschließen möchte ich mit einer kleinen Geschichte aus meinem persönlichen Erfahrungsschatz. Vielleicht regt sie zum Nach- oder gar Umdenken an.

Unlängst irgendwo in Tirol.

Ich gehe spazieren und bemerke weidendes Jungvieh. Keine Kühe. Diese sehe ich dann ein paar Minuten später. Angebunden im Stall. Der Bauer füttert sie gerade. Ich frage ihn, ob das sein Jungvieh ist, das ich zuvor auf der Weide gesehen habe. Ja, das ist seins. Und die Kühe, frage ich weiter, kommen die auch mal raus? Ob ich von den Tierschützern bin, kommt jetzt die Gegenfrage. Ich lächle und verneine und erkläre ihm die Hintergründe meiner Neugier. Daraufhin sichtlich Entspannung beim Bauern, das Gespräch ist fortan von gegenseitigem Respekt getragen. „Ja“, sagt er, „die Kühe kommen nächste Woche auf die Alm. Bis Ende September und dann je nach Witterung sicher noch einige Wochen auf die Herbstweide.“ Erst letztes Jahr hat er den Stall modifiziert. Den Standplatz für jede Kuh vergrößert. 14 Kühe hat er, der Bauer, vorher waren’s 16. Ein Lauftstall hätte niemals Platz gehabt, dann hätt er’s gleich bleiben lassen können.

Seine Offenheit ermuntert mich und ich frage ihn geradeheraus, was er von der Debatte um die dauernde, ganzjährige Anbindehaltung hält. Für ihn kommt das nicht in Frage, meint er, die Kühe das ganze Jahr anbinden. Da fehlt ihm eigentlich jedes Verständnis dafür. Er weiß auch, dass diese Praxis ein schlechtes Licht auf jede Form der Anbindehaltung wirft. Seine Kühe sind gesund und er schaut auf sie. Er glaubt schon, dass das Tierwohl bei ihm nicht zu kurz kommt.

Ich höre mir das alles an, während die Kühe neben uns das frisch gemähte Gras hinunter mampfen. Mein Gefühl und das, was ich sehe, sprich die Kühe, wie sie aussehen und sich verhalten, sagen mir, dass sich hier einer bemüht, dass es einer gut macht, im Rahmen seiner Möglichkeiten. Am Ende des Gesprächs vertraut mir der Bauer noch an, dass sein Nachbar nur wenige hundert Meter weiter, seine Kühe das ganze Jahr über im Stall hat – „Das hast jetzt aber nicht von mir!“, so seine abschließenden Worte.

Ich bedanke mich für das Gespräch und gehe weiter. Am Nachbarhof angekommen, sehe ich, dass dieser allseits von Weiden umgeben ist. Optimale Flächen, gar nicht steil, leicht einzuzäunen. Der Bauer bräuchte nur die Stalltür aufmachen, denk ich mir...

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