Schon interessant, wenn als Replik auf Frauenfragen immer wieder kommt: haben wir keine anderen Sorgen. Was heißt es denn, wenn man darauf besteht, dass wir doch ganz andere Sorgen haben, die doch bitte endlich gelöst sein wollen? Wenn die Frau Glawischnig sich doch bitte um die wirklich wichtigen Themen wie Arbeitslosigkeit, Umweltverschmutzung und ungerechter Bezahlung kümmern soll aber doch nicht um so unwichtige Details wie Töchter - oder halt keine Töchter - in der Bundeshymne.

Was sind denn die Sorgen, die jenen "kleinen" Mann (sehr treffend übrigens der Ausdruck) so auf der Seele brennen, dass er sich sorgt um vergeudete Energie von diesen "linken Emanzen"?

Sorgt er sich darum, dass der Regenwald mittlerweile derart dezimiert ist, dass Alexander Gerst, der deutsche Astronaut, der faszinierende Bilder auf der ISS geschossen und seinen Fans zugänglich gemacht hat, die aussagekräftigsten Bilder garnicht mehr veröffentlicht hat, weil darauf nur mehr Wüste zu sehen war, wo eigentlich Regenwald sein sollte?

Sorgt er sich darum, dass an den Grenzen Europas täglich tausende Flüchtlinge stranden? Menschen, die ihre Heimat verlassen, obwohl sie um die Gefahren der Überfahrt wissen und regelmäßig Menschen ertrinken?

Sorgt er sich darum, dass unsere Kinder ein tragfähiges Bildungssystem für reife, freie, humanistisch gebildete Europäer bekommen? Oder doch eher darum, dass sie gut in die Wirtschaft passen um seine Pension zu sichern?

Sorgt sich der besorgte "Haben wir keine anderen Sorgen"-Bürger sich um die Verteilungsgerechtigkeit auf dieser Welt? Darum, dass sein Handy von den seltenen Metallen angefangen bis zur Endfertigung in ausbeuterischen, sklavenähnlichen Zustanden fabriziert wird?

Sorgt er sich darum, dass aus der Kleidung, die in Bangladesh unter widrigsten Umständen erzeugt wird, das Blut von indischen Mädchen, die jahrelang ausgebeutet werden, um ihr Verlobungsgeld zusammenzubekommen, aus den frisch gekauften Waren tropft?

Sorgt er sich darum, dass seit 2008 die Aktiengewinne und Zocker-Einsätze diverser Hedgefonds durch die Decke gegangen sind, die Anlegemöglichkeiten des "braven Sparers" aber völlig am Boden sind?

Sorgt er sich darum, dass junge Menschen, die in dritter, vierter Generation hier in Österreich geboren sind, weniger Heimatverbundenheit hier finden als ihre Eltern und Großeltern?

Ja, es gäbe einiges, worum man sich Sorgen machen kann. Es gibt täglich Möglichkeiten, die Welt um uns ein Stück besser zu machen. Und zum Glück gibt es Menschen, die das auch tun, Männer und Frauen, die jedem Tag versuchen, durch ihr Wirken in ihrer unmittelbaren Umgebung das Leben ein bisschen besser anstatt ein bisschen schlechter zu machen. Eltern, Lehrende, Menschen in der Politik, im Gesundheitswesen - überall findet jeder einen Platz, an dem er mitbauen kann an einer besseren Welt.

Und ein Argument, dass keiner von ihnen jemals verwenden wird, ist: Haben wir keine anderen Sorgen.

Denn diese Menschen wissen: Wir haben viele Sorgen. Und es braucht viele Hände, viele Gehirne und viele offene Augen, um das Leben in all seiner Vielfalt zu ermöglichen.

Herzlichst.

3
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:01

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:01

Claudia Braunstein

Claudia Braunstein bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:01

1 Kommentare

Mehr von saxo