Es handelt sich bei dem Verbot der Vollverschleierung nicht um ein "Sicherheitsthema", sagte vergangene Woche der Bundesinnenminister Thomas de Maizère bei einem Treffen der CDU-Innenminister. Gleichzeitig verglich er dieses Verbot mit dem Vermummungsverbot im Versammlungsgesetz, welches man gegen "linke Chaoten" erwirkt habe.

Ist es nun ein gesellschaftliches oder sicherheitspolitisches Thema?

Zeitgleich mit dem Verbot der Vollverschleierung kündigte de Maizère an, an Bahnhöfen und Flughäfen sollen Terroristen mittels Gesichtserkennung schneller identifiziert werden. Doch die Innenminister bleiben dabei – sie wollen die Demokratie beschützen und die Frauen aus ihrer Unterdrückung befreien. Der Berliner Innensenator und Bürgermeisteraspirant, Frank Henkel, betonte, er wolle "das unser Land erkennbar bleibt". De Maizére meint "Gesichtzeigen ist für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft konstitutiv". Doch ist dieses Zusammenleben gefährdet? Wenn ja, durch wen? Und ist Deutschland nicht mehr erkennbar?

Auf die Frage, wie viele Personen in Deutschland vollverschleiert unterwegs seien, haben die Innenminister keine Antwort. Man wolle nicht immer reagieren, sondern auch mal agieren, meint der Bundesinnenminister. Nun verbietet man in Gerichten, Schulen und anderen öffentlichen Institutionen das Tragen der Burka und der Niqab. Lorenz Caffier, Innenminister aus Mecklenburg-Vorpommern und Ministerpräsidentenkandidat, kündigte bei Zuwiderhandlungen Ordnungswidrigkeitsstrafen an. Der Deutsche Minister mit hugenottischen Wurzeln hält bekanntlich nicht viel von Nicht-Deutschen Elementen auf seinen Straßen. Nachdem Beamte einen Demonstranten am Rande eines Neonaziaufmarsches in Demmin am 08.05.2014 solange malträtierten, bis er das Bewusstsein verlor, fragte er nur, was ein französischer Staatsangehöriger auf einer deutschen Demonstration zu suchen habe, statt die Praktiken seiner Beamten kritisch zu hinterfragen.

Es ist also ein Kulturkampf, der konstruiert wird. In Zeiten einer Renationalisierung Europas und dem Erstarken Deutscher Rechter in Form von AfD und Pegida. Und mit dem Rechtsstaat kommen ausgerechnet Mitglieder einer religiösen Partei, um das deutsche Volk gegen die vermeintlich drohende Islamisierung zu beschützen. Es sind ausschließlich Politiker der christlichen Unionsparteien, welche gegen fundamentale Muslime vorgehen wollen.

Doch wen wollen die Mitglieder dieser Partei bestrafen? Es gibt zum Beispiel keine Gesetzesinitiative, welche den Kaftan verbieten oder den langen Bart, welche zentral für den als gefährlich und undemokratisch eingestuften Salafismus gelten. Betroffen von den Regelungen der christlichen Männer in den verschiedenen Innenministerien sind muslimische Frauen. Dabei wird argumentiert, diese würden von den konservativen Männern zum Tragen der Burka oder der Niqab gezwungen werden. Gleichzeitig versucht man sie mit Zwang von dem anderen vermeintlichen Zwang zu lösen. Der Großteil der Frauen, die eine Vollverschleierung angelegt haben, werden sicherlich durch ihre Männer, bzw. ihrer Interpretation des Koran dazugezwungen worden sein. Doch was ist die Folge? Strengreligiöse konservative Muslime sagen sich ja nicht plötzlich, dass die Vollverschleierung eine schlechte Idee war. Im Gegenteil wird die Frau, welche man als Opfer des Patriarchats sieht, erneut zu einem Opfer gemacht und in den Heimbereich verdrängt. Man will ihre Emanzipation erzwingen und setzt dabei weder auf muslimischen Feminismus noch auf die Selbstbestimmung der muslimischen Frau. Man unterdrückt ihre Auslebung des Islams. Gerade, wenn es um Konvertiten geht, muss davon ausgegangen werden, dass die Frauen sich freiwillig dem Islam hingewendet haben und mit vollem Bewusstsein auch die regressiven Elemente der Religion hinnehmen.

Die muslimische Frau wird also sowohl durch ihre Religion, wie auch durch den vermeintlich säkularen Staat für ihre Weiblichkeit bestraft.

Doch es braucht eine Perspektive, jenseits von Repression. Die Religionsfreiheit sagt nicht aus, wie liberal man seine Religion ausleben darf. Zumal keine der drei großen monotheistischen Religionen homogen ist. Sowohl im Christentum wie im Judentum und dem Islam gibt es strengere Auslegungen, in denen zum Beispiel Frauen ein Kopftuch tragen müssen. Zwar gibt es im Judentum und dem Christentum keine Vollverschleierung, doch auch in beiden Religionen wird die Frau in ihren Freiheiten beschnitten. So wird sie gerne als "Königin des Heimes" deklariert, um zu verschleiern, dass man sie am Partizipieren der Gesellschaft nicht teilhaben lassen will.

Eine Emanzipation der jeweiligen Frauen kann nur von ihnen ausgehen bzw. und mit ihren Glaubensschwestern und nicht durch eine externe Obrigkeit. Der Staat, als vermeintlich säkulare Institution kann allerdings Hilfestellungen anbieten und sollte genau da eingreifen, wo das Patriarchat die Freiheit der Frau real beschneidet – bei der gesellschaftlichen Teilhabe. Kiezinitiativen, karitative Anlaufstellen oder progressive Initiativen innerhalb der muslimischen Gemeinde können hierbei helfen.

Es wird davon ausgegangen, dass die liberale westliche Welt die besseren Konzepte für das Miteinander anbieten. Doch diese Liberalität wankt, führt man Nebeldebatten und schließt bewusst Menschen aus, da diese sich für eine Alternative entscheiden wollen. Die multikulturelle globalisierte Gesellschaft lebt von den Einflüssen verschiedener Kulturen und sollte daher weiterhin offen gestaltet sein.

Das Verbot von Burka und Naqib ist in dem von den Unions-Innenministern gefundem Kompromiss jedenfalls Murks. Denn bereits jetzt sind Verhüllungen in bestimmten Situationen, wie dem Auto fahren, bei Ämtern und eigentlich überall, wo man in Deutschland zur Identifizierung seinen Pass und sein Gesicht untersagt. Es geht also den Innenministern um das Straßenbild. Von dort, aus der Öffentlichkeit, wollen die Innenminister die Vollverhüllung verdrängen und verdrängen somit die vermeintlich bis realen Betroffenen der regressiven Religionsauslegung – die muslimischen Frauen.

Fotolia/Urheber: Pefkos

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