Von der Welt der jungen Alten, in der wir leben

Im Pflegeheim sind sie vergessen. Es ist eine Welt für sich, in der sie sich bewegen. Von Mahlzeit zu Mahlzeit verläuft ihre Zeit, bis das letzte Stündlein geschlagen hat. Niemand ist freiwillig dort.

Mit 60 oder 65 sind Menschen noch ökonomisch verwertbar. Falls sie nicht mehr oder nicht mehr soviel arbeiten, so machen sie Reisen da und dorthin, gehen tanzen, ins Café oder kümmern sich um die Enkel, die für die Wirtschaft der Zukunft von Nutzen sind. Was sich wie eine Tragikomödie anliest, ist die pure Realität. Wer nicht jung, gesund und voll leistungsfähig ist, wird heutzutage auf ein Nebengleis gestellt, von dem es nur selten eine Rückkehr ins gelobte Land gibt. Die Welt ist jugendlich getrimmt. Da wollen auch die Alten mithalten. Sie passen sich an den Jugendwahn an, sind in den Fitnessstudios gern gesehen, betreiben Nordic walking und engagieren sich ehrenamtlich.

Die jungen Alten kümmern sich um Flüchtlinge, Kinder und die alten Alten, also jene, die in den Pflegeheimen ansonsten nur geringfügig soziale Kontakte haben. Die Welt von gestern glänzte nicht rosarot, sie war nicht besser als die von heute. Doch eines ging mit der Zeit verloren: Die Menschlichkeit, die soziale Teilhabe, das Kümmern um Andere. Die im Ruhestand befindlichen Menschen genießen diesen nur bedingt. Sie glauben, noch etwas leisten zu müssen, schließlich soll ja nicht alles von den Jungen geschultert werden. Dabei sind schon die Jungen vom Leistungsdruck extrem überfordert, wie ist das erst bei den Älteren?

Es gibt eine Zeit im Leben, wo es nur um das Leben selbst geht. Nicht darum, etwas erreichen zu wollen, etwas darzustellen, etwas vorwärts zu bringen. Die Welt derer, die so gern reich, schön und jung sein wollen, bräuchte Entschleunigung. Das könnten gerade die 60 oder 65-jährigen vorleben. Im Pflegeheim ist es dann zu spät, außer sie werden als vollwertige Menschen behandelt, und können ihr Wissen und ihre Erfahrung an die Jugend weitergeben.

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Silvia Jelincic

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