Der Evangelimann war eine Gestalt aus den Wiener Pawlatschenhöfen (Hinterhöfe) des 19. Jahrhunderts, die an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen in Erscheinung trat und freundlich und würdevoll aus der Bibel vortrug und dafür ein paar Kreuzer bekam.

Wilhelm Kienzl benannte 1895 seine Oper "Der Evangelimann" nach dieser Gestalt. Angeregt wurde er durch ein Buch von Leopold Florian Meissner, in dem dieser von den Protokollen eines Polizeikommissärs berichtete, die vom Lebensweg des Evangelimanns erzählten. Es wird überliefert, dass der Evangelimann eine Figur der Hoffnung in den triesten Hinterhöfen war und die Kinder der Armen zu ihm gelaufen kamen und mit ihm sangen.

Das ist eine schöne Geschichte. Manch einer wäre heute gerne so ein umherziehender Evangelimann, der Hoffnung und Trost in dieser niedergehenden Welt spenden könnte, sei es für ein paar Cent oder einen anderen Lohn immaterieller Natur. Denn niemals ist alles verloren. Die dunklen Schatten über Europa werden wieder der Sonne weichen. Es braucht nur seine Zeit.

Was können wir in dieser Zeit tun, damit wir nicht selbst Teil der Zerstörung werden? Wie schützen wir uns vor den Aggressionen derer, die uns für ihr sinnlos gewordenes Leben bestrafen wollen? Wie bleiben wir uns treu, lassen uns nicht vom Sog des Hasses mitziehen? Jeder Mensch muss sich das selbst fragen. Wer bin ich? Bin ich stark genug, gefestigt in mir? Oder lasse ich mich von falschen Predigern verführen? Höre ich auf die Lügen, deren Tonfall meine Ohren doch schwer beleidigt, wenn ich nur genauer hinhören würde?

Für eine Zeit lang werden Menschen verfolgt, die sich nicht den zerstörerischen Weltmächten beugen, die sich nicht politischem Drängen unterwerfen, zeichnen und demütigen lassen. Man wird sie hetzen, wird nach und nach die Hemmungen des Rechtsstaates über Bord werfen, um sie zu kriegen. Wie weit das eskalieren wird, hängt von der Kraft des Widerstandes ab. Widerstand kann zum Bollwerk werden, das uns vor dem Schlimmsten bewahrt. Widerstand kann aber auch zusammenbrechen.

Jene Menschen, die weltweit auf die Straße gehen, um sich gegen eine drohende Diktatur und die Vereinnahmung ihres Körpers zu wehren, sind die Helden unserer alten Zeit und sie sind die Bahnbrecher einer neuen Zeit. Folgen wir ihnen zumindest im Geiste, im warmen Zimmer, wenn es auf den Straßen klirrend kalt ist, und hören wir auf sie, denn ihr Gefühl täuscht sie nicht.

Selig sind, die Verfolgung leiden

um der Gerechtigkeit willen,

denn ihrer ist das Himmelreich.

Selig seid ihr, wenn euch die Menschen

schmäh'n und verfolgen

und alles Böse mit Unrecht

wider euch reden um meinetwillen.

Freuet euch und frohlocket,

denn euer Lohn ist groß im Himmel.

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trognon de pomme

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Petra vom Frankenwald

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Wurschtbrot02

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berridraun

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