Die Grauen Wölfe – eine unterschätzte Gefahr?

Wikipedia / Logo der Grauen Wölfe

Am 24. Juni wird in der Türkei vorzeitig gewählt. Diesmal ist Erdoğan mit seiner AKP (Adalet ve Kalkınma Partisi, deutsch Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) ein Wahlbündnis mit der MHP (Milliyetçi Hareket Partisi, deutsch Partei der Nationalistischen Bewegung) eingegangen, dem politischen Arm der Grauen Wölfe. Die MHP ist eine klassische rechtsextreme Partei, die alle Elemente des Rechtsextremismus von Ultranationalismus bis Militarismus in sich beinhaltet, auch den Glauben an die Schaffung eines Großtürkischen Reiches, in dem alle Turkvölker von West- bis Zentralasien und Osteuropa vereinigt sein sollen.

Die Grauen Wölfe sind nicht nur in der Türkei, sondern auch in der türkischen Diaspora in Deutschland und Österreich aktiv und warben auch hier um Stimmen für die Wahlen in der Türkei. Ihre Ideologie und ihre offen antisemitische und minderheitenfeindliche Haltung verbreiten sie über Vereine, Moscheen, Konzerte und soziale Netzwerke.

Ihr umstrittenes Erkennungszeichen, der Wolfsgruß, ist immer öfter zu sehen, etwa bei Erdoğans Wahlkampfveranstaltung Mitte Mai in Sarajevo. Dorthin hatte Erdoğan die türkische Diaspora eingeladen, nachdem ihm Wahlkampfauftritte in Deutschland und Österreich verboten worden waren.

Der Wolfsgruß wird mit der rechten Hand ausgeführt: Daumen, Mittel- und Ringfinger werden zusammengeführt, Kleiner und Zeigefinger bleiben ausgestreckt. Dies soll einen Wolfskopf zeigen, der ausdrücken soll, dass man der Welt einen türkisch-islamischen Stempel aufdrücken will. Auch Erdoğan zeigt ihn inzwischen offen.

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Umstritten sind die Grauen Wölfe vor allem aufgrund ihrer blutigen, faschistoiden Vergangenheit. Gegründet in der Türkei der 1960er vom damaligen Oberst und Nazi-Sympathisanten Alparslan Türkeş, fielen ihnen bei Attentaten und Auseinandersetzungen mit Kurden Tausende Menschen zum Opfer. Die MHP war in den 1980ern dann für lange Zeit verboten. In letzter Zeit erreichte sie bei Wahlen meistens deutlich über 10 Prozent. Bei der letzten Wahl hat sie leichte Verluste erlitten, weil sich die AKP, die ursprünglich dem Nationalismus fast kritisch gegenüberstand, zunehmend nach rechts radikalisiert hat, und insbesondere in der Kurden- und Außenpolitik die Ideen der Grauen Wölfe übernommen hat. Deshalb haben sich die Grauen Wölfe nun mit der AKP zusammenschlossen und kandidieren mit dieser gemeinsam. 

Die drei Halbmonde des offiziellen Logos der MHP stehen für die Kontinente Asien, Afrika und Europa, über die sich das osmanische Reich früher erstreckt hat.

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Die MHP hat auch in Österreich Vorfeldorganisationen etabliert, beispielsweise die ATF (Österreichische-türkische Föderation). Die Grauen Wölfe betreiben in mehreren Bundesländern Vereine, nämlich in Wien (4), Oberösterreich (4), Vorarlberg (4), Tirol (4), Niederösterreich (3) und Salzburg (1). In Kärnten, Steiermark und Burgenland, wo es sehr kleine türkische Communities gibt, gibt es keine fixen Strukturen, wohl aber kleine Grüppchen von Anhängern.

Graue Wölfe bezeichnen sich selbst als „türkische Idealisten“. Sie bilden in Europa mit ihrer rechtsextremen, pantürkischen Ideologie eine Parallelgesellschaft und wollen eine Integration der türkischstämmigen Bevölkerung verhindern. Sie stehen für Rassismus gegenüber Kurden, Aleviten und Armeniern. Sie sind antisemitisch und antiisraelisch eingestellt. Sie sind gewaltbereit, auf ihr Konto gehen politische Morde und sie stehen der organisierten Kriminalität nahe. Der Islam hat große Bedeutung, Frauen haben innerhalb dieser Vereine deshalb geringen Einfluss.

In Österreich gibt es einen harten Kern von einigen hundert aktiven Grauen Wölfen. Die Mobilisierungskraft erreicht aber einige Tausende, etwa bei Konzertveranstaltungen mit nationalistischen Popstars aus der Türkei. Die MHP-nahen Vereine betreiben auch Gebetsräume und Gebetshäuser und sind daher Mitglied der islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Dort hält derzeit die ATIP die Mehrheit. Der Dachverband von circa 60 Moscheen untersteht dem türkischen Präsidium für Religionsangelegenheiten, das unter der Kontrolle von Erdoğan steht. Daher ist verständlich, dass es von dieser Stelle keine bzw. höchstens sehr bescheidene Kritik an der MHP gibt.

Bemerkenswert ist, dass auch österreichische Politiker immer wieder die Nähe zu diesen Vereinen suchen. Vor allem lokale Funktionäre von SPÖ, ÖVP und den Grünen gerieten in den letzten Jahren öfters in die Kritik.

Der aktuelle türkische Rechtsextremismus sollte auch den österreichischen Verfassungsschutz interessieren. In dessen Berichten kommen Graue Wölfe bisher de facto kaum vor. Die Behörden sollten aber konsequent vorgehen, beispielsweise gegen Verhetzungen, auch wenn diese nur in türkischer Sprache stattfinden und gegen Kurden gerichtet sind.

Den Nachwuchs rekrutieren diese MHP-nahen Vereine in Österreich und Deutschland einerseits durch familiäre Tradierung, andererseits aber auch aus Jugendlichen, die auf Grund erlebter Ausgrenzungserfahrungen anfällig dafür sind.

Buchtipp:

Thomas Rammerstorfer: Graue Wölfe - über türkische Rechtsextreme und ihren Einfluss in Deutschland und Österreich, LIT Verlag, ISBN 978-3-643-50839-3

(Thomas Rammerstorfer ist freier Journalist mit den Themenschwerpunkten Rechtsextremismus, Migration und Türkei).

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