Alkohol zählt, gar keine Frage, zu den Rauschdrogen. Außerhalb von Fachzirkeln wird nicht gerne darüber gesprochen, aber: Alkohol zählt entschieden zu den harten Drogen. Sein Suchtpotential ist deutlich höher als jenes von Haschisch, höher auch als das von Kokain. Selbst vor Heroin braucht sich Alkohol nicht zu verstecken.

An dieser Stelle werden manche protestierend Einspruch erheben. Das, meinen sie, gehe nun doch zu weit, Alkohol und Heroin in einem Atemzug zu nennen.

Sehr viele Leute würden schließlich irgendwann in ihrem Leben Alkohol probieren, viele tränken ihn sogar mehr oder weniger regelmäßig in mehr oder weniger großen Mengen. Nur ein relativ kleiner Prozentsatz davon würde letztlich abhängig oder bekäme zumindest erhebliche Probleme mit dem Alkohol. Beim Heroin sei die Erfahrung gerade umgekehrt. Hier würden fast alle Konsumenten abhängig und das meist sogar sehr schnell.

So richtig diese Beobachtung ist, so fragwürdig ist es, daraus auf ein höheres Suchtpotential bei Heroin zu schließen. Die Rahmenbedingungen für Alkohol und Heroin sind zu unterschiedlich für einen direkten Vergleich:

* Alkohol ist angenehm und unproblematisch zu konsumieren, man kann ihn trinken.

* Alkohol ist in Getränken enthalten, die angenehm schmecken.

* Alkohol ist leicht zu dosieren, die Stufenleiter vom ersten angenehmen Kitzel bis zum Vollrausch ist lang und reich gegliedert. Die Möglichkeit zum Aufhören vor dem Vollrausch besteht fast ständig.

* Alkohol ist legal und keineswegs grundsätzlich verpönt. Niemand wird aus der Gemeinschaft ausgestoßen, weil er Alkohol trinkt - eher im Gegenteil.

* Alkohol ist - in unserer Gesellschaft - allgegenwärtig. Nahezu jeder kommt irgendwann in seinem Leben mit Alkohol in Berührung, Leute mit den unterschiedlichsten Persönlichkeitsstrukturen.

Es war noch in den frühen achtziger Jahren, als ich bei einem Besuch in München einmal ein Plakat einer Münchner Brauerei sah. Ich glaube, es war die Paulaner Brauerei und es war eine Reklame für Paulaner Pils. Ein Säugling lag in seiner Wiege, proper, glücklich und zufrieden. Um die Wiege herum standen die Eltern und Großeltern, blickten verzückt und glücklich in die Wiege mit dem kleinen Wonneproppen. Alles schön, alles gediegen, alles wohlhabend. Eine Idylle. Auf dem Plakat standen die Worte: „Irgendwann wird auch er sein erstes Paulaner Pils trinken.“

Eine knallharte Drohung. Das Plakat will uns sagen: „Du, kleiner Säugling, magst jetzt noch ahnungslos und zufrieden in deiner Wiege liegen und von Muttermilch träumen. Täusche dich nicht - wir kriegen auch dich, so wie wir bisher noch fast jeden gekriegt haben!“

Du kommst dem Bier nicht aus!

Ganz anders dagegen beim Heroin:

* Heroin muß man sich in die Venen spritzen, um die optimale Wirkung zu erzielen. Eine unangenehme Sache. Es kostet Überwindung, sich selbst eine Nadel ins Fleisch zu bohren.

* Heroin hat außer dem Rauschgenuß nichts zu bieten. Es lockt den Menschen, der auf andere - zum Beispiel kulinarische - Genüsse aus ist, nicht an.

* Heroin den eigenen Wünschen entsprechend zu dosieren, ist schwierig, da es sich um winzige Men­gen handelt. Die Dosierung ist überdies hochriskant, da der Wirkstoffgehalt der illegalen Wa­re vom Konsumenten nicht zu kontrollieren ist.

* Heroin ist illegal, Handel und Besitz sind mit strengen Strafen bedroht. Ein als Heroinkonsument enttarnter Mensch ist ganz schnell aus der normalen Gesellschaft ausgestoßen.

* Heroin zu bekommen ist schwierig, es erfordert erhebliches Beschaffungs-Know-How.

Fast alle haben in unserem Kulturkreis mehr oder weniger intensive Erfahrungen mit Alkohol, stabile, instabile und hochgefährdete Menschen. Leidlich stabile Menschen kosten vom Alkohol, finden dran Gefallen und behalten die Kontrolle über sich und den Stoff. Instabilere Leute erliegen der Verlockung des Alkohols, sie sind irgendwann dem Alkohol verfallen.

Der erste Konsum von Heroin kann dagegen gar nicht so nebenbei und selbstverständlich geschehen, wie das beim Alkohol meist der Fall ist. Der erste Konsum von Heroin ist für den Neuling ein bedeutender Schritt, der ein erhebliches Ausmaß an Entschlossenheit verlangt (wobei es zunächst nicht sonderlich wichtig ist, ob ihm diese Entschlossenheit selbst bewußt ist). Heroin probiert von vorneherein nur der Typ Mensch, der berauscht sein will. Die Hindernisse vor dem Heroin sind so hoch, daß nur zur Sucht bereits entschlossene Menschen diese Hindernisse überspringen können und wollen. Die logische Folge - Folge der Situation, nicht des Stoffes Heroin - ist, daß fast jeder, der mit Heroin anfängt, schließlich an der Nadel hängt.

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