Wenn Menschen zusammenleben - und sie kennen keine dauerhafte Alternative zum Zusammenleben - dann gibt es innerhalb jeder menschlichen Gruppe eine Rangordnung. Seit sich das erste Mal ein Häuptling einen größeren Knochen ins Haar gesteckt hat, als die anderen Stammesmitglieder, gibt es auch Rangabzeichen, welche die Ordnung jedermann sichtbar machen.

Das ist nicht nur die Hose aus feinerem Tuch und die dickere Zigarre. Je höher einer in der sozialen Rangordnung steht, desto länger darf gemeinhin auch sein Name sein. Ganz kleine Leute heißen Karli, kleine Leute müssen sich mit Karl Müller zufrieden geben, während etwas größere sich bereits als Herr Dr. Karl Müller anreden lassen dürfen. Wirklich große Leute heißen dann Karl Ludwig Maria Graf von Brockenstein und zu Lichtenfels.

Dieser Trend kehrt sich interessanterweise aber bei den ganz Großen dann wieder um. Da heißt der Obermotz dann nur noch Karl. Es gab im ganzen Frankenreich nur einen Karl von echtem Rang und das war der Kaiser. Weiß jeder, wer gemeint ist, mit Karl; nur Karl.

Und in Brasilien gab es einen kleinen Jungen aus kleinen Verhältnissen, der hieß Edson Arentes do Nascimento. Und als er berühmt wurde und also groß, da nannte sich dieser Edson Arentes do Nascimento nur noch "Pelè".

In der Hierarchie der Wissenschaft findet sich eine solche an- und absteigende Leiter der prächtigen Bezeichnungen ebenfalls. Hier führt der Weg vom Dipl.-Dings über den Dr. bums bis zum Professor Dr. Müller.

Die wirklichen Koryphäen ihres Fachs, jene, die jeder auch außerhalb der engen Fachgrenzen kennt, heißen dann nur noch Konrad Lorenz oder noch einfacher Einstein.

Es wäre eine arge Minderung des Rufes und Ranges von Prof. Dr. Albert Einstein, würde man ihn in einer Abhandlung über die Geschichte der Physik als Prof. Dr. Albert Einstein bezeichnen. Es hieße, es würde ihn so kein Schwein erkennen, nur im vollen Namenswichs wäre er als Großmeister erkennbar. "Prof. Dr. Albert Einstein" ist eine respektlose Anrede.

Und jetzt schauen wir uns mal diese fünf Herren an, die anscheinend nach einer Ordensverleihung für den Photographen posieren. Ein Generalmajor, ein Generalleutnant und ein weiter Generalirgendwas. Alle drei in prächtiger, uniformigster Uniform, mit Stiefeln, Dünnschiss-Hosen und ganz, ganz viel Lametta, Affenschaukel und Orden über Orden auf ihren Jäckchen. Stramm und straff und stolz auf ihren Rang stehen sie da (die Nr. 5 platzt fast im Angesicht der eigenen Bedeutung).

Ihr Chef Mielke trägt zwar auch Uniform, aber eine von der Art, die sich eigentlich weigert, wie eine solche auszusehen. Sie wirkt eher wie ein biederer zweireihiger Zivilanzug, an den ein Schneider schnell mal ein paar Uniformbestandteile drangenäht hat. Dem Kundigen ist klar, daß auch Mielke Orden trägt und zwar so viele, daß er sie nicht mehr im Original, sondern nur noch in Ordenskurzschrift anhängen hat. Er steht da, wie halt ältere, korpulentere Herren dastehen, wenn sie sich fotografieren lassen müssen.

Retuschiere die paar Uniformbestandteile aus dem Anzug und Mielke sieht aus wie ein AOK-Chef irgendwo auf dem flachen Land.

Ihrer alleroberster Ober-Chef Honecker nun verzichtet auf jegliche Rangabzeichen, er trägt wirklich nichts als einen schlichten Anzug. Und er steht da, als wäre ihm das Photographiertwerden ungemein peinlich. Hätte er nicht einen Anflug von Lächeln (wirklich nur einen Anflug) auf dem Gesicht, könnte es auch ein Polizeiphoto anläßlich einer Zeugengegenüberstellung sein.

Rangabzeichen sind was für die kleinen Großen.

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