Die Ima, unser Hund, hat Junge geworfen. Fünfzehn kleine Mädchen und Kerlchen hat sie in sich getragen und es dauerte fast zwei Tage, bis alle draußen waren.

Nur das dreizehnte - ausgerechnet - kam bereits tot auf die Welt. Fünfzehn Welpen, sagte man uns, würden niemals überleben können, wir sollten damit rechnen, daß allenfalls acht bis neun übrigbleiben würden.

Zwei Tage nach der Geburt fiel mir einer der kleinen Hunde auf, weil er abseits von den anderen lag. Ich legte ihn in das Knäuel, nachdem ich ihm zuvor eine Lücke gegraben hatte, nur um ihn eine halbe Stunde später wieder außerhalb der übrigen liegend zu finden. Er fühlte sich deutlich kälter an als die anderen und nun, einmal auf ihn aufmerksam geworden, merkte ich, daß er nur noch schwach und lustlos saugte, kein Vergleich mit der vitalen Gier seiner Geschwister. Und immer wieder lag er abseits vom Haufen, so oft ich ihn auch dazu legte, schon um seinen immer kälter werdenden kleinen Körper an der Wärme der anderen teilhaben zu lassen.

Mit einer Plastikspritze gab ich ihm verdünnte Milch zu trinken. Er nahm sie an, ließ aber doch den größten Teil davon wieder aus dem Mund heraus. So wurde er schwächer und schwächer, kälter und kälter.

Hilflos mußte ich zusehen, wie der kleine Kerl, der sich doch so aufs Leben gefreut hatte, sich selber einfach abschaltete.

Als er schließlich tot dalag und sich nicht mehr rührte, holte ich einen Spaten und legte ihn darauf, um den klitzekleinen Hund unten im weitläufigen Garten zu begraben. Es war eine traurige Prozession, mein Sohn und ich, welche die steile Treppe zum unteren Teil des Gartens hinabstieg. Nach wenigen Treppenstufen erhob der tote Welpe auf dem Schaufelblatt um ein weniges seinen Kopf und machte "Äh, äh" oder etwas in der Art.

Einen noch lebenden Hund wollte ich wirklich nicht begraben, wollte ihn auch nicht auf die Erde legen und mit dem Spatenblatt totschlagen. Also sind wir wieder rauf und haben ihn auf den Teppich gelegt. Eine Stunde (oder wie oder so) später haben wir den kalten und toten Welpen erneut in den Garten getragen. Die Wiederauferstehung wiederholte sich, erst beim dritten (oder vierten?) Versuch blieb der tote Welpe tot, wie sich's gehört und er ruht wahrscheinlich immer noch in der fruchtbaren Erde Kampaniens.

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Und jetzt stell dir mal einen heiligmäßigen Mönch im Mittelalter vor. Eines Tages ruft ihn Gott zu sich und seine Mitbrüder und ‑schwestern tragen ihn auf offenem Brette [1] in feierlichem Kondukt [2] zu Grabe. Auf dem Weg zum Grab erhebt der Mönch (m/w/d) auf dem Brett um ein weniges seinen Kopf und macht "Äh, äh" oder etwas in der Art, ehe er dann endgültig tot zusammensinkt. Wenn es noch eines Beweises für sein heiligmäßiges Leben bedurft hätte, dann wäre dieser Beweis jetzt erbracht.

Wär das eine Hetz.

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[1] Wie's früher nicht selten war.

[2] Die fünfte Sinfonie von Gustav Mahler beginnt mit einem Trauermarsch mit der Tempobezeichnung In gemessenem Schritt. Streng. Wie ein Kondukt. Gott, wie ich die Musik von Mahler liebe!

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Charley

Charley bewertete diesen Eintrag 09.01.2022 19:36:54

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