Darmsanierung beim Hund - Wie geht das?

Bela F. Wolf

Wer sich umschaut, kann dem neuen Trend nicht entkommen. Darmsanierungen boomen wie nie zuvor. War zuerst nur der Zweibeiner das Opfer, (wobei sich da mein Mitleid deutlich in Grenzen hält), ist es jetzt der Hund. Der arme Hund. Das echte Opfer.

Sogar Menschen in meiner nächsten Nähe, die ich für geistig gesund, tierlieb, gebildet und belesen hielt, haben sich an dem Thema vergriffen um mit diesem Hokuspokus zu werben. Namen werde ich aus Respekt nicht anführen, aber ich muss ehrlich gestehen, ich war entsetzt.

Was den Hype um den sanierten Darm veranlasst hat, ist schwer zu sagen. Wahrscheinlich sind Kriegerinnen des Vollmond-Aderlassgottes losgezogen und haben in irgendeiner Hundegruppe gepostet, sie fühlen sich um einen Jupiterquadranten besser im Magen-Darmtrakt, seitdem ihr "Kacka saniert“ wurde, Sie verzeihen den Ausdruck.

Der stammt nicht von mir, sondern aus einem der meistgekauften Bücher dieser Zeit. Ich muss mich also dafür nicht schämen.

Denn neulich las ich ganz kurz in „Darm mit Charme“ hinein (aus Recherchegründen, ich wollte mal wissen, was einen Bestseller zum Thema Darmgesundheit so ausmacht), und stieß dort ungläubig auf die Überschrift „Wie geht kacken und warum das eine Frage wert ist.“ Das Buch ist ein Millionenbestseller, nebenbei erwähnt. Millionen Leserinnen und Leser fragen sich also, wie richtig kacken geht. Es sind wahrscheinlich die gleichen Menschen, die sich auch fragen, wie sie den Darm ihres Hundes am besten sanieren können.

Die Wertigkeit ist offensichtlich. Die Antwort auch.

Beides geht von ganz alleine, seit Anbeginn der Mensch- und Hundwerdung. Beide können kacken. Beide haben einen Darm, der nicht saniert werden muss.

Wieso das so ist, darf ich Ihnen nun kurz erläutern. Ich bin mir sicher, Sie werden meinen Sätzen mit Spannung folgen, denn Millionen Lesern muss dieses Thema unter den Fingernägeln brennen, sonst hätte Enders niemals so einen Umsatz erreicht.

Das alleine ist schon Grund genug, die heißen Sommermonate im verdunkelten Arbeitszimmer meiner Sommerresidenz auf einer Alm zu verbringen und in die Tasten zu hauen. Im Herbst 2017 präsentiere ich Ihnen dann mein neues Buch „Wie ernähre ich meinen Hund richtig, ohne ihn damit umzubringen“, der Titel ist zwar noch in Arbeit, ich bin mir aber ziemlich sicher, die Schafe auf der Weide vor meinem Fenster werden mir Inspiration genug sein, um ihn rechtzeitig zu finden.

Zurück zur Darmsanierung. Ich habe ja schon mehrmals ausführlich über den Mythos der durch das Abschlucken von Fellteile angeblich stattfindenden „Darmreinigung“ berichtet.

Der dem Mythos der "Darmsanierung" in nichts nachsteht.

Beide Male finden wir uns im tiefsten Mittelalter wieder, irgendwo zwischen Gauklern, Krötengift, Aderlass und Detox. Oder, wie eine sehr geschätzte Freundin von mir unlängst so richtig feststellte, bei der Sanierung eines Dachgestühls.

Und das macht auch leider keinesfalls vor dem Hund halt. Im Gegenteil.

Wie die meisten wissen, Gesundheit beginnt im Darm. Beim Menschen genau wie beim Hund. Was ja stimmt.

Aber nicht, weil der Darm womit auch immer vorher gründlich „entgiftet" wurde, sondern schlicht und einfach deshalb, weil im Darm das Zentrum des Immunsystem sitzt, welches man unterstützen sollte, um Abwehrkräfte gegen Krankheiten zu entwickeln. 70 % aller Immunzellen befinden sich im Dünn- und Dickdarm; knapp 80 % aller Abwehrreaktionen laufen hier ab. Das macht den Darm zu einem großartigen Wächter unseres Immunsystems. Ist der Darm gesund, sind wir besser gegen viele verschiedene Krankheiten gefeit.

Damit kommen wir zum springenden Punkt der Geschichte: den Darm in irgendeiner Form zu „entgiften“ ist unmöglich! Der Darm entgiftet selbst, das ist seine Aufgabe, indem er wertvolles und brauchbares aus der ihm zugeführten Nahrung entzieht und verwertet, während giftiges bereits durch Leber und Nieren „entgiftet“ wurde. Von ganz alleine. Welch ein Wunder, in der Tat. Nebenbei völlig gratis. Nachzulesen unter "Detox- Der Mythos vom Entgiften".

Gelangt der Speisebrei vom Magen in den Dünndarm, wird er dort in seine Einzelbestandteile wie Wasser und andere Flüssigkeiten, Amino- und Fettsäuren, Vitamine und Zucker zerlegt, diese werden über die Darmschleimhaut aufgenommen und ins Blut weitergegeben. Erst dann ist die Nahrung verwertbar. Der Dickdarm spielt für das Immunsystem eine noch größere Rolle als der Dünndarm, denn neben der Darmflora beherbergt er Lymphfollikel. (Lymphfollikel sind ganze Kolonien von Lymphozyten, deren Hauptaufgabe darin besteht, Viren und Bakterien zu erkennen und zu eliminieren - etwa durch die Produktion von Antikörpern.)

Der Darm tut also von selbst was er kann um den tierischen (und den menschlichen) Organismus zu entgiften. Man kann ihn weder durch irgendetwas „entgiften“ noch darin befindliche Würmer mit Haaren oder Buttermilch erschrecken. Was man tun kann, ist die Darmflora gesund und aufrecht zu erhalten, die durch eine Antibiotikagabe zerstört wird oder durch Stress aus dem Gleichgewicht gebracht wird. Dies funktioniert durch die tägliche Gabe von Naturjoghurt, im Fall laktoseempfindlicher Tiere mittels laktosefreiem Naturjoghurt, in welches man Probiotika (rezeptfrei in jeder Apotheke erhältlich) mischt.

Was der Darm hingegen nicht kann, ist feststeckende Teile wie Knochen, Bezoare oder sonstige Fremdkörper selbst zu beseitigen. Die holt dann der Tierarzt wieder heraus, mit dem Skalpell.

Was aber ganz sicher keine der Baba-Jaga-Jüngerinnen davon abhalten wird, ihren Hund weiter mit Tierkohletablettencocktails in Hochdosis zu traktieren, um den Darm zu entgiften, ihm Buttermilch mit giftigen Kräutern zu verabreichen oder den Hundedarm sonstwie mit Heilerde und Co nachhaltig zu schädigen. Da bin ich mir leider ganz sicher. Und auch die Hardcore Barfer, die ihren Hunden irgendwelches Superfoodessen statt altbackenes Brot oder simple Spaghetti ins blutige Gewürge werfen, sind nicht bekehrbar.

Das tut mir aufrichtig leid. Für die vielen armen Hunde, die mit ihrer Gesundheit dafür bezahlen müssen. Oder mit ihrem Leben. Allein, ich kann es nicht ändern. Ich kann nur darüber berichten. Ob man mir glaubt oder nicht ist eine andere Geschichte.

Wundern Sie sich also nicht, wieso Hunde krank werden.

Wundern Sie sich lieber, wieso sie es nicht werden, angesichts dessen, was an einem Tag passieren kann, in einem einzigen, kurzen Augenblick. So viel Zerstörung von gesunden, wunderbaren Tieren, nur weil Menschen leichtgläubig und dumm sind.

In jeder beliebigen Sekunde feuern etwa eine Billion Synapsen Impulse mit über 700 Stundenkilometern durchs Gehirn. Der Körper folgt solchen Impulsen automatisch und ich glaube, deswegen ist es auch so schwer für uns, unsere eigenen Impulse zu kontrollieren.

Auch wenn wir uns später wünschen, wir hätten es getan.

Hier ist Ihre Startlinie. Dies ist Ihr Stadion. Es ist Ihr Hund und seine Gesundheit. Wie gut Sie spielen, hängt von Ihnen ab.

Herzlichst Bela Wolf,

Tierarzt, Autor und Tiergesundheitsjournalist

https://tierarztwolfblog.wordpress.com/

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