Liebe Lehrer: Fordert endlich selbst eine Bildungs-Reform!

Vergangene Woche hat mich die Initiative „Teach for Austria“ zu einer Diskussion über die Chancenungerechtigkeit des österreichischen Bildungssystems eingeladen.

Tatsächlich gehört Österreich zu jenen drei OECD-Ländern, in denen der Bildungsaufstieg nur schwer gelingt. Nur 21 Prozent der Bevölkerung erlangen einen höheren Bildungsabschluss als ihre Eltern. Während zwei Drittel der Akademikerkinder die Matura anstreben, so sind es nur acht Prozent bei der Gruppe von Schülern, deren Eltern selbst nur über einen Pflichtschulabschluss verfügen.

Bildung wird also „vererbt“, weshalb Jugendliche und Kinder aus sozial benachteiligten Gesellschaftsschichten klar das Nachsehen haben. Hier sind auch viele Schüler mit Migrationshintergrund betroffen.

Um dieser Ungerechtigkeit entgegen zu wirken, rekrutiert „Teach for Austria“ Absolventen, die bereit sind, für zwei Jahre als vollwertige Lehrkräfte in so genannten Brennpunktschulen mitzuarbeiten. Sie leisten hier einen Beitrag, den eigentlich das Regelschulsystem liefern sollte: Schüler aus sozial benachteiligen Milieus bestmöglich zu unterstützten, damit sie ihr Potenzial ausschöpfen können.

Es war eine angeregte Diskussion, in der sämtliche Defizite des österreichischen Schulsystems angesprochen wurden. Die Berichte von einigen „Teach for Austria“-Fellows waren deprimierend: Sie arbeiten teilweise mit Kindern, deren Eltern es nicht einmal schaffen, sie pünktlich zur Schule zu bringen; manche der Schüler haben nicht einmal einen eigenen Schreibtisch, um ihre Hausaufgaben zu erledigen; andere wurden sogar Opfer von häuslicher Gewalt. Oft müssen die Lehrer und Studenten in der Schule Probleme aufarbeiten, die eigentlich in den Arbeitsbereich von Sozialarbeitern fallen würde.

Was die „Lehrer auf Zeit“ jedoch am meisten ärgerte: Die ewige Debatte um die Bildungsreform. „Ich war schon auf so vielen Diskussionen und immer laufen sie gleich ab: Es werden ewig lange all die Probleme des österreichischen Schulsystems aufgezählt, aber ändern wird sich nichts. Es tut sich nie ein Lichtblick auf, das ist zermürbend,“ erklärte etwa einer der Teach for Austria-Fellows.

Auch viele andere pflichteten ihm bei. Ein weiterer beklagte, dass die Medien eine ständige Schwarzmalerei betreiben würden: „Warum schreibt keiner über die guten Lehrer? Warum werden immer nur die schlechten vor den Vorhang geholt? Es gibt auch in diesem System viele, die sich engagieren. Warum schreibt keiner darüber?“

Das ist richtig. Die Berichterstattung in den klassischen Medien ist nun einmal insgesamt eine vorwiegend negative.

Nur: Es ist nicht meine Aufgabe, das ramponierte Image der Lehrer aufzupolieren.

Auch Journalisten genießen nicht unbedingt einen guten Ruf. Und auch ich muss es aushalten, mit Boulevard-Redakteuren in einen Topf geworfen zu werden (und auch hier leisten manche großartiges, wollte ich nur einmal gesagt haben).

Ja, ich könnte nun ausufernd über die guten Lehrer schreiben, die ich hatte. Etwa über jenen Physik- und Chemielehrer, der uns am Schulende in einem dreitägigen Tanzkurs alle Standardtänze beibrachte. Oder den Geschichtelehrer, der uns die Dorfgeschichte in Theater-Szenen aufarbeiten ließ.

Am Ende des Tages sind es aber leider vor allem die schlechten Pädagogen, die uns in Erinnerung bleiben. Ich erspare Ihnen jetzt meine persönlichen, sowie die unzähligen Horror-Geschichten, die auch bei dieser Diskussion erzählt wurden.

Ich streite gar nicht ab, dass der Job eines Lehrers heute alles andere als ein Zuckerschlecken ist, Ferien hin oder her: Während die Schule an sich einen reinen Bildungsauftrag hat, so müssen hier immer mehr erzieherische Aufgaben übernommen werden. Deshalb braucht es wesentlich mehr Unterstützung von Sozialarbeitern, Psychologen und Pädagogen, die der Muttersprache der Schüler mit Migrationshintergrund fähig sind. Auch die Bildungsbauten müssen endlich dem 21. Jahrhundert angepasst werden und neben modernen Klassen- und Lernzimmern müssen auch für Lehrer endlich ordentliche Konferenz- und Arbeitszimmer geschaffen werden, die nicht mehr einer Legebatterie gleichen.

Damit es zu so einer tiefgreifenden Bildungsreform kommt, müssen aber auch die Lehrer endlich aktiv eine Veränderung fordern. Und dazu würde es meiner Meinung nach auch gehören, endlich zu fordern, dass es an pädagogischen Akademien und für Lehramtsstudien Aufnahmeprüfungen gibt. Nur so kann verhindert werden, dass Personen diesen Beruf ergreifen, die dafür völlig ungeeignet sind. Davon gibt es leider genug. Diese haben den Ruf der Lehrer allgemein ruiniert und werden es weiter tun. Schuld sind nicht die Medien.

Bislang wurden jedoch alle Reform-Pläne von den Gewerkschaften blockiert. Doch anstatt alle Vorschläge der Politik abzulehnen: Wie wäre es einmal, zur Abwechslung endlich selbst welche einzubringen? Wie wäre es, endlich selbst aktiv zu werden und eine Veränderung zu fordern?

Das würde dem Image dieser Berufsgruppe wirklich gut tun.

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Herbert Erregger

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