Im Jahr 2010 gab es eine "Am Schauplatz"-Sendung zum angeblichen Thema "Wie aus Arbeitslosen Jugendlichen Rechtsradikale oder gar Neonazis werden" (Zitat Christian Schüller, ORF).
Hier ist sie:
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Ich habe den jungen Mann, um den es da hauptsächlich geht, kennengelernt, ich bin ja neuerdings ein Favoritner, zwangsweise quasi, und auch diese Sendung spielt in Wien-Favoriten, das BG Favoriten kommt vor.
Der junge Mann erschien mir in diesem halbstündigen Kontakt als ein völlig anderer als hier im ORF geschildert, bzw. verfälscht.
Kein "Kampfhund" oder "kampfhundähnlicher Hund" wie in der Doku, kein Kampfanzug wie in der Doku, keine Skinhead-Glatze, wie in der Doku, keine rechten oder rechtsextremen Sprüche wie in der Doku.
Nein, er erschien völlig verdrossen und enttäuscht von allen Parteien und Medien (was ich irgendwie nachvollziehen konnte, soweit man das bei so einem kurzen Kontakt kann).
Er schien auch ziemlich ehrlich, berichtete von seinen Inhaftierungsphasen, und davon, dass er Fehler gemacht habe im Umgang mit seiner Freundin. Er war ziemlich hilfbereit, und führte mich, als jemandem, der als Neufavoritner sich nicht gut auskennt, zum passenden Geschäft, was zur These der Freundin/Schwester im Film passte, er habe (auch) einen guten Charakter. Aber in der Tat erschien er möglicherweise eine Art Hitzkopf zu sein.
Übrigens war Favoriten bei der letzten Wiener GR-Wahl zusammen mit Simmering der Bezirk mit der mit Abstand niedrigsten Wahlbeteiligung (55%), und das Gefühl, von allen im Stich gelassen worden zu sein, ist in Favoriten relativ verbreitet. Aber auch Leseschwächen und das Gefühl mangelnder Kenntnisse unter Migranten dürften zur Stimmenthaltung beitragen. Was auch der rechten These widerspricht, es ginge um "Umvolkung" und Wählerbeschaffung. Viele mit Migrationshintergrund wählen scheinbar nach der Devise: "Da ich mich nicht auskenne, wähle ich sicherheitshalber gar nichts"
Er behauptete weiters, den "hochbepreisten" Filmer Ed Moschitz (ORF) um Hilfe gebeten zu haben, weil er durch den Film soviel Probleme bekommen habe, was Moschitz aber angeblich abgelehnt haben soll.
Es gab in der Folge der Aussendung ein riesengroßes Polit- und Medien- und Justiz-Hickhack, bei dem es auch um die Frage ging, ob der ORF Agent Provokateurs bezahle, Anstiftung zu (illegaler) NS-Wiederbetätigung leiste, ob Strache und die FPÖ dieses jugendliche rechte oder rechtsextreme Denken schaffe, etc. In Anbetracht des schlechten Images als Skinhead, das der ORF ihm verpasste und das ihm durch den Film nachhängt, und das nicht korrigiert wurde, kann man die 100 oder 200 Euro Aufwandsentschädigung auch als viel zu wenig betrachten.
Medienethisch kann es durchaus problematisch sein, die Kamera einfach draufzuhalten auf ahnungslose Leute, die von der Medienlogik keine Ahnung haben, der ORF unterscheidet sich da nicht von der Krone, oder von GNTM (wo jungen Frauen der Modeldurchbruch fast-versprochen wird, die aber eher in ein Setting geraten, wo sie absichtlich zickenhaft dargestellt werden).
Übrigens ist der junge Mann irgendwie die Favoritner Version von Austro-Serbischen Fussball-Star Marko Arnautovic (den Kanzler Stocker neuerdings in Belgrad hofierte), gleiche Situation mit einem serbischen Elternteil, gleiche Situation mit rassistischen oder rassismusverdächtigen Ausrastern. Der junge Mann aus dem Film ist vielleicht sogar intelligenter als Arnautovic. Aber eben kein Fussball-Star. Ich wünschte, ich hätte den jungen Mann vor 15 Jahren gekannt, ich hätte ihm vermutlich viel ausreden können.
Kritikpunkte sind:
.) Familienmitglieder haben oftmals eine mangelhafte Distanz und müssen diese wohl haben. Da die Kamera voll auf sie zu richten, kann medienethisch problematisch sein.
.) Pubertierende Burschen können extrem problematisch sein, sie sind kräftig und unerfahren. Der junge Mann in dem Film machte bereits als Teenie einen älteren Eindruck, mit seinen ca. 1.82 Meter.
.) Ist die Kausalität wirklich gegeben? Erzeugte Strache und die damalige FPÖ diese rechtsextreme Haltung, oder wäre sie auch ohne Strache und die damalige FPÖ entstanden, wäre sie unter einer moderateren FPÖ-Führung nicht entstanden ? Ich bin da skeptisch.
.) Gerade die Jugend, die Teenagerjahre können eine Phase sein wo Leute, junge Burschen, aber auch Mädchen, extreme Positionen beziehen, quasi ausprobieren, das muss nicht ausschliesslich rechtsextrem sein, das kann aber auch linksextrem sein. Ich habe da neulich über die Mädchen im Park in Favoriten geschrieben (ohne Fotos), die ziemlichen Blödsinn redeten, den ich ihnen wieder ausreden konnte, zu großen Teilen. Ich schrieb damals auch, dass junge Leute offen sind für Neues, und Blödheiten auch schnell wieder aufgeben, wenn man mit einem plausiblen Argument kommt. Und ich schätze, das galt auch für den damals jungen Skinhead vom Schauplatz. Nur hatte der junge Mann halt niemandem in seinem Umfeld, der mit einem plausiblen Gegenargument kam. Einfache Verhältnisse, kein sehr bildungsorientiertes Milieu, am ehesten hatte der Großvater recht, dass in 10 Jahren vieles anders sein wird.
.) Fehlende Follow-Up-Berichterstattung: kein Medium, weder rechts noch links, keine Partei, berichtete darüber, dass der junge Mann sich anders entwickelt hatte, als in der Sendung prognostiziert. Irgendwie klar, Favoriten interessiert niemanden, ausser als Schreckensbild, wo angeblich Linksextremisten und Rechtsextremisten und angebliche migrantische Messerstecher sich angeblich tummeln würden.
.) im Film wird auch gesagt, er sei Schulaussteiger. Es gibt in der Bildungswissenschaft Theorien darüber, warum Buben, insbesondere migrantische Buben, schlechter bzw. weit schlechter bei Bildungstests abschneiden, das dürfte sehr multi-faktoriell sein, also von vielen verschiedenen Faktoren abhängen, z.B. dass Lehrerinnen sich auf Mädchen konzentrieren und die Buben benachteiligen könnten, weil Bildungsabschlüsse für Mädchen aus islamischen Kulturen eine der wenigen Möglichkeiten sind, aus den in islamischen Kulturen weit verbreiteten Patriarchat auszubrechen. Oder aber auch, weil die männliche Pubertät so heftig ist. Junge Männer entdecken dann, wie stark und mächtig sie eigentlich sind, und sie spielen das auch aus, aber eben oftmals heimlich.
.) der früher vermutlich seriösere FPÖ-Politiker Peter Westenthaler behauptete vor ca. 25 Jahren einmal (aber nie wieder, IIRC) unter Berufung auf sein abgebrochenes Politikwissenschaftsstudium, die Aufgabe von Parteien sei es, Extreme zu moderieren, also zu mäßigen. In der Tat habe ich das im PoWi-Studium auch "gelernt". Und da der junge Mann aus dem "An Schauplatz" die Schule abgebrochen hatte, und am ehesten sich der FPÖ nahefühlte damals (!!!!), wäre er am ehesten durch die FPÖ mäßigbar gewesen. Aber in der politischen Praxis passiert anscheinend genau das Gegenteil: im Heimlichen mag vielleicht eine Mäßigung der Extreme erfolgen, aber auch daran zweifle ich. Aber sobald die Kamera draufhält, werden die Extremisten des eigenen Lagers zu "Agents provocateurs" und "bezahlten Statisten" des anderen Lagers erklärt, um in die Mitte wachsen zu können und das andere Lager als möglichst mies darzustellen. Die Behauptung der Agents Provocateurs des anderen Lagers gab es in der Wendekrise des Jahres 2000 ähnlich bei den Grünen.
.) hat zwar mit dem jungen Mann nichts zu tun, aber Strache macht im Film tatsächlich einen nachweislichen Fehler. "Rechte Strukturen zerschlagen" ist zwar tatsächlich ein problematischer Slogan, aber solange nur das Demoplakat hochgehalten wird, aber keine Gewalt erfolgt, reicht das nicht für die Behauptung der "linken Gewalttäter".
.) Die Klarstellung, dass junge Leute lernfähig und neugierig sind und bereit, blöde Ideen auch schnell wieder aufzugeben, fehlt im dieser sogenannten "Doku".
(Das soll jetzt keine Kritik am gesamten ORF sein, es gibt im ORF trotz Mängeln einige sehr gute Journalisten, ich bin trotz Mängeln ein Befürworter des ÖRR, auch wenn ich den Schweizer ÖRR für vermutlich gesamt-besser und objektiver halte als den Österreichischen, in Österreich gibt es eine starke Tendenz, alles zu verparteipolitisieren, und zu verhickhacken, aber außerhalb des ORF auch, der ORF ist so schwach wie nie, auch wenn er sich zum Marktführer stilisiert).