Der Schock über die Wahl Trumps lag wie ein Biberdamm im Gefühlsstrom der Deutschen. Doch nun bricht sich scheinbar etwas Bahn, was acht Jahre lang als gezähmtes und „differenziertes“ Rinnsal durch deutsche Gemütsschluchten und Blätterwälder kroch: Der latente linke Antiamerikanismus.

Auf der einen Seite war da der natürlich zu verachtende amerikanische Imperialismus, böse Geheimdienste, Todesstrafe, liberales Waffenrecht, Weltpolizei, TTIP, Guantanamo und Drohnenkrieg. Andererseits sang Beyoncé zur Inauguration Obamas die Nationalhymne, warf niemand so gekonnt und elegant wie Obama den Baseball zur Saisoneröffnung, hielt niemand so emphatische Reden über Frieden und Abrüstung in aller Welt wie er und auch konnte er wie kein Präsident oder Friedensnobelpreisträger vor ihm so überzeugend alle Differenzen weglächeln, die „der Westen“ mit dem Rest der Welt hatte. Ganz abgesehen von seiner Frau, deren modischer Geschmack und freundliches Auftreten so manches dilettantische Agieren ihres Mannes wettmachte. Hach, wie hatten doch alle die Obamas lieb!

Aber so langsam suppte die Realität durch: Er hat uns verlassen! Der Lichtbringer, der strahlende, der Antirassist, der Gegenentwurf, der Messias, der Schaumschläger…auch für Obama macht die Verfassung keine Ausnahme, auch wenn er selbst denken mochte, er könnte doch noch mal, wenn er nur dürfte. Nun halte ich die Tatsache, dass die Amtszeit des US-Präsidenten auf zwei Amtszeiten begrenzt ist, für etwas, das viele für sein Äquivalent in Deutschland schmerzlich vermissen. Auch anderen Ländern – man denke nur an Russland – würde ein turnusmäßiger (echter) Wechsel an der Spitze sicher gut tun. Methusalem-Staatschefs sorgen stets nur dafür, dass ihr Land erstarrt, wie wir das in den arabischen Diktaturen wie etwa in Ägypten oder anderen Ländern wie in Simbabwe perfekt vorgeführt bekommen. Kohl und Merkel zusammen werden (sehr wahrscheinlich) zusammen übrigens 32 Jahre (sic!) regiert haben. Mindestens!

Und nun das

Er ist im Amt! Amerika hat nun einen Präsidenten, der einer in Deutschland und insbesondere bei Linken und Grünen verachteten Minderheit angehört (Milliardär, erfolgreicher Unternehmer). Außerdem gibt es die erste First Lady mit Migrationshintergrund (Slowenien). Für alle Verfechter der maximalen Buntheit hätte es eigentlich ein Tag zum Feiern sein können. Aber Pustekuchen! Acht Jahre angestauter Antiamerikanismus findet endlich ein Ventil. Gut, dass nun endlich der Dampf aus dem Kessel kann, denn es scheint, dass diese nur mühsam unterdrückten Gefühle große Schäden in vielen Köpfen des deutschen Journalismus angerichtet haben. Wer sehen will, wie weit links die Mainstream-Medien in Deutschland wirklich stehen, und wie gering das Vertrauen in eine der ältesten Demokratien der Welt ist, muss nur deren Schlagzeilen lesen.

America first – dürfen die das?

Wie dünn das Brot ist, auf dem manche unserer Politiker und Kommentatoren fingerdick ihren Erkenntnis-Käse streichen, zeigt schon allein die Schnappatmung bei Trumps Ankündigung, in all seinen Entscheidungen zunächst die Interessen der USA im Blick zu haben. Wie kann er nur! Dabei ist doch genau dies eigentlich seine Aufgabe. Nur weil unsere ewige Kanzlerin selten von Deutschland spricht, sondern ständig das Wort „Europa“ im Munde führt, heißt das ja nicht, dass sie auch automatisch für Europa im Ganze Verantwortung übernommen hat. Sie mag das in Reden so ausdrücken – wenn man in ihren Reden überhaupt von Ausdruck sprechen kann – sie ist jedoch in Deutschland gewählt worden und primär für genau dieses Land verantwortlich. Wie absurd das Spielen der Europa-Karte eigentlich ist, wird deutlich, wenn man das Wort Europa im Gedanken zum Beispiel durch Frankreich oder Polen ersetzt. Käme gar nicht gut an bei unseren Nachbarn, oder? Tut es ja auch nicht, wie wir wissen.

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Trump spricht nun also über seine primäre Verantwortung für die USA und überall bricht Panik aus. „Was? Will sich die USA etwa isolieren? Geht gar nicht!“ Dieselben Leute warfen den USA stets vor, sich überall einzumischen, profitierten aber gleichzeitig mit großer Schadenfreude davon, wenn sich die Vereinigten Staaten die Finger dabei verbrannten. „America first“ ist somit eine logische Formel für einen amerikanischen Präsidenten, auch wenn uns das eigenartig erscheint, weil Frau Merkel eher nach dem Motto „Germany last“ agiert und das als perpetuierte Bestrafung der retro- und geschichtsaffinen Deutschen für gerechtfertigt hält. Das allgegenwärtige schlechte Gewissen in diesem Land ist der Nasenring, an dem wir uns in jede beliebige Richtung ziehen lassen. Allerdings bestehen wir darauf, dass unsere Politiker, die gern an diesem Strick zerren, uns zumindest versichern, dass die Reise die richtige, die gute Richtung geht.

Dabei können den Medien schon mal die Werte von Demokratie und Aufklärung etwas verrutschen, etwa dann, wenn aus Washington voller Empathie von den Gegendemonstrationen berichtet wird. Zum Beispiel vom hochgejazzten WomensMarch, bei dem im Gegensatz zur feierlichen Amtseinführung des Präsidenten jede Menge Promis aus Musik- und Filmgeschäft gesichtet wurden. Wenn sich tausende Frauen zur Demo zusammenfinden, marschiert der Fortschritt natürlich automatisch mit. Auch in Gestalt der stets kopfbetuchten WomensMarch-Organisatorin Linda Sarsour, die den Studenten via Twitter schon mal die Scharia schmackhaft macht, weil Studienkredite dann endlich zinslos wären. Nimm das, Finanzwirtschaft! Money for nothin and chicks for free… Wenn’s billige Kredite gibt, nimmt die fortschrittliche Amerikanerin die Scharia in Kauf. Denn moralischer als Geld machen ist das Kompromisse machen.

Unterdessen sorgte der „schwarze Block“ in angrenzenden Vierteln Washingtons für Konjunktur bei den Glasern. Demokratie nach Gusto der Linken ist eben, wenn der „falsche“ Kandidat gewinnt und die Anhänger des „richtigen“ anschließend die Stadt in Schutt und Asche legen. Und was sich in vielen Ländern Afrikas bewährt hat, kann für die USA nicht schlecht sein.

Wie angepisst die deutschen Kommentatoren waren, die von ihren Sendern und Verlagen sicherlich mit vorgehaltener Waffe gezwungen werden mussten, aus der amerikanischen Hauptstadt zu berichten, zeigten auch die zahllosen Orakelsprüche, Symbolfunde und Gedankenleseversuche. Da wurde Hillary Clintons weißes Outfit zum Symbol ihrer Verbundenheit mit dem Feminismus erklärt – ein Bedeutungs-Subtext, den man den ebenfalls weiß gekleideten Töchtern Trumps selbstredend nicht unterstellen wollte. Da wurde hämisch berichtet, dass der Designer von Michelle Obama sich geweigert habe, für Frau Trump zu arbeiten, dabei sah an diesem Tag Michelle neben Melania aus wie Frau Chruschtschow neben Jackie Kennedy. Seinen Blicken nach zu urteilen, dachte zumindest Bill Clinton Ähnliches, den Blicken seiner Frau zufolge war er aber vielleicht schon einige Gedanken weiter.

Dieselben Medien, die Tag für Tag voller Abscheu über Wutbürger, Hass und Hetze berichten, erstickten fast vor Wut bei dem Versuch, in Trumps Amtsantritt den Anfang vom Ende der Zivilisation zu erblicken. Besonders kreativ und anheimeln an Erziehungsdiktaturen gemahnende Vorschläge kommen in solchen Momenten immer wieder von Linksgrün. Doch auch wenn Carolin Emcke, die vor kurzem mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnete Vordenkerin der sanftrepressiven Gutmenschenerziehung, anrät, man solle dem jüngsten Sohn Trumps eine alternative Pflegefamilie anbieten, scheint sich die Gefahr in Grenzen zu halten, die derzeit für Deutschland und die Süddeutsche Zeitung von Trump ausgeht. Solche Sprüche würden der Autorin („Gegen den Hass“) nie durch die Finger twittern, handelte es sich bei dem zu rettenden Kind nicht um die Göre eines amerikanischen Milliardärs, sondern um die zwangsverheiratetet Tochter eines Afghanischen Flüchtlings in Deutschland. Das wäre nämlich erstens rassistisch und zweitens könnte es böse Folgen haben, wenn erst die Scharia in Deutschland bestimmt, ob zwei Lesben in Berlin zusammenleben – oder überhaupt leben – dürfen. Also beweist Frau Emcke lieber viel Gratismut gegenüber Trump, dem die Süddeutsche zu Emckes Glück jedoch ziemlich egal sein dürften.

Völlig losgelöst von der Erde…

Egal wohin man schaut, die Gazetten überschlagen sich in den schrillsten Tönen und den absurdesten Prophetien. Wenn etwa der Spiegel moniert, Trump habe bei seinem Besuch des Abraham Lincoln Denkmals am Vorabend der Amtseinführung „keine Inspiration von Freiheit und Versöhnung“ gehabt, schüttelt man als Leser nur noch den Kopf. Sehr wahrscheinlich hat Trump nicht dieselben Hollywood-Filme gesehen, die der SPON-Autor. Immerhin wird Trump aber gewusst haben, in wessen Schatten er da stand – anders als Frau Künast, die den marmornen Lincoln bei anderer Gelegenheit und peinlicherweise für Washington hielt. Dass solche Denkmale „Inspiration“ sein müssen, kann nur der angeknacksten Feder eines Journalisten aus dem Land der Bismarck-Türme, Kyffhäuser-Giganten, 1914-1918-Gedenksteine und Holocaust-Mahnmale entstammen. Deutschland, ein Land dass die Gegenwart nicht versteht, weil es sich in eine kunterbunte Zukunft träumt und dabei stets darüber informiert sein will, was Hitler gerade so macht.

Und wenn der Spiegel im Kaffeesatz lesen kann, darf der Focus nicht nachstehen. Dort greift man zur Erklärung des Phänomens Trump mangels Fakten auf ein graphologisches Gutachten der Unterschrift des US-Präsidenten zurück, in welchem ihm Machtgier attestiert wird – und bereits vom genauen Hinschauen orakelt der routinierte Graphologe, dass Trump nicht gut zuhören könne. Bei solchen Handlese-Qualifikationen kann der nächste Jahrmarkt kommen!

Ausgerechnet die taz, die dem Trump-Fankult gänzlich unverdächtig ist, fasste gut zusammen, was nun das Gebot der Stunde unter Demokraten sein sollte: An der Seite Donald Trumps zu stehen.

Geschrieben am 22.1.2017, dem zweiten Tag nach der Apokalypse.

23.1.2017, PS: Trump hat die Verhandlungen zum TPP-Abkommen aufgekündigt und somit eine zentrale Forderung der Linken und Grünen erfüllt, die mit Freihandelsabkommen so ihre Probleme haben. "Not my President" gilt offenbar nicht für alle.

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