ISIS-Rückkehrer: Bleiben wo der Pfeffer wächst?

Immer wieder sind sie Thema: ISIS-Rückkehrer. Seit dem Fall von Rakka mehr denn je. Heute etwa hat der Standard gleich mehrere Artikel zum Thema zu bieten. Der Tenor in den jeweiligen Foren: Man lasse sie erst gar nicht einreisen! Sie sollen in Syrien bleiben! Ich sage euch: So wird das nicht laufen. Wieso auch sollte Assad ein Interesse daran haben, Europas Home Grown Terrorists zu behalten?

Ein europäischer Exportschlager: der islamistische Fußsoldat für Regime Change

Ab 2011 reisten sie aus und mit jedem Erfolg der islamistischen Mördertruppe namens Al Nursa - später nach Abspaltung (2014) Islamischer Staat (ISIS) - fanden sich mehr Ausreisewillige. Und man ließ sie ziehen. Oft war man vonseiten der Sicherheitsbehörden informiert, und lange hielt sie niemand auf.

Warum? Erstens weil man sich freute, sie loszuwerden. Zweitens aber, weil man Assad – ein Verbündeter des verfeindeten Russlands – stürzen wollte, und da kommen billige und willige islamistische Fußsoldaten gerade recht. Ist ja auch nichts Neues.

Natürlich klingt zweites zunächst nach einer üblen Verschwörungstheorie. Aber, meine Lieben, wie schaut's denn aus? Man nehme den Fall Moazzam Begg, auch wenn es da nicht um ISIS, sondern um irgendeine Al Kaida nahestehende Schlächtertruppe geht: Ein notorischer Islamist aus UK. Als solcher saß er in GITMO ein. Und als solcher inszeniert er sich seit seiner Entlassung aus GITMO als Opfer ewig währender Islamophobie (bei der fragwürdigen Organisation CAGE). Diese Opfer-Show unterbricht er nur selten, z.B. wenn er wieder mal "Hilfslieferungen" nach Syrien schafft. Weshalb ihm, zurück in UK, der Prozess gemacht werden sollte wegen Unterstützung einer terroristischen Organisation.

Das Problem: Das Verfahren wurde, kaum angefangen, abgebrochen. Weshalb? Begg konnte nachweisen, dass er zuvor das OK des britischen Geheimdiensts MI5 eingeholt hatte:

"The documents included minutes of meetings that MI5 officers and lawyers held with Begg, at which he discussed his travel plans and explained he was assisting opposition fighters in their war against Bashar al-Assad’s regime. On seeing the material, Crown prosecutors realised it corroborated Begg’s defence case: he insists he was always perfectly candid with MI5, and says the agency assured him no attempt would be made to hinder him if he wanted to return to Syria."

Alles supersauber. Nicht viel anders in Österreich: Man ließ die Islamisten reisen und dachte sich erfreut, zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen zu haben. Weg sind sie, und gegen die Inkarnation des Bösen, Assad, kämpfen sie auch. Wie praktisch.

Aus 2015 stammen die entsprechenden Zahlen der Soufan Group, man darf also doch noch ein paar dazu zählen, und die Zahlen sind beeindruckend: Mehr als 5.000 Kämpfer hat alleine Westeuropa bis Oktober 2015 exportiert. 3.700 davon stammen aus nur vier Ländern: Frankreich, UK, Belgien und Deutschland. Österreich steht aber mit 300 Kämpfern bis Oktober 2015 auch nicht schlecht da, berücksichtigt man mal, wie klein Österreich ist.

Natürlich braucht der Fußsoldat dann noch Waffen. Die liefert man ihm, der CIA-Mittelsmann an der türkischen Grenze hilft einem da ab spätestens 2012 schon. Und wirklich nicht nur der.

Islamisten sind aufmüpfig - es grüßt der Boomerang

Was also ist eigentlich das Problem? Lange gab es offensichtlich für unsere Herrschaften keines. Ein bissl Säkulare oder Alawiten und andere Minderheiten abschlachten? Wen stört's?

Aber hoppla, da ist er schon wieder: der Boomerang. Auch das ist nichts Neues. Schon in Bezug auf Osama Bin Laden galt: Säkulare Afghanen und linke Russen in Afghanistan abschlachten? - Passt! US-Botschaften angreifen oder das World Trade Center? - Passt eher nicht.

So auch hier: Der islamistische Fußtrupp entpuppte sich, trotz guter Betreuung, wieder einmal als wenig pflegeleicht und tendenziell aufmüpfig. Da will man ihm dabei helfen, Assad wegzuputzen, und schon ist der Fußtrupp in Eigeninitiative im Irak unterwegs. Das ist lästig, denn dort will der Westen gar nicht das Regime changen, wieso ist das Gfraster also dort unterwegs? Bleibe es doch in Syrien!

Der CIA z.B. versuchte die Obama-Admin zu warnen. Die Anweisung, denselben Islamistentrupp je nach Land mal als Feind, mal als Verbündeten zu führen, sei fatal. Denn es sei ein Trupp, und es sei nachgerade wahnsinnig, dem in Syrien Waffen zu liefern, die man dann, sobald sie über die Grenze nach Irak verschafft sind, wieder wegbombt. Aber so ist das eben, wenn man sich vor lauter Regime Change mit sich selbst beschäftigt. Gäbe es dabei nicht so viele Kollateralschäden - es könnte einem fast wurscht sein.

Die Trennung in gute Rebellen - in Syrien - und böse Terroristen - im Irak - beherrschte übrigens nicht nur die Obama-Admin. Entsprechend auch die Beteiligung der diversen Staaten an den Bombardements: Frankreich und UK z.B. weigerten sich längere Zeit, auch in Syrien (regelmäßig) zu bombardieren. Nicht weil Syrien ein souveräner Staat ist. Sondern weil die Islamisten dort ja gewünscht sind. Deshalb beschränkte man sich im Großen und Ganzen auf Einsätze im Irak.

In Schönsprech begründete man das offiziell wie folgt:

NYT https://www.nytimes.com/2015/11/16/world/europe/paris-terror-attack.html

Das machte ISIS sauer: Denn man ist ja schon ordentlich verblödet, wenn man sich dem islamistischen Apokalypse-Projekt ISIS verschreibt, aber so dumm, dass man nicht wüsste, was mit einem für ein Spiel gespielt wird, wenn man einen im Irak bombardiert, im gleich daneben liegenden Land aber nicht, ist man beim gehirngewaschenen Trupp dann auch wieder nicht.

Der Westen mag lange und in höchst schizophrener Weise unterschieden haben zwischen einem guten ISIS und einem bösen ISIS. ISIS selber wusste natürlich immer schon: es gibt nur einen ISIS. Und durch die Bekämpfung im Irak rückte man in der ISIS-Rangliste der zu bekämpfenden Feinde, auf der man sich als Westen natürlich immer schon befand, ganz weit nach oben.

Der Entschluss, ISIS auch in Syrien mehr zu bombardieren, fiel in Frankreich z.B. erst im Laufe des Jahres 2015 - und ab da versuchte man z.B. auch UK davon zu überzeugen. Da war der Terror schon in Europa angekommen. Der Boomerang.

Werdet mit euren Irren selber fertig!

Mittlerweile beobachten wir die letzten Zuckungen des Gebildes namens ISIS. Und die verloren gegangenen Söhne und Töchter kehren heim, oftmals mit Nachwuchs, der in Terrorlagern trainiert wurde. Ein Traum.

"Ausbürgern!", sagen viele Leute, auch wenn die ISIS-Typen nur eine Staatsbürgerschaft haben. Sollen sie doch in Syrien bleiben! Und wenn sie es schon hierher geschafft haben, dann möge man sie doch schnell wieder nach Syrien abschieben.

Das klingt nach einem Plan. Aber vielleicht erkundigt man sich zuerst doch mal lieber bei Assad, wie er das so sieht. Ich habe da nämlich eine These: Dass der gar nicht sonderlich scharf drauf ist, dieses Sicherheitsrisiko bei sich zu behalten. Wieso auch? Damit der wieder mal vom Westen Schelte kassiert, wenn er nicht jedem einzelnen europäischen Jihadi einen einwandfreien rechtsstaatlichen Prozess macht? Damit man die Haftbedingungen kritisiert? Und Haft kostet den Staat, auch wenn die Bedingungen eher bescheiden sind, wie in Syrien z.B. oft der Fall.

Vor allem aber hat Syrien bereits genug Probleme. Nein, Bedarf an europäischen Kopfabschneidern herrscht da wirklich nicht.

Assad wird jeden einzelnen islamistischen Fußsoldaten genüßlich über die türkische Grenze schicken. Und von dort werden sie ihren Weg nachhause finden. Das wird Assads Rache an der westlichen Regime-Change-Politik sein, und wer versteht sie nicht? Ich würde genau das Gleiche machen.

Wir werden uns also in naher Zukunft in Europa mit mehreren tausend kampferprobten ISIS-Anhängern rumschlagen müssen. Und statt in Syrien werden sie hier ihr Regime-Change-Werk zu verrichten versuchen. Außer natürlich, man bietet Assad einen Deal an: Vollständige Rehabilitierung des souveränen Staats auf internationaler Ebene, Abschaffung der Sanktionen, etc. Dann, ja dann, behält Assad für uns vielleicht unsere aufmüpfigen Kinder.

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