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Terroristen überall – sperrt man Ohren und Augen auf, dann könnte man zwischen dem Roten Meer und dem Niltal, Alexandria und Assuan überall ganze IS-Armeen vermuten. Diesen völlig falschen Eindruck erwecken die Ägypter selbst, vom Begleiter des Reiseveranstalters bis zum Taxifahrer. Die unübersehbaren Sicherheitsmaßnahmen erwecken zudem ein mulmiges Gefühl:

„Es ist gefährlich, in der Nacht von Hurghada durch die Wüste nach Luxor zu fahren. Das geht nur mit einer Polizeieskorte.“ Noch bevor man auf die Überlandstraße einbiegt, die von der aufstrebenden Stadt Safaga (sie ist keine 50 Kilometer von Hurghada entfernt) durch die Berge der Arabische Wüste führt, passiert man den ersten Checkpoint. Grimmig schauende Polizisten, Temposchwellen, Absperrungen, schusssichere Westen, Stahlschilde, Maschinengewehre und, hinter dem Wachhäuschen versteckt, ein leicht gepanzertes Fahrzeug. Alle dreißig Kilometer wird sich das Szenario bis zur Stadtgrenze von Quina wiederholen, alle dreißig Kilometer ein beinahe-Stopp an einem Checkpoint. Wer genauer hinsieht, erkennt kleine, runde Stellen mit abgeblätterter Farbe an den Stahlschilden, die Polizisten vor Kugeln schützen sollen. Gab es hier Feuergefechte?

Erreicht man besiedeltes Gebiet in der Provinz Qina, schrumpft die Distanz zwischen Polizei-Checkpoints auf nur wenige Kilometer und sie machen die Fahrt zu einem nervigen Stop-and-Go. Erreicht man Luxor, das seit einigen Jahren eine eigene kleine Mini-Provinz von knapp 50 Quadratkilometern ist, werden die Checkpoints weniger. Doch an beinahe jeder Ecke erinnert ein Wachhäuschen samt Besatzung an eine vermeintlich angespannte Sicherheitslage. Bereits bei den Einfahrten zu internationalen Hotels sind gründliche Kontrollen – inklusive Autounterboden und Kofferraum-Check – obligat. Wer ein Hotel betreten möchte, durchläuft eine Röntgenkontrolle und einen Metalldetektor, ganz wie am Flughafen.

„Es ist gefährlich, in den Hügeln zwischen dem Hatshepsut Tempel und dem Tal der Könige zu wandern.“ (Ein zwar etwas beschwerlicher Weg, den ich oft gegangen bin, aber jedes Mal mit einem traumhaften Blick über die Wüste auf die grüne Lebensader des Nil belohnt wurde.) Überhaupt: Nach Einbruch der Dunkelheit sollte man besser im Hotel bleiben.

Und wer schließlich Ägypten per Flugzeug wieder verlassen will, wird über ein dichtes Netz an Sicherheitskontrollen, Passport- und Tickets-Checks, der persönlichen Identifikation des Gepäcks am Flugfeld inklusive, erstaunt sein: Es ist wesentlich engmaschiger als jenes auf EU-Flughäfen.

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Sind wir, meine Tochter Liza und ich, etwa wirklich in einem Land an der Schwelle zum Bürgerkrieg gelandet, in dem an jeder Ecke IS-Kämpfer lauern und westlichen Touristen den Garaus machen wollen?

Nein, es sind grundlegende Missverständnisse, wie sich in zahlreichen Gesprächen heraus stellte. Denn kein Ägypter, ob Gouverneur, Polizeigeneral, Kellner oder Souvenirshop-Besitzer, konnte sich die westliche IS-Paranoia vorstellen: Das Wort „gefährlich“ ist in den Köpfen von westlichen Touristen mit einer akuten Anschlagsgefahr gleichzusetzen!

Die ägyptische Realität sieht freilich anders aus – es sind fatale Missverständnisse, die einen völlig falschen Eindruck der Sicherheitslage vermuten lassen:

Nachtfahrverbote für Touristen bestehen aus den unterschiedlichsten Gründen, die Gefahr eines Anschlags durch den IS ist allerdings nicht der primäre Grund. Überlandstraßen – wie z.B. die Straßenverbindung zwischen Luxor und Hurghada – sind zwar zum Großteil gut ausgebaut, doch in der Nacht unbeleuchtet, was die Unfallgefahr erhöht. Die zahlreichen Checkpoints im Abstand von 30 Kilometern haben einen tieferen Sinn, wie Mohamed Badr, Gouverneur von Luxor, erklärt: „Bei jedem Checkpoint gibt es auch ein Feuerwehrfahrzeug und eine Ambulanz. Geschieht ein Unfall, sind es für Einsatzkräfte maximal 15 Kilometer von einem Checkpoint zum Unfallort.“ Freilich spielt die „normale“ Kriminalität bei der Sicherung der Route ebenfalls eine Rolle: Drogenschmuggler sind in den Wüstenbergen keine Seltenheit, außerdem kommt es gelegentlich zu Raubüberfällen und zu blutigen Familienfehden (in Mittel- und Oberägypten spielt die Blutrache nach wie vor eine Rolle.)

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Kontrollpunkte, die in besiedelten Gebieten noch häufiger zu finden sind, tragen ebenfalls hauptsächlich zur Verkehrssicherheit bei: Fahrzeuge sind genötigt, regelmäßig abzubremsen um nicht in Raserei zu verfallen – einige Unfallwracks am Straßenrand zeugen von nächtlichen, blutigen Folgen des Schnellfahrens.

Missverständnis #2: Wüstenwanderungen sind verboten, da zu gefährlich. Polizeigeneral Hussein klärt auf: „Wir hatten Amerikaner, die in Löcher gestürzt sind, die ausgerutscht sind und sich verletzt haben. Deshalb ist das Wandern in der Wüste nun verboten.“ Zudem, so ergänzt Gouverneur Badr, finden im Gebiet der West Bank und vor allem auf den Hügeln, die den Hatshepsut Tempel vom Tal der Könige trennen, zahlreiche archäologische Grabungen statt – Grund genug für ein Betretungsverbot – von Terrorgefahr keine Spur!

Stolz zeigen sich sowohl Gouverneur als auch Polizeigeneral über die Reaktionsgeschwindigkeit ihrer Einsatzkräfte. So gab es vor knapp zehn Monaten einen Zwischenfall im Karnak Tempel, der größten Anlage in Luxor. Ein Terrorist wollte in den Tempelkomplex eindringen – und wurde innerhalb von nicht einmal zwei Minuten neutralisiert. „Wir haben einige Sicherheitsringe eingerichtet“, plaudert General Hussein aus der Schule, „den ersten, am Parkplatz, konnte der Täter überwinden, danach war Schluss.“

Unübersehbar sind die zahlreichen Überwachungskameras, die vor allem historische Monumente nicht aus den Augen lassen: Das Knowhow stammt aus London, wo man in punkto Videoüberwachung Weltspitze ist. Das Kontrollzentrum in Luxor ist, genauso wie die „unsichtbaren“ Sprengstoffhunde, die die ägyptische Polizei selbst ausbildet, „off limits“: Zu sehr möchte man sich nicht in die Karten schauen lassen.

Allerdings, so überrascht Hussein mit einem modernen Sicherheitskonzept, sei die Videoüberwachung nicht ausschließlich zur Terrorprävention gedacht: Es geht um jede Form der Kriminalität und der Aufklärung von Straftaten wie Diebstählen. Polizeikräfte unterschiedlichster Art arbeiten hier zusammen, was an die gewohnte Überwachung z.B. des Wiener U-Bahn-Netzes erinnert. Deshalb wird vor nächtlichen Alleingängen – auch durch die Luxor – abgeraten: Diebstähle oder Überfälle können hier genauso vorkommen wie in westlichen Städten.

Natürlich – das ist mein subjektiver Eindruck – wollen ägyptische Behörden durch die allgegenwärtige Polizeipräsenz das Sicherheitsgefühl von Touristen erhöhen. Doch das geht zum Teil nach hinten los und erweckt den Anschein einer akuten Bedrohung. Motto: Zu viel schadet auch.

Teil III: Maulwurfhügel West Bank

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…und ein paar Infos:

Gebucht via www.restpaltzboerse.at bei JT Touristik in Berlin (www.jt.de).

Oft sind Ägypter – Reisebegleiter, Hotelangestellte und auch Polizeikräfte – durch Sprachdefizite bei Informationen wortkarg. Ein „It’s dangerous“ sollte stets hinterfragt werden. Im Normallfall sind Ägypter dann sehr auskunftsfreudig, und viele Beschränkungen haben auf den zweiten Blick nichts mit Terrorismus zu tun.

Planen Sie vor allem bei der Ausreise reichlich Zeit für die Sicherheitskontrollen auf den Flughäfen ein, das Erscheinen zwei Stunden vor Abflug hat in Ägypten gute Gründe. Gepäck und Personen werden sowohl vor dem Betreten des Terminals durchleuchtet und kontrolliert, nach Check-In und Passkontrolle gibt’s die gleiche Prozedur noch einmal. Bordkarte und Pass werden vor dem Verlassen des Terminals ein weiteres Mal überprüft (und noch ein letztes Mal beim Betreten des Flugzeugs durch die Bordcrew), danach muss jeder Passagier sein Gepäck persönlich am Rollfeld identifizieren bevor es eingeladen wird.

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irmi

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