#Metapher #Sprachbilder #Rhetorik

Als AbsolventIn des sprachwissenschaftlichen Instituts Wien kommt man nicht umhin, sich auch nach dem Studium weiterhin mit Sprache auseinanderzusetzen. Die Denkweisen gehen einem ins Blut über und die Analysen steigen zu Kopf. Oft ertappe ich mich beim Aufstellen diverser Hypothesen. Das kann bei Gesprächen über die banalsten Dinge sein oder aber auch beim Beobachten von alltäglichen Situationen. Sich einmal den Theoriestoff reingezogen, hört – ja vielleicht sieht – man das gesprochene Wort mit anderen Ohren.

Da wären wir auch schon in medias res beim Thema: Die Metapher.

Vorweg noch eine Anmerkung: Nachfolgende Zeilen stellen keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit – es sind schlicht Gedanken, untermalt mit theoretischem Input.

Zurück zur Thematik: „Mit den Ohren sehen“ wäre bereits eine Metapher. Der Begriff Metapher deriviert aus dem Griechischen und bedeutet Übertragung. Das heißt, man überträgt zum Beispiel Eigenschaften, Charakteristika und Besonderheiten eines Wortes auf ein anderes. Da wir nur mit den Augen sehen können, übertragen wir die Fähigkeit des Sehens in diesem Fall auf die Ohren. Es ist somit ein bildhaftes sprachliches Mittel, welches gerne in Literatur und Rhetorik Verwendung findet. Als beliebtes Beispiel wird oft die „Baumkrone“ herangezogen. Niemand hat bei dem Ausdruck „Baumkrone“ eine reale Königskrone vor Augen, sondern versteht darunter die Verzweigungen der Äste samt Blätter und vielleicht denkt man sogar an die Früchte des Baumes. Was sagt das nun aus? Man könnte zum Beispiel folgende Bedeutung reinlegen. Eine Krone sitzt zumeist auf dem Kopf des/der Königs/Königin und weist ihn/sie als edlen und autoritären Menschen aus. Da das nicht jeder Kopfschmuck vermag, ist eine Krone etwas Kostbares. So kann man nun auch behaupten, dass sowohl die Blätter, für die Sauerstoffproduktion essenziell als auch die Früchte, im besten Fall ungiftig und genießbar, für uns Menschen kostbar sind. Die Attribute der Königskrone werden sprachlich auf die Baumkrone übertragen, ohne dabei an eine goldene Krone zu denken, aus dem Kontext heraus wissen wir jedoch, was gemeint ist. Metaphern kommen dann zum Einsatz, um Sachverhalte pointiert und zielgerichtet zu vermitteln. Mit diesen bildlichen Ausdrücken umgeht man umständliche Ausschweifungen und nimmt eine sprachliche Abkürzung.

Methapher als Konzept

Von Aristoteles bis Pilatus gibt es unzählige Abhandlungen zu diesem Gebiet, hier jetzt mal außen vorgelassen, dennoch sehr interessant. Springen wir direkt ins 20. Jahrhundert zu George Lakoff und Mark Johnson. Beide sind Linguisten, die 1980 das Buch „Metaphors we live by“ veröffentlichten und den Begriff der konzeptuellen Metapher prägten. Sie gehen davon aus, dass es sich bei der Metapher nicht nur um ein sprachliches, sondern auch um ein kognitives Phänomen handelt. Laut den Autoren beeinflussen Metaphern zum einen unser Denken und Handeln und zum anderen verfüge der Mensch über ein metaphorisch strukturiertes Konzeptsystem. Beide Wissenschaftler unterteilen die Metaphernkonzepte in drei Bereiche: Metapher der räumlichen Orientierung, ontologische sowie strukturelle Metapher.

Wie der Name schon sagt, geht es bei den räumlichen Übertragungen um Richtung und Perspektive, hier einige Beispiele: sich „obenauf“ fühlen, die Stimmung „sank“ und „niedergeschlagen“ sein.

Bei der ontologischen Metapher geht es darum, dass der Mensch elementare Erfahrungen mit konkreten Objekten und Substanzen in seiner Umgebung gesammelt hat, und stets auf diese zurückgreifen kann, während er sprachlich Eigenschaften hin und her überträgt. Diese Metaphern-Gruppe ist in der Alltagssprache sehr beliebt. Hierbei nennen Lakoff und Johnson, den menschlichen Geist mit einer Maschine vergleichend, folgende Beispiele: Jetzt kommen meine Gedanken „in Fahrt“. Ich bin etwas „eingerostet“. Wir haben schon den ganzen Tag an diesem Problem gearbeitet und sind nun „kaputt“.

Die letzte Gruppe der strukturellen Metapher hilft komplexe Sachverhalte vereinfacht darzustellen, indem man sie in vertraute Bereiche überträgt. Die beiden Linguisten erklären dies anhand der Metapher „Argumentieren ist Krieg“: Er „greift“ jeden einzelnen Schwachpunkt meiner Argumentation „an“, eine Kritik „traf ins Schwarze“ und wenn Du nach dieser „Strategie“ vorgehst, wird er dich „vernichten“. Hierbei wird verdeutlicht, dass das Konzept des Krieges auf das Konzept des Argumentierens übertragen wird. Besonders auffällig bei diesen Metaphern ist, dass in unserem Kulturkreis Argumentieren mit Kämpfen in Verbindung gebracht wird. Die strukturelle Metapher spiegelt sich nicht nur in unseren Worten wider, sondern sie ist als Konzept in unserem ganzen Denken und Handeln verankert. Lakoff und Johnson weisen darauf hin, dass andere Kulturen das Argumentieren als eine künstlerische Fähigkeit erachten und ihren Argumentationspartner nicht als Gegner, sondern als Partner betrachten. Dieses Konzept der ästhetisch-künstlerischen Argumentation schlägt sich auch in der Verbalisierung nieder.

Soziokulturelle Strukturen und Wertvorstellungen

Metaphern bringen also auf sprachlicher Ebene unter anderem Wertvorstellungen von Sprachgemeinschaften zum Vorschein und sind Zeuge von soziokulturellen Phänomenen und Strukturen. Metaphern beziehen sich auf bestimmte Weltansichten, mit welchen – beabsichtigt oder auch nicht – gewisse Aspekte betont beziehungsweise vernachlässigt dargestellt werden können. Als Beispiel hierzu dient die Gleichsetzung von Flüchtlingen mit Naturkatastrophen – die Flüchtlingswelle.

Mit sprachpolitischen Themen beschäftigt sich auch George Lakoff. Er lehrt als Professor der kognitiven Linguistik an der University of California, Berkeley. Seine kognitive Metapherntheorie wendet er unter anderem in der Analyse der amerikanischen Politik an. Aktuell äußert er sich zu Trumps medialen Manipulationen und macht auf die bewusste oder unbewusste Verwendung von Metaphern im öffentlichen Diskurs aufmerksam. Mark Johnson gilt als Sprachphilosoph und unterrichtet als Professor an der University of Oregon.

Aufmerksame Leser beziehungsweise Zuhörer können also durch die Analyse von Metaphern hinter Denkkonzepte blicken, sprachliche Übertragungen erkennen und deuten. Höret und staunet 😉

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