(Anmerkung: Dieser Beitrag wurde erstmals in der Ausgabe 03/2014 des Magazins FONDS exklusiv als Kolumne mit dem Titel "Verbraucherpreisindex gemogelt" veröffentlicht. Die Zahlenangaben sind also ein Jahr alt und nicht mehr ganz aktuell, die Kernaussage stimmt aber immer noch.)

1,6 Prozent betrug die offizielle Inflationsrate im Oktober 2014. Als Preistreiber stellten sich laut Statistik Austria die Kosten für „Wohnung, Wasser, Energie“ heraus. Dabei besteht der Warenkorb, auf dem der österreichische Verbraucherpreisindex VPI basiert, nur zu 4,10723 Prozent aus Mietkosten. Nicht berücksichtigt werden hingegen Kreditraten für fremdfinanziertes Eigentum. Diese Ausgaben für das Wohnen sind nämlich keine Konsumausgaben. Entsprechend unterrepräsentiert sind die tatsächlichen Wohnkosten.

Wie hoch ist die monatliche Miete Ihres Haushalts? Laut Statistik Austria beträgt die monatliche Miete eines durchschnittlichen, österreichischen Haushalts (ohne Betriebskosten, ohne Heiz- und Stromkosten) 224 Euro. Ist Ihre Miete niedriger oder höher? Eher deutlich höher, vermute ich. Trotzdem finden Mieten in der Berechnung der offiziellen Inflationsrate nicht mehr Berücksichtigung. Mit der Frage nach dem Warum habe ich mich an Statistik Austria gewandt.

Die Crux mit der Statistik

Die Tücke liegt in der statistischen Auswertung. Etwa die Hälfte der Österreicher wohnt zur Miete. Deren Mietkosten werden zusammengerechnet und für die Statistik auf alle österreichischen Haushalte verteilt. Statistisch betrachtet, bezahlen also auch jene rund 50 Prozent der heimischen Haushalte, die im Eigentum wohnen, monatlich 224 Euro Miete.

(Anmerkung: Statistisch gesehen kauft zum Beispiel jeder Haushalt monatlich Zigaretten im Wert von 62 Euro. Auch das entspricht natürlich nicht der Realität, denn nicht in jedem Haushalt gibt es Raucher, begründet sich aber in der statistischen Auswertung des Durchschnitts aller Haushalte.)

Bereinigen wir die im VPI enthaltenen Mietkosten um die statistische Unschärfe, ergibt sich für einen österreichischen Haushalt eine Miete von durchschnittlich etwa 450 Euro. Damit nähern wir uns der Realität schon an. Nur die Methodik lässt also die Mietkosten im Warenkorb so gering aussehen.

Warum zählt Wohnen im Eigentum nicht?

Wer im Eigentum wohnt, bezahlt keine Miete. Oft handelt es sich aber um fremdfinanziertes Eigentum. Viele von uns bezahlen folglich monatliche Kreditraten an die Bank. Können Sie diese Kreditraten nicht mehr bedienen, ergeht es Ihnen wie einem säumigen Mieter: Sie und Ihre Familie stehen irgendwann ohne Dach über dem Kopf da. Im realen Leben sind sowohl Mietkosten als auch Kreditrückzahlungen unverzichtbare Ausgaben für das Wohnen.

Die Statistik sieht das aber anders. Denn Rückzahlungen von Darlehen gelten nicht als Konsumausgaben. Daher finden sie im Warenkorb des VPI so gut wie keine Berücksichtigung. Gerade einmal 0,37019 Prozent sieht der Warenkorb 2010 unter dem Titel „Kosten für Eigentumswohnung“ vor. Egal wie hoch Ihr Haushalteinkommen ist, dieser Bruchteil eines Prozents deckt die tatsächlichen Ausgaben für „Rückzahlungen, Annuitäten und Anzahlungen für Eigentumswohnungen“ niemals.

Im Gegenzug besagt der Warenkorb 2010, dass jeder österreichische Haushalt pro Monat 8,59889 Prozent – also mehr als das Doppelte der Mietkosten! – für „Restaurants und Hotels“ ausgibt (Pauschalreisen und Städteflüge sind hier noch gar nicht berücksichtigt, dafür sieht der Warenkorb eine eigene Gruppe vor). Können Sie regelmäßig mehr als doppelt so viel wie Ihre Wohnkosten in Restaurant und Hotels ausgeben? Laut Statistik schon.

Persönlicher Inflationsrechner

Seit Kurzem kann sich jeder auf der Internetseite der Statistik Austria seine individuelle Inflationsrate berechnen. Angesichts der vielen Unschärfen im offiziellen VPI beziehungsweise dessen Warenkorb, ist diese Möglichkeit zu begrüßen. Probieren Sie es doch einmal aus! Aber bereiten Sie sich auf Überraschungen vor.

Quellen:

Statistik Austria & Warenkorb 2010

Persönlicher Inflationsrechner der Statistik Austria

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