Als einfacher Bürger liest man immer wieder von den EU Experten, ich aber habe die Freude einen solchen Experten sehr gut zu kennen. Das ist ein Auszug aus seinen Erzählungen.

Mein Freund ist im Spitzenfeld seines Bereichs in der Technik, seine Visitenkarte quillt über mit all den Symbolen und Ziffern die man bekommt, wenn man sich mehrmals im Jahr von anderen Experten auditieren lässt und diese Events gut übersteht.

Ein wesentlicher Bestandteil einiger dieser Zertifikate ist nun, dass die Firma Personen in diverse Gremien entsendet. Diese Personen sollen dann an Gesetzen, Normen und dergleichen mitarbeiten. Das ist nicht optional. Das muss passieren.

Eine grundsätzlich gute Idee, allerdings wird nicht spezifiziert welche Experten geschickt werden sollen oder wer überhaupt ein Experte ist.

Sein Arbeitgeber schickt die technischen Experten, also zum Beispiel ihn. Andere schicken aber Leute die es schlicht gewohnt sind in Gremien zu sitzen, ihren Namen auf die Liste zu schreiben und zu schweigen. Oder schlimmer: alte Manager oder Verkäufer die keine Ahnung von der Technologie haben, aber genau wissen, dass alles so bleiben muss wie es ist. Kritischer noch: das wird von den Auditoren zum Teil scheinbar gefördert. Bei diesen gilt: wer höher im Organigramm steht ist sollte hin, weil der ist ja besser.

Hierbei gilt es aber zu verstehen, dass in den höheren Ebenen das technische Verständnis weniger wichtig ist. Entsprechend liegt die technische Expertise nicht an der Spitze, sondern eben niedriger im Organigramm bei den Leuten die mit den Dingen arbeiten die entwickelt werden sollen. Der eigentliche Experte der im Gremium sitzen sollte, sitzt also an seinem Schreibtisch und arbeitet mit Vorgaben die Leute entwickelt haben die von der Materie weniger Ahnung habe als er selber.

Mein Freund sitzt also in so einem Gremium und ist, seiner Aussage nach, umzingelt von Menschen die keine Ahnung aber einen Haufen Meinungen haben. Und diese Leute sind laut, eloquent und untereinander unheimlich gut vernetzt, was bedeutet, dass sie ihre kontraproduktiven Vorschläge unterstützen, weil sie eben eine Clique bilden.

Wirft man nun selber einen Vorschlag ein ist es ein wenig wie in der Schule: wer etwas fragt muss vor an die Tafel. Was nicht das Problem ist. Das Problem ist, dass derjenige der den Vorschlag macht sofort mit der Aufforderung konfrontiert wird den Vorschlag umzusetzen und dann zu präsentieren. Das kommt mit zumindest drei Problemen:

1.) Diese Arbeit passiert wohl in der Arbeitszeit, was den Arbeitgeber nicht freut, da es keine Entschädigung dafür gibt.

2.) Wenn eine Arbeitsgruppe gebildet wird melden sich mehr Menschen die die Sache durch ständiges „No“ abwürgen wollen in höherer Zahl als Menschen die mitarbeiten wollen. Der Grund dafür ist in Punkt 1 zu finden: keiner der es könnte, hat die Zeit.

3.) Die besagten Neinsager sind in jeder Debatte in der günstigen Situation, dass eine Ablehnung kaum Arbeit macht. Das bedeutet selbst wenn man die Zeit investiert hat ist die Erfolgsaussicht zum Teil gering.

Warum aber werden nun solche Vorschläge niedergeschmettert? Zum Teil natürlich, weil der Neinsager die Idee für eine schlechte Idee hält. Das ist legitim. Es gibt aber auch andere Gründe, wie etwa dass der Vorschlag nicht „aus dem eigenen Camp“ gekommen ist. Es geht also um Ego, Reputation und auch darum, dass ein Neuling etwas widerlegen könnte das einer der alten Herren vor Jahren oder Jahrzehnten gesagt hat. Und das wollen die alten Herren natürlich nicht.

Dazu kommt, dass in diesen Gremien defacto Politiker sitzen. Diese haben keine technischen Vorschläge, sondern agieren im Wesentlichen wie die Kommissare der Sowjetunion: ihre Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass alle Vorschläge mit den Werten der EU in Einklang sind. Sie sind dabei so schwammig wie eben nur Politiker sein können. Es scheint so zu sein als würden sie gerne auf die Verhältnismäßigkeit pochen. Was vernünftig klingt bis man verstanden hat was das ist.

Die Verhältnismäßigkeit besagt, dass das System die Industrie in einem vernünftigen Maß in die Mangel nehmen muss um den Konsumenten zu schützen. Was das im Detail bedeutet wird aber, trotz ständiger Befragung, nicht beantwortet. In der Realität bedeutet es, dass man es nur erfährt, wenn man es falsch macht und dann trifft nicht das System das einem zum gängeln aufgerufen hat die Schuld, sondern die Industrie.

Man war dann „unverhältnismäßig“. Hat man aber zu wenig gegängelt war man „nachlässig“ und all die schwer verdienten Zertifikate sind in Gefahr. Man kann also nur verlieren, der Kommissar aber kommt nie in die Schusslinie.

Mein besagter Freund ist entsprechend frustriert.

Er möchte etwas bewegen und Dinge die er als Fehler ansieht ausbessern. Er ist auch bereit dafür zu arbeiten, läuft aber gegen die Widerstände in seiner Firma an, weil er an Dingen arbeitet die der Firma kein Geld bringen. Er kämpft gegen die Widerstände der alten Experten die von ihren Jahrzehnten alten Schlussfolgerungen nicht abrücken, gegen die Manager die jede Änderung ablehnen.

Dazu kommt die sprachliche Barriere. Die technischen Experten sind meistens gut darin zu rechnen aber sprachlich schwächer. Die sprachlichen Giganten hingegen sind aber scheinbar eher die Politiker, Verkäufer und Topmanager und die dominieren eben dann die Debatte. Eine fachliche Diskussion von Themen die bereits in der eigenen Sprache knifflig ist dann in einer Sprache zu führen die man nicht gut beherrscht ist natürlich ein Minenfeld der Missverständnisse.

Die EU ist ihrer Natur nach technokratisch, das bedeutet, dass die Experten definieren sollen was in ihrem Feld passiert. Das sieht am Papier gut aus, die Realität ist aber selbst wenn nur ein Viertel davon stimmt was mein Freund erzählt der Wahrheit entspricht sehr ernüchternd. Das System das die Experten zur Speerspitze unserer Gesellschaft hätte machen sollen, ermächtigt wieder die Bürokraten, Bremser und Schaumschläger und hält die wahren Experten zurück, lähmt sie mit Bürokratie und Auditierung, fesselt sie mit Vorgaben die keinen Sinn ergeben und all das passiert, weil keiner definieren kann was ein Experte ist und so ist der Experte eben derjenige der auf einem Sessel sitzt auf dem „Experte“ steht.

Das Resultat ist ein plumpes Gebilde das nicht so recht vom Fleck kommt. Die Technokratie der EU ist gescheitert. Nicht weil die Experten versagt haben, sondern weil der Großteil der Personen die auf Expertensesseln sitzen und Entscheidungen treffen schlicht keine sind.

Wenn man die Experten wieder an die Macht lassen möchte, wenn wir glauben dass das der korrekte Weg ist, dann gilt es die Fesseln zu sprengen, die Bürokratie abzubauen und den Markt arbeiten zu lassen, denn im Markt dominieren die die etwas können, anstatt jene die durch simple, uninformierte aber dafür umso elegantere Eloquenz die Debatte dominieren.

Glaubt man nicht dass die Experten führen sollen muss das System ohehin weg.

Hat man das verstanden, wird vielen in der EU klarer.

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