Menschen sehen die Welt entweder voller Chancen und Gefahren oder aber voller sich erfüllender Prophezeiungen. Diese Weltsicht definiert unsere Handlungen und unsere Weltsicht.

Die Idee des Fatalismus dreht sich um das Konzept der Vorherbestimmung. Die Idee ist im Wesentlichen, dass alles was passieren wird so und nicht anders passieren muss. Es unterschieden sich hierbei vor allem die religiöse von der weltlichen Schule. Religiöse Fatalisten denken, dass unsere Leben von einer Gottheit vorherbestimmt werden und wir keinen echten Einfluss auf unser Leben haben. Diese Sorte von religiösen Menschen betet etwa nicht frei, sondern rezitiert nur Gebete, weil sie ja wissen, dass ihr Gott sie nicht mitreden lässt. Sie zeigen auch keine sonderliche Motivation und Eigeninitiative.

Auch die Idee des sozialen Determinismus folgen diesem Gedankengang. Für Anhänger dieser These ist das was wir tun eine direkte Folge unserer Erfahrungen und der Gesellschaft. Wenn etwa jemand sein ganzes Leben von seiner Mutter hört, dass aus ihm nie was wird, wird aus ihm nichts und das ist die Schuld der Mutter, die wiederrum so ist, weil ihre Lehrer gemein zu ihr waren, die so gemein waren, weil das Christentum gemein ist und so weiter und so fort.

Beide dieser Ideologien stimmen darüber ein, dass nichts die Schuld des Einzelnen ist, es ist immer irgendjemand anderer Schuld. Ergo muss man sich nicht verbessern, sich nicht entschuldigen oder nach etwas streben, weil Kontrolle eben Illusion sei. Der Film „Lola rennt“ von 1998 streift diese Betrachtungsweise. Der Film startet mehrmals an der gleichen Stelle mit jeweils geringfügig unterschiedlichen Startsituationen, kommt aber zu völlig unterschiedlichen Endsituationen. Lola trifft nie andere Entscheidungen, alles was sich ändert ist die Startsituation in einem Detail.

Dem gegenüber steht die Idee, dass wir jede Sekunde Entscheidungen treffen und diese Entscheidungen Konsequenzen haben. Die Entscheidungen die wir treffen bewegen sich innerhalb der Möglichkeiten die wir haben und auch Glück spielt eine erhebliche Rolle. Aus dieser Sicht hatte Lola einfach mal Glück und mal nicht, was aber wirklich zählt sind die einzelnen Entscheidungen die im Film übersehen werden können, weil sie eben immer gleich sind. Sie werden aber getroffen, sie sind daher relevant.

Wäre Lola etwa Susi und nicht Lola würde der Film wieder anders ausgehen, selbst wenn Susi exakt die gleichen Erfahrungen gemacht hätte wie Lola.

Je nachdem ob wir denken, dass unsere Entscheidungen eben wirklich unsere Entscheidungen sind, oder eben nicht, glauben wir, dass unsere Handlungen mit Konsequenzen verbunden sind, oder eben nicht. Für Menschen die keine Konsequenzen sehen ist Motivation ein völlig unverständliches Konzept.

Für Deterministen ist klar, dass Albert Einstein die Relativitätstheorie niedergeschrieben hätte, weil das sein Schicksal war. Für Menschen die die Welt aber nicht deterministisch sehen ist offensichtlich, dass Einstein Millionen von Chancen gehabt hätte es nicht zu tun und Tausende rund um ihn die Chance gehabt hätten früher dran zu sein.

Einstein aber hatte die Motivation sich hinzusetzen und die Mathematik auszutüfteln, während Hannes Hintertüpfler und Igor Zevociv eben lieber ihren Hobbies nachgingen anstatt sich in ihrer Freizeit mit komplexen mathematischen Problemen zu beschäftigen.

Menschen wie ich denken, dass die Welt nicht auf einer vorbestimmten Bahn läuft, sondern wir da sind wo wir sind weil wir Entscheidungen treffen. Dieser Gedanke ist aber in erster Linie für Menschen die nicht so gute Entscheidungen getroffen haben, oder aber schleicht faul sind, unerträglich.

Ihr Glück hängt im Wesentlichen daran ob sie sich auf irgendjemanden rausreden können und weil sie sich überall rausreden wollen, lassen sie anderen das Rausreden durchgehen.

Für sie ist klar, dass die Gefängnisse voller Menschen sind die, genau wie sie, Opfer der Gesellschaft sind und nie eine Chance hatten, genauso wie Einstein eben nie eine Chance hatte nicht die Relativitätstheorie niederzuschreiben.

Erfolg ist nicht verdient, Misserfolg ist nicht verdient, wir alle sind nur Passagiere auf einem Boot, das entweder einen göttlichen Steuermann hat oder aber von den Strömungen herumgeschaukelt wird.

Menschen die denken wir wären nur Passagiere sind daher darauf konzentriert auf Steuermann oder die Strömung einzuwirken. Sie wissen auch dass das nur gemeinsam geht, als Gruppe, als Kollektiv, denn wir sitzen ja alle im gleichen Boot.

Menschen die denken, dass sie der Kapitän ihres eigenen Schiffes, auf dem nur sie sitzen, sind werden versuchen den für sie attraktivsten Kurs einzuschlagen und akzeptieren, dass es immer jemanden gibt der schneller ist als sie und jemand der kentert.

Viele haben Erfolg und Misserfolg aufgrund ihrer Entscheidungen, manche haben eben Pech oder Glück. Für sie steht aber fest, dass Menschen die all das Glück der Welt haben, dennoch scheitern, wenn sie beknackte Entscheidungen treffen, denn besagte dumme Entscheidungen zu treffen ist einfach und immer möglich. Jeder kann einen Koffer mit 10 Millionen Euro verbrennen.

Das ist nicht schwer.

Unser Zugang zur Idee der Selbst- oder Fremdbestimmung bestimmt zu einem erheblichen Teil unsere Weltsicht und vor allen Dingen: unseren Blick auf unsere Mitmenschen als entweder Agenten ihres Lebens oder aber als Roboter die einfach ihre Programmierung durchlaufen.

Die eine Sicht führt zu einer menschlicheren Welt, die andere nicht. Und ich denke dass unsere Weltsicht uns nicht vorherbestimmt ist sondern wir die Wahl haben unsere Weltsicht menschlicher sein zu lassen als sie noch gestern war.

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Matt Elger

Matt Elger bewertete diesen Eintrag 02.08.2022 23:10:31

SusiK

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