Immer wenn irgendwo ein Knallkopf einen Haufen Menschen erschießt fragen sich alle zurechnungsfähigen Menschen wie man so etwas in der Zukunft verhindern kann. Blöderweise haben diese völlig vernünftigen, guten und vor allem lösungsorientierten Menschen völlig andere Lebenserfahrungen und Kenntnisstände und kommen daher zu polar unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Entsprechend ist eine Lösungsfindung schwierig.

Zum Glück gibt es Menschen die genau das als Problem erkannt haben und versuchen eine Lösung für die Lösungssuchenden zu entwickeln.

Paul Harrell argumentiert in seinem Video „Mass Shootings: Causes and Possible Solutions” gute eineinhalb, sehr sehenswerte, Stunden dass beide Seiten des wahrgenommenen politischen Spektrums, echte Lösungen unterminieren indem sie Fakten biegen und beugen.

Er geht auf viele dieser Beugungen ein und demonstriert allerlei falsche Ideen, in etwa, wenn er mit einem 80 Jahre alten Gewehr demonstriert, dass es schon vor 80 Jahren verfügbare und damals sehr billig und einfach zu erwerbende Waffen mit der Leistungsfähigkeit einer AR-15 gab. Er entkräftet damit recht elegant das Argument, dass neue Gesetzgebung nötig wäre, weil sich die Waffen verändert hätten.

Was er nicht anführt ist, dass man keine Schusswaffen braucht um Menschen massenweise abzuschlachten. Auch vor dem 13. Jahrhundert gab es Menschen die massenweisen Menschen umbrachten. Die Geschichte des Menschen vor der Schusswaffe entkräftet damit recht elegant die Idee dass es keinen Mord ohne Schusswaffen gäbe. Aber das nur am Rande.

Wichtiger aber als diese Dinge ist sein Ansatz zur Frage warum Massenschiesserein passieren und dieser Ansatz ist eine Forderung nach klaren Definitionen und Kategorisierungen. Es existiert etwa in den USA keine Definition was so eine Massenschiesserei überhaupt ist, so ist etwa in manchen Definitionen, dass es öffentlich passiert (also in einer Schuld aber nicht in den eigenen vier Wänden) eine Forderung, in anderen nicht.

Daraus entstehen unterschiedliche Statistiken. Sobald so eine Definition besteht müsste man, so Harrell, kategorisieren um dann in weiterer Folge jeden Typus effizient bekämpfen zu können.

Er wirft etwa auf, dass die zentrale Frage die Motivation des Mörders sein sollte.

Wenn jemand in eine Kirche geht und dort Menschen tötet kann das aufgrund unterschiedlicher Motivationen passieren. Jemand der in die Kirche geht und dort alle Dunkelhäutigen erschießt hat eine andere Motivation als jemand der in der Auswahl seiner Opfer nicht diskriminiert.

Harrells eigene Recherche bringt ihm zu dem Schluss, dass es Massenschiesserein zwar schon immer gab aber sich eine wesentliche Komponente verändert habe: die Anzahl der nichtdiskriminierenden Mörder hat scheinbar zugenommen.

Was bedeutet das?

Die klassische Massenschiesserei in den 70igern dürfe nach dem Muster verlaufen sein, dass irgendwer das Gefühl hatte von einer Gruppe von Menschen schlecht behandelt worden zu sein oder dass von einer Gruppe eine Gefahr ausgeht. Der Mörder etwa dachte, dass seine Frau ihn betrügt und ging in ihre Firma, erschoss die Frau und die drei Männer mit denen er dachte, dass sie ihn betrogen hätte. Alternativ geht er in seine Arbeitsstelle und erschießt seinen Chef und die drei Leute die Beförderungen bekommen haben von denen er dachte dass sie ihm zusteht oder aber er erschießt alle Personen in der Trafik um die Ecke weil er sie für Aliens hält. Und natürlich vergessen wir nicht Menschen die andere wegen Hautfarbe, sexueller Orientierung udgl. umbringen.

Alle diese Fälle sind furchtbar, die Motivation des Mörders "warum er gerade diese Menschen ausgewählt hat" ist aber nachvollziehbar. Das macht die Sache nicht gut, nicht vernünftig, aber man kann verstehen warum der Irre genau das gemacht hat was er getan hat. Zentral an der Tat ist dass er seine Opfer wählt.

Wenn man etwa versteht dass der Schizophrene in allen Trafiken Aliens sieht, dann versteht man warum er getan hat was er getan hat, usw.

Was heute aber scheinbar zugenommen hat sind Fälle in denen Menschen so einen Angriff minutiös planen aber keines ihrer Opfer kennen. Alles was sie zu interessieren scheint ist möglichst viel Schaden anzurichten, möglichst viele Menschen zu töten.

Er wählt nicht seine Opfer aus sondern eher einen günstigen Ort, wie etwa ein Kino indem ein Blockbuster läuft.

Wer stirbt ist diesen rezenten Massenmördern scheinbar statistisch egaler als den historischen Massenmördern.

Was zählt ist "wie viele".

Das wirft die Frage auf „warum das so ist?“ und Harrell verbrennt sich nicht die Finger indem er hier spekuliert.

Ich denke aber dass er in diesem Punkt völlig recht hat. Die Frage warum Menschen herumlaufen und wahllos Menschen abschlachten ist nicht nur der Schlüssel zur Prävention sondern auch eine Möglichkeit tief in die Abgründe unserer rezenten Gesellschaft zu blicken.

Was auch immer die Ursache ist, dieses Ding ist wahrscheinlich die Wurzel für eine erstaunliche Masse an Dingen die gerade schieflaufen. Um diese Wurzel sollten wir uns, als rationale, lösungsorientierte Menschen, kümmern. Dazu müssen wir uns aber aus den gewohnten Schützengräben erheben und miteinander reden.

Denn am Ende des Tages wollen wir alle in einer Welt leben in der Menschen nicht versuchen anderen Menschen ihr Leben zu ruinieren. Und der Schlüssel zu so einer Welt ist herauszufinden was grad schiefer läuft als damals.

abcnews https://abcnews.go.com/US/reward-offered-dc-mass-shooting-killed-15-year/story?id=85506163

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