Es war 2004 und ich saß in einem Zug als direkt neben uns zwei Jugendliche begannen über den Klimawandel zu sprechen. Die Globale Erwärmung könnte ja zu schlagartigen Abkühlungen führen die so schnell wären dass sie ganz plötzlich einen Hubschrauber in der Luft einfrieren könnten. Das sei auch schon mal passiert, sagte der andre, mit Mamuts. Ich war viel zu perplex um die Jünglinge zu fragen was sie geraucht hätten aber einige Wochen später sah ich auch Emmerichs „the day after tomorrow“ inklusive in der Luft eingefrorener Hubschrauber und blitzgefrosteter Mamuts.

Lenin sagte in Kinonedelia No. 4, 1925 dass das Kino zentral für die kommunistische Revolution wäre da es die Realität der Zuseher verändern kann. Ich stimme ihm hierbei völlig zu.

Ich selber war der festen Überzeugung dass es im Kongo Salomonische Dimantenminen gegeben hätte, dank diverser Abenteuerstreifen. Diese Minen gab ea aber nie. Dennoch haben sich die Bilder in meiner Kindheit eingebrannt und es fällt mir bis heute schwer zu akzeptieren dass es diese Dinge niemals in dieser Form gab.

Der Film ändert unsere Wahrnehmung und wie erst kürzlich debattiert wissen wir, dass unsere Erinnerungen zu einem erstaunlich hohen Anteil nicht wirklich Erinnerungen an Dinge sind die passiert sind sondern falsche Erinnerungen, Erinnerungen an Dinge die niemals passiert sind, die wir aber für Dinge halten die passiert sind.

Der Film macht es noch viel einfacher die Realität zu verändern.

In naher Zukunft werden Menschen glauben dass die englische Königin Anne Boleyn (1536) afrikanische Wurzeln haben würde da sie in einer aktuellen Verfilmung von einer Schauspielerin mit afrikanischen Wurzeln gespielt wird. Menschen trauen ihren Augen und lernen aus Filmen und mitunter lernen sie Dinge die eben nicht wahr sind.

Debattiert man mit Personen ohne praktischer oder theoretischer Erfahrung mit Waffen ist man oft mit Menschen konfrontiert die diese Gegenstände völlig falsch einschätzen und entsprechende Regulationen fordern. Diese Regulationen, die sie sich wünschen, basieren aber nicht auf realen Fakten sondern auf einer wahrgenommenen Gefährlichkeit der Gegenstände und diese Wahrnehmung basiert oftmals auf Dingen die sie im Fernsehen gesehen haben, die aber mit der Realität nicht viel zu tun haben.

Ein klassisches Beispiel ist der „Schalldämpfer“ auf einer Waffe. Im Film reduziert dieses Gerät den Schuss auf ein Flüstern. In John Wick etwa duellieren sich zwei Personen mitten im Gedränge einer Großstadt und keinem ihrer Mitmenschen fällt etwas auf. In der Realität reduziert der Schalldämpfer den Knall um etwa 30 dB was den Knall für das Ohr erträglich macht aber von „leise“ kann bei den dann resultierenden 100-130bB (also zwischen einem landenen Flugzeug und einem Blitzeinschlag) nicht die Rede sein.

Trotzdem finden sich ausreichend Personen im Volk aber auch der Politik die Schalldämpfer basierend auf ihrer wahrgenommenen Eigenschaften bewerten. Schalldämpfer sind in Österreich noch immer strengstens reguliert weil die Politik, die Medien und die weitere Bevölkerung davon überzeugt sind dass diese Geräte beinahe magische Fähigkeiten aufweisen würden und diese falsche Vorstellung geht bis auf das erste Verbot durch das Regime 1938 zurück.

Ein anderes Beispiel sind Nunchakus die dank Bruce Lee als besonders gefährlich gelten und etwa in Deutschland verboten sind. Obgleich ein Nunchaku weniger Kraft übertragen kann als ein Stab gleicher Länge wird es als besonders gefährlich angesehen (gefährlicher als der Stock). Der Grund ist wieder nicht in der Realität zu finden. Die Versuche es zu rechtfertigen sind eher schwach.

Wir wissen also dass es Gesetze gibt die reale Dinge basierend auf einer Illusion bewerten. Die vorgebrachten Beispiele bestechen durch ihre offensichtliche Deutlichkeit, die meisten anderen Fälle sind deutlich subtiler.

Wir müssen uns darüber im Klaren sein dass Regeln und Gesetze von Menschen gemacht werden und diese Entscheidungen von subjektiven Faktoren beeinflusst werden. Diese subjektiven Faktoren sind ihrerseits wieder von Erfahrungen geprägt und diese Erfahrungen bilden wir durch das Abrufen von Erinnerungen und wie wir wissen sind diese oft nicht sonderlich verlässlich.

Wenn all unsere Erfahrung mit Waffen etwa aus dem Fernseher kommt dann ist es plausibel dass ein Schuss aus einer Pistole einen Menschen durch ein Fenster werfen würde, das dann in tausend Splitter zerbrechen würde. Wie im Western eben. Die Realität sieht dabei natürlich völlig anders aus, eine Pistolenkugel trägt schließlich nicht mehr Kraft in sich als ein Faustschlag (nur eben konzentriert auf eine winzige Fläche) und Glas bricht eben auch nicht wie das Glas im Film.

Was wir "wissen" ist also Unsinn. Wenn wir gerade dabei sind: eine Autotüre hält keine Patronen auf, egal wie oft wir Filmhelden hinter ihnen kauern sehen und Autos explodieren auch nicht wie im Film. Zusammenfassend könnte man sagen: praktisch Nichts was man im Actionfilm sieht hat seine Grundlage in der Realität.

Der Film hat das Potential unsere Wahrnehmung drastisch zu beeinflussen. Das erkannten Menschen wie Lenin bereits vor 100 Jahren. Wenn man die Wahrnehmung der Menschen verändert hat kann man die Realität entsprechend anpassen und die Illusion wahr machen.

Soweit jedenfalls die Theorie.

In der Realität verändern sich Dinge aber nicht nur weil man die Wahrnehmung und die Regeln geändert hat. Alles was sich ändert ist die Bereitschaft von Menschen Regeln zu akzeptieren die im Grunde keinen Sinn machen.

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Claudia56

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