In einem (hoffentlich) letzten oder wenigstens vorletzten Blick zurück auf den Wahlkampf um das Amt des Bundespräsidenten sind drei Momente noch nicht so verschwommen, das man sich nicht an das dumpfe Unbehagen erinnern könnte, welches das Auftreten des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer ausgelöst hat. In allen drei Fällen dürfte sich der Burgenländer nicht ganz unter Kontrolle gehabt haben, weshalb er einen kurzen Augenblick lang aus der Rolle des selbst ernannten Harmlosen gefallen ist.

Das erste Mal blitzte das Unbehagen während des Speed Datings im ORF auf als jeder Kandidat mit jedem (jeder) 15 Minuten lang diskutieren musste. Dort fiel der Satz: „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich sein wird.“ Da war ein drohender Unterton zu hören, den man nur mit Misstrauen registrieren konnte. Und dieser beflügelte damals schon die Fantasie: Möglich, dass ein Bundespräsident Hofer das traditionelle Angebot des Rücktritts der amtierenden Regierung – in der Vergangenheit nicht mehr als eine Höflichkeitsformel – annehmen könnte?

Möglich, dass ein Bundespräsident Hofer – ganz der Herr über die inhaltliche Regierungspolitik, als der er sich im Wahlkampf gab – die amtierende Regierung entlässt, weil ihm irgendetwas nicht passt?

Möglich, dass er auf die verfassungsmäßigen Kompetenzen eines Bundespräsidenten pfeift und die Unterschrift unter Gesetze so lange verweigert – auch wenn sie verfassungsmäßig zustande gekommen sind – bis die Arbeit der amtierenden Regierung so blockiert ist, dass Neuwahlen der einzige Ausweg wären? Ja, das wäre alles möglich.

Der zweite Moment der Irritation ergab sich in der unseligen Konfrontation des sogenannten ATV-Experiments ohne Moderator: „Ja, so bin ich eben“, antwortete Hofer auf die Feststellung Alexander Van der Bellens, er sei schon sehr raffiniert. Dieses „Ja so bin ich eben“ war vielleicht als weitere Provokation des Gegenübers gedacht, aber mit so viel schlecht kaschierter Lust an der Täuschung, der eigenen Überheblichkeit, des geringeren Alters aufgeladen, dass es nur wie eine Verstärkung des „Sie werden sich noch wundern. . .“ wirken konnte. Da schlug die Irritation in Unbehagen um: Ja, so ist er eben? Aber wie? In dem Moment war nicht klar, wer da eigentlich zur Wahl stand.

Der dritte Moment ereignete sich am Abend des unentschiedenen zweiten Wahlgangs als Hofer bei der FPÖ-Feier im Prater Betrug beim Auszählen der Wahlkarten unterstellte bevor noch eine einzige Wahlkarte geöffnet war: „Da wird immer ein bisschen eigenartig ausgezählt.“ Dieses Übermaß an Misstrauen in die Mechanismen des Staates steht einem Bundespräsidenten weder zu noch an. Wenn es sich im Amt breit gemacht hätte, wer weiß, worüber man sich dann wundern hätte müssen. Deshalb darf kann man von dem gar nicht mehr so unterschwelligen Zweifel in der FPÖ an der Rechtmäßigkeit der Wahl Van der Bellens, von Heinz Christian Strache abwärts, jetzt gar nicht überrascht sein. Auf raffinierte Weise werden hier von den Parteifreunden des „So bin ich eben“-Hofer zwei Ziele verfolgt: Die Ausschlachtung der Opfer-Rolle der Freiheitlichen einerseits und die Aushöhlung der demokratischen Institutionen andrerseits.

Nun ist es ja nicht so, dass Hofer der erste oder einzige Politiker wäre, der als öffentliche Person seine eigentliche Einstellung verbirgt. Bei ihm ist diese Verschleierung aber deshalb extrem bedenklich, weil sie im Kontext der gesamten FPÖ-Taktik zu sehen ist. So gab es auch vor der letzten Diskussion im ORF vor einer Woche einen Irritationsmoment als ein FPÖ-Sympathisant in die Kamera rief: „Wir werden in die Hofburg einziehen.“ Bei aller Bedeutung der Parteipolitik, die in Österreich jeder Personenwahl zugeschrieben wird, noch nie hat ein Bundespräsident vor seiner Wahl signalisiert, dass seine Partei „in die Hofburg einziehen“ wird. Aber so sind sie eben, die FPÖ-Anhänger. Und sie sind so wegen der Geisteshaltung in der Partei.

In den positiven Zuschreibungen für Norbert Hofer wurde immer hervorgehoben, er sei so authentisch. Allein, welcher Hofer ist da gemeint?

Das alles wäre jetzt so kurz nach der Entscheidung nicht wirklich wichtig, hätte Hofer nicht bereits eines der höchsten Staatsämter der Republik inne. Der unheimlich raffinierte Dritte Nationalratspräsident?

P.S. Zur Verblüffung vieler gibt aber auch Alexander Van der Bellen Anlass zur Irritation. In einem ARD-Interview legte er sich überflüssigerweise fest: Er werde der FPÖ keinen Regierungsauftrag erteilen, auch wenn sie nach der nächsten Nationalratswahl stärkste Kraft sein sollte. Damit erweist sich Van der Bellen als Wiederholungstäter eines schweren Fehlers. Er müsste jede Vorhersage mit dem Hinweis auf das ausstehende Wahlresultat verweigern. Es könnte nämlich eine Situation eintreten, in der er nur mehr zurücktreten kann: Die FPÖ präsentiert ihm eine Mehrheit im Parlament, die Alternative wäre nur eine Vier-Parteien-Regierung oder eine Minderheitsregierung. Der erste Fall wäre wahrscheinlich sehr instabil und die Regierung nicht von langer Dauer. Der zweite Fall würde Neuwahlen in kürzester Zeit provozieren. In beiden Fällen könnte die FPÖ nahe an die absolute Mehrheit kommen Und dann, Herr Bundespräsident Van der Bellen?

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