Wer fürchtet sich vorm falschen Mann?

Bei Regierungsumbildungen in den letzten Jahrzehnten gab es immer wieder Fälle, bei denen im Hinterkopf der Beobachter die eher rhetorische Frage auftauchte: Was hat man sich dabei gedacht? Im Normalfall gab es meist die eine oder andere, mehr oder weniger sinnvolle, Erklärung. Und im Normalfall verbat man sich selbst auch allzu scharfe Ad-Hoc-Kritik, obwohl sie vom Gefühl her angebracht gewesen wäre. Wie so oft in diesem Land galt dann der Spruch: Schau ma mal!

Und als der erste (negative) Eindruck dann bestätigt wurde, hat man schön geschaut. Und sich selbst dann den „Trostpreis des Lebens“ (© Michael Fleischhacker) verliehen, der für Rechthaben vergeben wird.

Jetzt gab es also mit dem Wechsel des niederösterreichischen Landesrats Wolfgang Sobotka ins Innenministerium die erste Ministerangelobung seit Langem, für die es in jedem einzelnen Punkt keine akzeptable oder auch nur halbwegs sinnvolle Erklärung gibt.

Nicht für den Zeitpunkt: Er ist aus gesamtpolitischer und koalitionstechnischer Sicht einfach falsch. Zwei Tage vor der Ausscheidungswahl eines neuen Bundespräsidenten oder einer neuen Bundespräsidentin eine Personalrochade vorzunehmen, war einfach mutwillig, kontraproduktiv für die ÖVP, wenn nicht parteischädigend und eine bewusste Provokation für ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner unter totaler Missachtung der Auswirkungen auf sein Standing in der Partei. Noch nie hatte ein regionaler Machtkampf zweier Politiker durch die Wahl eines falschen Zeitpunkts solche bundespolitischen Konsequenzen.

Nicht für das Amt: Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bezeichnete die Führung des Ressorts als „härtesten Job der Republik“. Wenn dem so ist, warum wird das Amt nun einem Regionalpolitiker anvertraut, dessen Kenntnisse sich nach eigenen Angaben auf Begegnungen mit der Exekutive in Niederösterreich beschränken? Der Job wird in den kommenden Monaten nicht leichter.

Wie wenig Sobotka selbst damit bis zu seiner Angelobung anzufangen wusste, konnte man am Montag im ORF-Mittagsjournal hören. Auf die Frage, was ihn denn für das Amt des Innenministers qualifiziere, antwortete er: Der erfolgreichste Verteidigungsminister der USA McNamara sei zuvor Manager bei General Motors gewesen. Einmal abgesehen davon, dass er nicht bei GM sondern bei Ford war, sagte McNamara über seine Tätigkeit als Verteidigungsminister von 1961 bis 1968 in der Zeit des Vietnamkrieges einmal selbst: „Wäre ich doch bloß nicht Kennedys Ruf in die Politik gefolgt und damit verantwortlich geworden für unzählige Tote in Vietnam". Also nicht einmal McNamara selbst hat seine Tätigkeit während des verlustreichen und schließlich verlorenen Vietnam-Krieges der USA als „erfolgreich“ bezeichnet.

Gut, man kann nicht alles parat haben. Aber auch die sonstigen Ausführungen brachten keine Erhellung von Sobotkas Amtsauffassung. Auf die Frage, ob er eigentlich jedes beliebige Amt auch übernehmen hätte können, antwortete Sobotka: „Ich glaube, wenn Sie sich das anschauen, das ist immer die persönliche Einschätzung geben, kann ich den Anforderungen gerecht werden oder nicht.“ (sic)Er denke, dass er den Erwartungen gerecht werden könne. Nach der Angelobung wurde er am Donnerstag konkret: Er freue sich als Minister dafür „einzustehen, was unsere Landsleute von uns erwarten.“

Im Mittagsjournal fand er auf die Frage, ob er ein Law & Order Minister sein werde, noch deutliche Worte (Achtung: Ironiealarm): „Ich glaube diese Fragen die sich daran ergeben, dass ich in der Beurteilung dessen, also hier, dass dann auch von journalistischer Seite überlegen.“ (sic)

Nicht für die Person: Von seinem Auftreten und seiner Körpersprache her kann niemand von Sobotka verlangen, dass er das empathische Gesicht der Flüchtlingsfrage zeigen kann. Eher passt der Part des obersten Flüchtlingsabwehrer zu ihm. In dieser Rolle kann er Mikl-Leitner nacheifern und sich mit dem ehemaligen Polizisten als Verteidigungsminister, Hans Peter Doskozil, von der SPÖ messen.

Das Innenressort gehört aber abgesehen von der Asylfrage zu den sensiblen Ministerien der Republik. Der „größte Skandal der Zweiten Republik“ (bis dahin jedenfalls) war der Spitzelskandal 1990, als die Staatspolizei hunderte von Spitzelakten angelegt hatte – angeblich ohne Wissen des damaligen Innenministers Franz Löschnak (SPÖ). Oder die Verwendung von Klebebändern zum Knebeln von Gefangenen, die dann zum Fall Marcus Omofuma geführt hat. Oder die neue Notstandsverordnung ohne Notstand, für die jetzt die Begutachtungsfrist nach einer Woche geendet hat.

“Schau ma mal!” wäre für dieses Ressort nach dieser Personalrochade fahrlässig.

Michael Kranewitter https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wolfgang_Sobotka_23-05-2013_01.JPG

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