Ein Vergleich zwischen Deutschland und Österreich ist hierzulande immer sehr beliebt – aber nur, wenn er zu Gunsten Österreichs ausgeht, natürlich. Von der Größe, der Bevölkerungszahl, der europäischen und weltpolitischen Bedeutung und der Wirtschaftskraft her verbietet sich redlicherweise jeder Vergleich.

Das müsste auch für den Kampf um die Wählergunst zur Zeit gelten. Wie der Zufall aber so spielt, findet er dieses Mal gleichzeitig statt. Da drängt sich dann eben doch ein Vergleich auf: Der eine, in Deutschland, ist zeitlich kurz, kompakt und in einem demokratiepolitisch verträglichem Rahmen gehalten. Der andere, in Österreich, zieht sich seit Monaten dahin. Man nehme nur die mediale Umsetzung her: In Deutschland trafen Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD) ein einziges Mal im Fernsehen letzten Sonntag aufeinander. Die Fragen stellten vier Journalisten von zwei öffentlich-rechtlichen und zwei Privatsender. In Österreich wird es zehn Runden im Öffentlich-Rechtlichen geben und über 30 mehr in den Privatsendern. Das kommt einer Verschwörung der Fernsehanstalten zur Verfestigung der Politikerverdrossenheit gleich, ist aber höchstwahrscheinlich eher dem kleingeistigen Konkurrenzdenken geschuldet. Dass sich in Österreich vier Fernsehanstalten zusammentun, um eine Spitzenkonfrontation auszustrahlen, scheint nicht einmal angedacht worden zu sein.

Warum Christian Kern (SPÖ), Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz Christian Strache (FPÖ) dafür hergeben, das Wahlvolk mit diesem Wort-Tsunami zu überfallen, ist nicht erklärlich. Bei den zwei kleineren Gruppen, die jetzt schon im Parlament vertreten sind und der „Liste Pilz“ ist es verständlich, dass sie jeden nur irgendwie möglichen Medienauftritt annehmen. Ob das wirklich hilfreich ist, bleibt offen.

Auffallend aber ist in beiden Ländern eines: Oft – so auch sogar bei Merkel-Schulz – werden im Nachhinein die Journalisten zum Thema gemacht, nicht so sehr der Inhalt der Politikeraussagen. In diesem Punkt schlägt Österreich Deutschland aber um Längen, wie das Urlaub-Gate von ORF-Moderator Tarek Leitner beweist. Was war das für eine Aufregung, als der Wechsel-Kandidat (von Grün auf Schwarz, padon: Türkis) Efgani Dönmez wenige Tage vor dem ORF-Sommergespräch Kern-Leitner deren gemeinsame Urlaube, von denen einer in der Vor-Kanzler-Zeit bestätigt wurde, thematisierte. Die Scheinheiligkeit schien dabei grenzenlos zu sein. Der „Tatbestand“ war von Leitner selbst vor Monaten schon öffentlich gemacht worden. Und niemanden ist er aufgefallen – bis jetzt? Kaum zu glauben. Jetzt macht der ORF die Sache noch schlimmer, indem er Leitner von weiteren ORF-Auftritten Kerns „abzieht“ – und das mit einer Begründung, die fadenscheiniger nicht sein kann: Mit Leitners ZIB 1 Verpflichtungen. Diese werden ja wohl dem ORF bei der ursprünglichen Planung nicht unbekannt gewesen sein. So wenig Professionalität kann man sich bei den beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten ZDF und ARD wohl kaum vorstellen. Jedenfalls werden in Österreich nach dieser beinahe Endlosschleife an Wahlkampfsendungen nicht nur Politiker beschädigt sein, sondern auch Medien und Journalisten.

Wenn auch das Niveau der Politikerkonfrontationen in Deutschland mit jenem in Österreich nicht vergleichbar sind, wie das fast 90 Minuten lange Aufeinandertreffen von Merkel und Schulz bewiesen, so herrscht doch Gleichstand bei den Reaktionen. Auch danach machten die Medien vor allem die Frage zum Thema, wer von den beiden punkten konnte, und nicht deren inhaltliche Ansagen.

Da läuft ganz generell etwas falsch – und nicht nur, wie an dieser Stelle in der Vorwoche schon einmal beschrieben, bei den Sommergesprächen des ORF. Man muss sich echt um den demokratiepolitischen Diskurs Sorgen machen – auch in Deutschland. Denn wenn in 90 Minuten so wichtige Themen wie Bildung, Arbeitslosigkeit, Energiepolitik (Stichwort: Ende der Kernkraft – und dann?) oder Altersversorgung nicht zu Sprache kommen, dann sind nicht nur die fragenden Journalisten, sondern auch die Kandidaten schuld. Wenn in Österreich bei einer 45 Minuten Befragung der Spitzenkandidaten so wichtige Themen wie Bildung oder das angeschlagene Prinzip der Sozialpartnerschaft nicht einmal gestreift werden, dann ebenfalls.

Politiker brauchen die Medien und diese die Politik. Was für ein Gemeinplatz. Dennoch: Es wäre in beiden Ländern an der Zeit darüber nachzudenken, wie in Zukunft ihre Beziehung neu gestaltet werden kann. Die Journalisten sollten daran ein stärkeres Interesse haben als es von den Politikern zu verlangen ist.

Denn ohne Kontrolle der Regierenden keine Demokratie. In Österreich ist das von besonderer Bedeutung, den hier irrlichtern sogar Landeshauptleute durch die politische Landschaft, die das Grundprinzip von Regierung und Opposition überhaupt nicht verstehen. Wie sonst könnte Hans Niessl nach der Ankündigung des Titelverteidigers Kern, bei Abrutschen auf Platz 2 am 15. Oktober „bleibt“ der SPÖ nur der Gang in die Opposition, allen Ernstes sagen: „Opposition ist Mist.“ In Deutschland würde da schon die Alarmglocken läuten ob eines solchen Demokratieverständnisses. In Österreich wird es einfach so hingenommen. Dass Niessl das kleine Burgenland regiert ist weder eine Entschuldigung noch eine Erklärung.

geralt/pixabay

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