Krankheit – Behandlung: Zuwendung und Liebe

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Krankheit (mittelhochdeutsch krancheit, krankeit, synonym zu Schwäche, Leiden, Not) ist die Störung der Funktion eines Organs, der Psyche oder des gesamten Organismus.

Wenn ich krank bin, dann fühle ich mich schwach, ich leide und gerate dadurch auch schon mal in Not. Abhängig von dem Schweregrad des gesundheitlichen Zustands, werde ich wohl einen Arzt aufsuchen. Wenn ich Glück habe, hat dieser dann einen Vorschlag für eine Behandlung. Diese sollte im besten Fall zur Verbesserung führen und mich sozusagen von der Krankheit befreien. Natürlich gibt es sehr viele Krankheiten, die sehr schwer zu behandeln sind, viele die sogar als nicht behandelbar gelten. Wo man oft lediglich die Symptome in den Griff bekommt, aber der Krankheit an sich nicht zu Leibe rücken kann.

Ich denke, jeder an einer sehr schweren Krankheit leidender Mensch wäre froh, wenn es dann für seinen speziellen Fall, ein Medikament oder andere Therapien gäbe.

Ich bin kein Arzt, ich bin kein Mediziner und ich habe auch in keiner Weise etwas mit Alternativmedizin zu tun. Aber ich bin ein Mensch, der krank ist und daher weiß und fühlt, wie es so ist.

Daher fällt mir auf, es fehlt etwas ganz wesentliches in diesem komplexen Bereich. Es erscheint mir nur in verschwindend kleiner Dosis verabreicht zu werden. Dabei kostet es keinen Cent. Nur ein wenig Mut.

Gerade was psychische Krankheiten betrifft, wäre dies eine zusätzlich sehr erfolgreiche Behandlungsvariable.

Da ich seit fast fünfzehn Jahren persönlich damit befasst bin, und ich selbst unterschiedliche psychische Ver-Rückungen habe, gibt es schon eine Reihe an Erfahrungswerten. Bei derallerersten Diagnose durch die Ärzte auf der BH, verließ ich mich voll und ganz auf das, was ich dort vorgeschlagen bekommen habe. Jede Menge Psychopharmaka, Gesprächstherapie und unterschiedlichste Beschäftigungstherapien. Selbstverständlich habe ich diese Behandlung so gut wie möglich mitgemacht. Brav meine Tabletten geschluckt. Mir eine Therapeutin gesucht und meine Interessen ganz besonders ausgekundschaftet. Wobei ich sagen muss, ich hatte nie Langeweile in meinem Leben.

Ich hatte schon immer jede Menge Interessen. Ungeduldig wie ich nun manchmal bin, fragte ich mich immer, wann ist das endlich vorbei, wann bin ich geheilt? Zu dieser Zeit hatte ich Glück, da ich einenMenschen an der Seite hatte, welcher sehr viel persönliche Erfahrung mit psychischen Erkrankungen hatte. Daher konnte er mir sehr mit seinem Verständnis und seinem Zugang dazu helfen. Mit viel Liebe, Geduld und motivierendem Feingefühl. Schlussendlich habe ich zu dieser Zeit auch wieder einen, für mich erfüllenden Job gefunden. Die Tabletten konnten abgesetzt werden und Therapie war auch keine mehr notwendig. Happy End, dachte ich.

Dass es michknapp zehn Jahre später, abermals komplett umhaut, hätte ich nie gedacht. Ich fühlte mich ja sozusagen geheilt. Seit dem Jahr 2011 bis dato ist es bei weitem viel komplexer und massiver als damals. Viele neue Diagnosen sind dazu gekommen und haben mich gesundheitlich ziemlich mitgenommen. Jobverlust, massive existentielle Probleme und Verlust des Partners kamen hinzu. Somit schraubte sich meine Lebensqualität gegen unter null. So ein Dasein möchte ich einfach nicht führen. Das dramatische an der Sache ist jedoch, dass die Therapien, Medikamente und andere medizinischen Behandlungsmethoden schlicht weg nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sind. Zumindest ist das bei mir so der Fall. Natürlich habe ich in meiner Reha viel mitnehmen können, selbstverständlich halten mich die Tabletten ruhig. Dennoch fehlte mir immer etwas sehr Entscheidendes.

Menschen. Menschen, die für mich da sind. Menschen, mit denen ich mich austauschen kann. Menschen, bei denen ich so sein kann, wie ich bin. Die wenigen, die um mich herum sind reduzierten sich weiter. Selbst jene, von denen ich es nie gedacht hätte.

Ja, es ist nicht sehr einfach mit depressiven Menschen um zugehen. Ja, und es ist schon gar nicht einfach, mit Menschen, die an Angststörungen leiden, umzugehen. Ja und ganz besonders schwierig ist es, mit Menschen auszukommen, die mehrere PTBS haben. Richtig. Dazu braucht es schon jede Menge Einfühlungsvermögen. Viel Geduld und vor allem aber Vertrauen.

In einer Zeit, wie heute hat kaum jemand mehr Zeit, geschweige denn Geduld. Die Ausdauer und die Gelassenheit sich einem Menschen zu widmen, der lediglich ein wenig mehr Zuwendung benötigt. Viel mehr Liebe, viel mehr Zeit und jede Menge Nachsicht.

Es ist nicht einfach, mit Menschen umzugehen, die sich in ihren vier Wänden verkriechen und die Jalousien 24 Stunden geschlossen nach unten gezogen haben. Es ist nicht einfach, mit Menschen umzugehen, die über Monate, oder Jahre scheinbar keine Lust mehr haben, nur irgendwas zu tun. Und es ist verdammt noch mal auch gar nicht schön zu zusehen, wie sich ein vertrauter Mensch scheinbar in seiner Persönlichkeit massiv verändert. Nein, das ist es nicht.

Aber, wie ist es für den Betroffenen selbst? Denken die Menschen rundum, dem ist ohnehin nicht mehr zu helfen. Oder haben sie einfach nur keine Lust sich damit auseinander zu setzen. Die Ärzte, Therapeuten, Psychologen, Psychiater, Medikamente usw. werden das alles schon in den Griff bekommen. So ist es eben scheinbar nicht.

Nein, so ist es definitiv nicht. Meine persönliche Erfahrung und mein Eindruck: Ohne Zuneigung, Zuwendung, Rücksicht, Verständnis, Geduld, Feingefühl und Liebe von Mitmenschen geht es nicht. Ich schaffe das nicht alleine, lediglich mit medizinischen Behandlungsmethoden. Wenn wenig bis gar keine Menschen da sind, ist es verdammt hart. Fast unmöglich, zurück in ein erfüllendes Leben zu kommen.

Gerade in den finstersten Löchern einer Depression ist es für mich unmöglich, mich damit zu befassen, neue Menschen kennen zu lernen. Und schon gar nicht, an mich heran zulassen. Die in sich Gekehrtheit, das abgeschottet sein, der Rückzug ist wohl auch eine Schutzmaßnahme. Es gibt mir Sicherheit, vor neuen zusätzlichen Verletzungen. Die Haut ist ohnehin schon zum Zerreißen dünn.

Die Eigenverantwortung spielt sicherlich auch eine Rolle. Es liegt an mir selbst, wie es weiter geht und ob es weiter geht. Jedoch denke ich, wäre es schön zu wissen, wenn sich nur ein einziger Mensch ein wenig mehr Gedanken dazu macht. Wie es ist, völlig alleine im Dunklen zu sitzen. In einem Loch, wo einem niemand wahrnimmt.

Menschen, die mitten im Leben stehen, sehen nach oben oder vorne. Die psychisch Kranken sehen nach unten, zurück oder gar nicht mehr. Der Blick ist eingeschränkt und getrübt. Die Gefühle sind auf ein Minimum reduziert. Oft funktionieren nicht einmal mehr die ganz normalen Dinge, wie sich waschen, in der Wohnung sauber machen, die tägliche Nahrungsaufnahme und das relativ normale Schlafverhalten. Jegliche Alltäglichkeiten stehen völlig konträr dem eines normalen Tagesablaufes. Während der Rest der Menschheit arbeitet, Kinder betreut, kocht, putzt, trinkt, isst, Sex hat, meist ausreichend schläft, feiert und viele andere Dinge in Bewegung setzt. Ist der psychisch Kranke in einer Starre im Stillstand.

Mit einem Auto, welches ewig in der Garage gestanden ist, wird man wohl auch nicht stante pede mit 100 Sachen auf die Autobahn hetzen. So ist es auch meist mit psychisch kranken Menschen. Langsame und stetige Umsorge bringt sie wieder auf Touren. Dazu bedarf es nun Mal jede Menge Geduld, von beiden Seiten. Ausdauer, Milde,  Schonung, Nachsicht, Gelassenheit Besonnenheit, Rücksicht, Toleranz, Sanftmut, Mitgefühl, Herzlichkeit, Zuneigung, Zeit und jede Menge Liebe zu den Menschen. Umarmende, nicht festhaltende Liebe. Gebende, nicht fordernde Liebe. Geduld, Zuversicht und ein wenig mehr Hoffnung geben Kraft für den nächsten kleinen Schritt. Raus aus diesen schwarzen Löchern. Den dunklen Verlies, wo keiner wirklich leben möchte. Ein wenig Licht, ein kleiner Sonnenstrahl mit einem Lächeln, auch wenn es manchmal schwer fällt.

Beide Seiten sind gefordert. Disziplin und den starken Wunsch in sich stärken, dass es weiter geht. An die Hand nehmen und sich an der Hand nehmen lassen.

Psychisch kranke Menschen sind nicht ansteckend. Sie verstecken sich bloß. Kranke und Gesunde dürfen gerne aufeinander zugehen. Beide können sehr viel voneinander profitieren und lernen. Kalte Herzen wieder zum Schlagen bringen. Jeder Wiederbelebungsversuch mit viel Liebe und Zuwendung kann ein solches verlorenes Herz retten.

Nicht nur zu Ostern sollte man auf die Suche nach versteckten Eiern gehen.

In diesem Sinne ein Frohes – Menschliches Osterfest.

Vielen Dank fürs Lesen.

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Silvia Jelincic

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