Blog-Bild: "Aints"

Was ich mich schon immer gefragt habe:

Wie ist das möglich, dass ein einziger Mensch da oben steht und alles lenkt?

Einer der uns sagt, was zu tun ist und was wir lassen sollen. Gut in Österreich ist es derzeit nicht ganz so krass, dennoch sind es scheinbar ganz Wenige, die tatsächlich am Wort sind. Aber auch in unserem wunderbaren Lande hatten wir schon mal einen kleinen erbärmlichen Mann mit dunklem Strich auf der Oberlippe, der nichts Gutes wollte. Zumindest nicht für die gesamte Bevölkerung. In meiner Schulzeit endete der Stoff in den Büchern im Geschichtsunterricht vor dieser grausamen Zeit. Somit hatte ich kaum bis kein Wissen darüber. Im Laufe der Jahre erfuhr ich mehr darüber. Bis heute wird darüber geschrieben und geredet. Gedenkfeiern für die Unzahl an verstorbenen Menschen damals. Es muss wahrlich eine grausame Zeit gewesen sein.

Aber wiederum fragte ich mich, trotz der neuen Erkenntnisse:

Ein Mensch, gegen so viele auf der anderen Seite, wie geht das?

Jetzt habe ich für mich eine persönliche Antwort gefunden, die mir das teilweise verständlich macht. Entdeckt habe ich sie aufgrund meiner Lebensgeschichte. Die ersten 34 Jahre meines Lebens sind der Vergleich zu dem, was auch in einem politisch ungleichen Konstrukt geschieht.

Da ist ein Mann, der den Ton angibt. Die ersten 18 Jahre war es mein Vaterund anschließend mein Ehemann. Der Vater unterdrückt mit seiner brutalen Gewalt die gesamte Familie. Meine Mutter, meine Oma und uns fünf Kinder. Über Jahre jagt er uns mit seinen Drohungen Angst ein. Er schreibt vor, was zu tun ist. Er prügelt seine Wahrheit in uns hinein, Tag für Tag. Wer etwas zu sagen hatte, wurde mit dem nächsten Schlag zum Schweigen gebracht. Widerworte wurden im Keim erstickt. Als Kind hatte ich noch keine eigene Meinung, nur das Urvertrauen, dass alles seine Richtigkeit hat. Auch wenn es sich nicht so angefühlt hatte. Als Kind kannte ich lediglich das, was im eigenen Umfeld geschieht. Und das sah ich als richtig und wahrhaftig an. Vergleiche ziehe ich nicht. Woher sollten die auch kommen? Darüber Reden war zu Hause tabu. Somit redete ich schon gar nicht mit Anderen über das, was Daheim geschieht. Das einzige was ich mehrmals getan habe, ich bin geflohen. Weggerannt mit all den Blessuren und dem was ich anhatte. Oft lediglich mit dem Schlafgewand, raus in die Nacht. Meist zu Fuß vom 2. Bezirk über den Donaukanal zu meiner Tante. Dort konnte ich essen, schlafen und sogar ein wenig fernsehen. All die Jahre hat mich niemand gefragt, warum ich denn eigentlich komme. Es war einfach so. Ein in sich geschlossenes System der Diktatur. Bei all den Prügelorgien hat mein Vater oft lautstark Marschmusik dazu gespielt. Wohl um den Drill akustisch verstärkt zu untermauern.

In meiner Berufsschulzeit war ich nicht mehr so oft zu Hause, dennoch musste ich irgendwo schlafen. Die Angst vor dem besoffenen, brüllenden, schlagenden, misshandelnden als Herrscher auftretenden Vater war immer zugegen. Auch wenn er nicht persönlich anwesend war. Der über die Jahre infiltrierte Grundsatz: Kuschen und gehorchen hatte seine Wirkung gezeigt. Selbst wenn ich tagsüber in der Schule war, hatte ich schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich etwas tat, was zu Hause verboten war. Meine Ehe, war nichts anderes als eine Flucht von einem extremen Regime in das nächste. Mein Ehemann hat mich zwar in all den Jahren nicht körperlich misshandelt, dennoch war es eine sehr schmerzhafte Tortur. Die tausendfachen subtilen psychischen Schläge haben ebenso ihre Spuren hinterlassen. Sie haften genauso an der Seele, wie die Tritte aus der Kindheit.

Wie oft wurde ich nach diesen 34 Jahren gefragt: “Wieso hast Du Dich nicht gewehrt?, Wieso hast Du nicht geredet?, Warum bist Du nicht früher gegangen?“

Ich weiß es nicht. Es war einfach so, wie es war. Aus heutiger Sicht ein völliger Irrsinn und selbst für mich oft unverständlich.

Doch wenn ich so manche Ereignisse auf der Welt betrachte, ähneln diese sehr meiner Vergangenheit. Da ist ein Herrscher und der Rest kuscht oder wird zum Schweigen gebracht. Obwohl diese schweigende Menge viel mehr ist, als der Eine da Oben. Das Drohen und Angst schüren  bringen dem Einen Macht. Macht über eine Unzahl von Menschen. Menschen, die gefangen sind in einem Heim ohne Fenster nach Draußen. Einen Ausblick auf eine bessere, freiere Zukunft. Weil der da Oben, Mauern des Schweigens aufstellt. Wände, welche jede Perspektive verstellen. Und jeder einzelne dieser Menschen ist mit sich und der bedrohlichen Angst derart beschäftigt, dass er sein Umfeld gar nicht mehr wahrnimmt. Angst macht einsam.

Obwohl es doch viel mehr sind, als der Eine da Oben.

Egal ob es nun viele kleine Ängste sind, oder eine ganz große, es lähmt. Es macht Dich gefügig, für weitere Befehle von oben.

Ich weiß, es mag ja eine gewagte These sein, meine familiären Erlebnisse mit den Weltherrschaften zu vergleichen. Diese beiden Herrschaften haben nicht Millionen Menschen ins Verderben geführt. Aber immerhin haben sie mindestens zwei Familien kaputt gemacht. Ich denke, Freiheit und Selbstbestimmtheit beginnt im ganz kleinen Kreis. Und dieser ist nun mal unser nahes Umfeld. Solange ich mir das noch aussuchen darf, ist es in Ordnung. Doch ich bin hoch sensibilisiert und mich beschleicht oft der Eindruck, dass ich nicht immer die freie Wahl habe. Ohne dass mein Entschluss mit enormen Abstrichen verbunden ist. Ich benötige keine Reichtümer, die mir diese Macht verleihen. Meine unendliche kreative Phantasie beherrscht ausreichend mein Leben. Sie wünscht sich lediglich ein gemeinsames friedliches neidloses Miteinander. Ein Zusammenleben ohne Angst vor Obrigkeiten, die scheinbar viele Menschen in der Hand haben. Ich habe bei Weitem nicht immer alles im Griff, aber mein Leben möchte ich nicht in all die Hände legen, die mir scheinbar oft gereicht werden.

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