Es gibt unzählige Krebsarten, die nicht unterschiedlicher verlaufen könnten. Manche Erkrankungen bescheren eine sehr grundlegende Veränderung des Lebens des Patienten. Andere wiederum können so gut therapiert werden, dass eine Rückkehr in einen ganz normalen Alltag gewährleistet ist. Trotzdem bleiben auch heute noch viele Betroffene als chronisch Erkrankte zurück. Was wohl für jeden Patienten ein Thema ist, ist Verlust. Im schlimmsten Fall verliert man sein Leben.

In den allermeisten Fällen verliert man seine körperliche Unversehrtheit, kaum eine Krebserkrankung kann ohne operative Eingriffe bekämpft werden. Auch wenn keine Operation von Nöten ist, so schädigen auch Chemo- und Strahlentherapien oft den ganzen Körper. Vielfach verlieren Betroffene auch ihre seelische und psychische Unversehrtheit.

Kaum ein Patient geht durch eine derartige Krankengeschichte vollkommen unbeschadet. Viele würden einer psychologische Betreuung oder Begleitung bedürfen. In den letzten Jahren hat auch in Österreich Psychoonkologie Fuß gefasst. Leider werden diese Angebote immer noch zu wenig in Anspruch genommen.

Ein weiterer großer Verlust ist auch oft die Aufgabe des Berufslebens. Weil man entweder durch den langen Krankenstand seine Arbeitsstelle verliert oder überhaupt nicht mehr in ein geregeltes Arbeitsleben zurückkehren kann.

Was mich persönlich sehr erstaunt hat, war die leidvolle Erfahrung, dass man mit der Diagnose Krebs auch sehr oft einen Teil seines sozialen Umfeldes verliert.

Plötzlich verschwanden Menschen, mit denen man über Jahre eng befreundet war. Ja, ich lag gesamt beinahe vier Monate in der Klinik und war knapp drei Monate auf Reha. Da kann man schon ein wenig in Vergessenheit geraten. Ich konnte auch fast ein halbes Jahr erst nur sehr unverständlich und dann überhaupt nicht mehr sprechen. Und ich war auch kein besonders schöner Anblick. Aber immerhin hätte man sich der Technik bedienen können. SMS, Skype, da kann man ja auch tippen und muss nicht sprechen, Chat oder auch Briefe und kleine Wischzettel waren zu dieser Zeit meine Kommunikationsmittel. Und zirka 500 Seiten, vollgeschrieben mit Anweisungen, Wünschen und Bitten. Trotz dieser Möglichkeiten gab es eine große Anzahl von Menschen, die sich nicht einmal bei meiner Familie meldeten. So wie man es sich erwarten würde, wenn man in eine schwierige Situation gerät.

Viele der vermeintlich guten Freunde hatten es vorgezogen einfach zu verschwinden, so als wären sie nie vorhanden gewesen. Ja, das hatte mich damals wirklich traurig gemacht. Zumal ich wusste, dass die Nachricht sich sehr wohl verbreitet hatte. Denn plötzlich meldeten sich Leute, die ich nur peripher kannte oder seit Längerem nicht mehr gesehen hatte.

Wirklich interessant wurde es, als ich mich nach gut einem Jahr wieder in der Gesellschaft bewegte. Teils hatten die Menschen ein schlechtes Gewisse, gaben zu, dass sie keine Ahnung hatten, wie sie reagieren hätten sollen. Einige versuchten mir sehr bewusst aus dem Weg zu gehen.

Ein besonders prägnantes Beispiel wird mir in Erinnerung bleiben. Ich begegnete einer langjährigen Freundin, immerhin war ich ihre Trauzeugin, die ebenfalls den Kontakt abgebrochen hatte, auf der Straße und ging direkt auf sie zu. Auf meine Frage wohin sie des Wegs sei, antwortete sie, sie hätte frei, hätte nichts vor und würde ein wenig durch die Altstadt flanieren. Daraufhin schlug ich vor, doch schnell auf einen Kaffee zu gehen. Worauf sie sehr nervös einen Blick auf ihre Uhr warf und feststellte, dass sie jetzt ganz dringend zum Friseur müsse….Es war so offensichtlich, dass sie einfach keine Lust auf mich sabberndes, dürres, wenig attraktives Wesen hatte.

Manchmal versuche ich auch heute noch diese Verhaltensweisen zu hinterfragen. Komme aber letztendlich auf keine wirklich befriedigende Antwort. Viele der Angesprochenen hatten wirklich Angst sich mit mir zu konfrontieren. Es ist dann halt sehr bedauerlich, wenn man feststellten muss, dass für einige Freundschaft offenbar nur in den Schönwetterperioden gilt.

Ich frage mich auch manchmal, ob ich früher selber genauso oberflächlich reagiert habe.

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