„Sibylle“ surft mit ihrem Handy. Ihre vier Freunde sitzen daneben und brüten gerade über Twitter, Facebook, etc. "He, warum hast du meinen Status noch nicht geliket?" "Weil ich selber erst dabei bin, meine Fotos upzuloaden! Aber ich schau dann eh gleich." Weiters wird kein Wort gewechselt, außer es handelt sich um den neuesten Tratsch, und dieser wird per Handy kommentiert - ohne Blickkontakt natürlich, denn dieser ist ja unnötig.

Am Nachbarstisch bestellt ein Pärchen deren Abendessen. Kaum hat der Kellner den Tisch verlassen, zücken beide ihr Handy. Der Mann beschäftigt sich mit den aktuellen Neuigkeiten, die Frau „whatsappt“ über das Tagesgeschehen mit ihren Freundinnen. Ist ja total bequem, auf dem Laufenden zu sein und gleichzeitig in seine eigene Welt zu versinken. Wenig Blickfang versteht sich, denn das würde beide überfordern.

„Marco“ hockt in seinem Zimmer und bestellt bei einem Onlineanbieter einige für ihn wichtige Dinge. „Einfach praktisch“, meint er, „ich brauche nichts erklären, mit niemandem reden, weder ins Geschäft fahren noch mich viel dabei bewegen. Und das Gute daran ist, die Lieferung erfolgt rasch bis direkt vor die Haustüre!“ Wirklich sehr empfehlenswert, und die nervige Nachfragerei der Verkäufer fällt zusätzlich schlicht und einfach weg.

„Sabrina“ fühlt sich schon lange von ihrem Freund vernachlässigt und ist genervt. Ihre Beziehung läuft einfach nicht mehr so gut. Des Öfteren sorgt Streit für unangenehme Situationen. Miteinanderreden funktioniert nur noch in den seltensten Fällen. Mutig entschlossen, beendet sie per SMS die Beziehung. Perfekt: das Handy macht´s möglich! Keine Stellungnahme mehr sowie couragiertes Vertreten der eigenen Meinung unter vier Augen. Fluchtweg Handy – rasch und unkompliziert!

„Rudi“ verbringt seine Nächte in Singleplattformen. Auf der Such nach einer geeigneten Partnerin schreibt er stundenlang mit verschiedensten Frauen. Geht es zur Sache, vergnügt er sich nebenbei rasch auf Pornoseiten, um seiner steigenden Lust Abhilfe zu verschaffen. Kaum wird es ernst und es könnte sich ein Treffen mit einer seiner Schreibpartnerinnen ergeben, zieht er rasch zurück und schreibt ganz selbstbewusst, dass er nun schon vergeben sei. Prima, die virtuelle Welt hilft gekonnt die prickelnde Erotik eines persönlichen Kennenlernens und sich Offenbarens zu vermeiden.

Ein absoluter Fortschritt – willkommen im neuen Jahrhundert der unpersönlichen und anonymen Möglichkeiten gelungener Kommunikation. Perfekt geschaffen für Vermeidungs- und Ablenkungskünstler der neuen Generation. Die besten Vorbilder für die Kinder der heutigen Zeit.

Dabei bin ich doch gestern erst über eine Seminarreihe gestolpert, lautend auf „Miteinander Reden lernen“. Wie praktisch!

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Johnny

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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