Die ÖVP  möchte also, dass nicht ausgebildete und in keinster Weise auf die sich an der österreichischen Grenze abspielenden Szenen vorbereitete Präsenzdiener "in den Krieg" (natürlich nicht, als Hilfskräfte in den Einsatz an der Grenze wurde blumig formuliert) geschickt werden. Mit einer Abgebrühtheit, die man selten findet, spielt eine Partei, die sich einmal bürgerlich nannte und Kernwerte wie Familie und Heimatland propagierte, mit dem Feuer - denn was soll unsere Jugend in dem Irrsinn?

Die interessierte österreichische Öffentlichkeit durchlebt in den letzten Tagen und Wochen ein episches Drama, in dem unser Heimatland eine (ungewollt) tragende Rolle spielt. Tausende und abertausende Flüchtlinge scheren sich keinen Deut um zeternde österreichische Politiker, sondern setzen ihren Treck von ihren Heimatländern kommend einfach über das Gebiet der Republik Österreich fort.

Irgendwann wurde es aber auch unseren Zauderern in der Bundesregierung unheimlich - die Massen, die tragischen Schicksale, das mit jedem Tag steigende Risiko eines kompletten Entgleitens der Situation an den Grenzen und im Inland(wenn es nicht schon passiert war) - man sandte Polizisten, und als auch diese an ihre Kapazitätsgrenzen kamen schlussendlich Bundesheer-Einheiten zum Grenzeinsatz.

Gerade in einer Situation, in der uns die Unzulänglichkeit der gewählten Volksvertreter(man denke nur an die unsäglichen Sager zum Thema "kein Schusswaffeneinsatz an der Grenze";) sehr schmerzlich vor Augen geführt wurden, nahmen wir die Institution Bundesheer wieder wahr und in die Pflicht.

Schon seit 1955 immer am Existenzminimum budgetiert hat man in den letzten 10-15 Jahren noch weniger Geld in diese auf den Schutz unserer Souveränität ausgerichtete Organisation investiert. Neben immer seltsameren Ministerkandidaten für das Amt des Verteidigungsministers hatten federführende Politiker der Großparteien zusätzlich noch die großartige Idee auf dem Rücken des Bundesheeres einen Stellvertreterwahlkampf in Form einer Volksbefragung zum Thema "Wehrpflicht, ja oder nein" zu führen. Das Ergebnis ist bekannt, und auf Jahre ist nun einzementiert, dass man männlichen Jugendlichen zumindest sechs Monate Lebenszeit für sinnentleerte (weil nicht finanzierte) Tätigkeiten stiehlt.

Doch halt, haben Sie vielleicht auch schon bemerkt, dass es sich bei den an der Grenze im Einsatz befindlichen Einheiten ja gar nicht um Wehrpflichtige handelt?

Genau, wirft man einen Blick auf die Website des  Bundesministeriums wird man feststellen, dass die eingesetzten Einheiten (JgB 25, Militärstreife, diverse KPE-Kompanien) nahezu ausschließlich aus Berufs- und Zeitsoldaten bestehen. Was angesichts der Komplexität des Einsatzes ja auch das einzig vernünftige und verantwortungsvolle Vorgehen Seitens des Verteidigungsministeriums darstellt. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie die Situation auf 18-19jährige Wehrpflichtige mit einer 2-4 Wochen Basisausbildung wirken würde. Noch weniger möchte ich mir vorstellen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer Eskalation auf Grund schlichter Überforderung dieser Wehrpflichtigen wäre.

Man muss (egal wie man zur Institution Bundesheer steht) in der aktuellen Situation  den Männern und Frauen die im Auftrag unserer Republik (und damit auch in unserem ureigenen Interesse) an der Grenze in dieser heiklen Phase versuchen das Schlimmste zu verhindern auch unsere absolute Hochachtung aussprechen. Es ist leicht im politischen Geschäft mit Brandreden und dubiosen Bedrohungsszenarien Emotionen hochkochen zu lassen. Es ist auch leicht als Boulevard-Zeitung schlichte Unwahrheiten in die Welt zu setzen um das eigene Leser-Klientel zu bedienen.

Ganz anders sieht die Sache aus, wenn man in Unterzahl (und im Wissen, dass die kritische Öffentlichkeit jeden Fehler vermerken und kritisieren wird) und von den eigenen Politkern im Stich gelassen (wer hat vor ca. 2 Monaten noch über den ungarischen Grenzzaun gewettert? Wer möchte heute "bauliche Maßnahmen" und Befestigungen an unserer Grenze errichten?)  an der Grenze  tausenden Flüchtlingen mit dem unbändigen Willen zum Weiterkommen gegenübersteht. In dieser Situation die Nerven zu bewahren und mit Augenmaß Aktivitäten zu setzen, professionell und gleichzeitig menschlich zu sein - das ist eine Herausforderung.

Die Situation offenbart aber auch die Schizophrenie der verantwortlichen Politiker - auf der einen Seite möchte man zwar kein Geld ausgeben, ja nicht das Wort "Berufsheer" in den Mund nehmen oder gar den Eindruck erwecken es handle sich beim Bundesheer um einen militärischen Körper. So sieht auch die "Lösung" hinsichtlich des definierten Einsatzspektrums unseres Heeres aus: Schützen und retten, Sporthilfe, Sicherung von Objekten und Infrastruktur. Mittels dieser Definition haben wir auf sehr österreichische Art und Weise einfach das Fakt ausgeklammert, wonach Armeen primär einfach zum Kämpfen und Verteidigen da sind.

Nur wenn es darum geht, den eigenen Verteidigungsminister kantig und in heldenhafter Position darzustellen, sind kampfähnliche Szenarios erlaubt. Seit Jahren haben alle amtierenden Bundesminister sich mehrmals mit Soldaten des Jagdkommandos, in martialischer Pose abbilden lassen - auch hier ganz klar: Das Jagdkommando ist ein Truppenkörper, welches sich ausschließlich aus länger dienenden Berufssoldaten zusammensetzt.

Als Vater zweier Söhne, welche sich beide für den Dienst im Bundesheer entschieden haben, habe ich in den letzten Jahren die erbärmliche Situation des Bundesheeres aus der Sicht der beteiligten Grundwehrdiener kennenlernen dürfen. Ob grindige, eigentlich nur mehr abzureißende Kasernengebäude, kaputte Ausrüstung und Fahrzeuge oder des Fehlen jeglicher Mittel, um eine einigermaßen als "Ausbildung" zu benennende Schulung zu ermöglichen - man hat als externer Betrachter eigentlich nur den Eindruck das hier bewusst eine Organisation von innen heraus kaputt gemacht werden soll. Alles was ermöglicht wurde, war auf Privatinitiative des Kaderpersonals zurückzuführen. Ich bin heute noch sehr demütig und dankbar, dass keiner meiner Söhne mit einem der Schrott-LKWs verunglückt ist, mit denen man sie durch die Gegend chauffierte

Ich glaube, dass es an der Zeit wäre, die typisch österreichische Lösung der Realitätsverweigerung (Wehrpflicht, gleichzeitig Geld aber nur für Profi-Verbände, wie Jagdkommando, JgB 25 oder andere) ein für alle Mal zu Grabe zu tragen. Die Situation rund um diese epochale Flüchtlingsbewegung ist als Chance wahrzunehmen, um endlich zu sagen: "Ja, unsere Sicherheit ist uns Geld für Ausrüstung und qualifiziertes Personal wert" und im Gegensatz auch endlich einer Befreiung unserer Jugend von sinnentleerten Pflichtdiensten á la sechsmonatiger Grundwehrdienst mit Minimalausbildung und null Sinnhaftigkeit.

Den Politikern ist klar zu kommunizieren - wer über Jahrzehnte eine sicherheitspolitische Institution an die Wand fährt, braucht nicht in der Stunde der Not noch zu glauben, die eigene Jugend für billigste und übelste Parteiinteressen ins Feuer schicken zu können. Es ist an der Zeit als österreichische Zivilgesellschaft neben der Solidarität für die Flüchtlinge an unseren Grenzen auch Solidarität mit den Präsenzdienern des österreichischen Bundesheeres zu zeigen.  Es wird hier Seitens unserer politischen Entscheider solange mit dem Feuer gespielt werden, bis aus Möglichkeiten tragische Realität werden wird. Wer wird dafür gerade stehen, wenn Präsenzdiener im Grenzeinsatz überfordert werden, und eventuell auch zu Schaden kommen (oder andere zu Schaden kommen lassen)? Sicher nicht die Politiker der ÖVP oder der (noch obskurer argumentierenden Jungen ÖVP).

Daher hier jetzt mein Aufruf frei nach Wolfgang Ambros:

Lasst Profis ans Werk - und unsere Wehrpflichtigen endlich ABRÜSTEN

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fischundfleisch

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