Kern Bundeskanzler - Beginnt jetzt der Countdown zu Neuwahlen?

Wir können uns also eigentlich freuen: Österreich hat seit gestern wieder einen Bundeskanzler der sich klar und für alle Menschen verständlich artikulieren kann. Der, seinen ersten Wortmeldungen nach auch relativ klar ist in seiner Einschätzung der aktuell dramatischen Situation ist. Und - der sich auch vor Armin Wolf nicht fürchtet. Auch sein Zugang zum Thema "potentieller Bundespräsident Hofer" war erfrischend klar und nicht von der ansonsten üblichen NS-Paranoia geprägt. Sollte Hofer gewählt werden, dann werde man sich zusammensetzen und es gelte vermutlich das Prinzip wonach nicht so heiss gegessen wird, wie gekocht werde. Niemand wolle der Republik in seiner Amtsausübung schaden. Ein problembewusster Pragmatiker also?

Die ersten Rückmeldungen des Koalitionspartners auf Dr. Kerns Initiative zu einem "New Deal" für Österreich waren auch sehr positiv - Hr. Mitterlehner kam beinahe ins Schwärmen und schlug eine neue Stärkung und Kooperation innerhalb der Koalitionsregierung vor. Als Beispiel könne die Schweiz, oder die Steiermark unter Voves/Schützenhöfer dienen.

Doch das alles kann nicht darüber hinweg täuschen, dass es der ÖVP und ihren Umfeld-Organisation sicher nicht darum geht, mit dem neuen Bundeskanzler auch gleich eine neue Lichtgestalt der SPÖ zu schaffen. Die noch anzugelobenden Minister erscheinen auf den ersten Blick als kompetente Repräsentanten in ihren Metiers. Doch wie wird es dann in Realität sein, wenn die neue Bildungsministerin auf die "schwarzen" Personalvertreter der Lehrer trifft, und mit ihnen vielleicht durchaus schmerzhafte Veränderungen in ihrem Berufsfeld verhandeln wird müssen? Wie es Quereinsteigern in der österreichischen Politik ergehen kann, kann man am Beispiel des aktuellen Finanzministers beobachten. In mehreren Printmedien wird bereits laut über Amtsmüdigkeit und Rücktrittsgelüste spekuliert - sein Weg wird also vermutlich nicht mehr lange sein.

Der Rücktritt Faymanns hat die ÖVP damit zu einer Unzeit getroffen - der jugendhafte Strahlemann Kurz ist augenscheinlich noch nicht bereit Verantwortung und Risiko einer Spitzenfunktion zu übernehmen(es stellt sich auch die Frage, ob wir uns das als Staatsbürger wünschen sollten). Das heißt in Konsequenz, dass die ÖVP kurzfristig gute Miene zum bösen Spiel machen muß, will sie nicht gänzlich in der Öffentlichkeit als Reformverweigerer punziert werden. Doch es ist auch jetzt schon klar erkennbar, dass man nach dem anfänglichen Ritual des freundlichen Begrüssens durchaus versuchen wird, den professionellen Anstrich Dr. Kerns anzukratzen.

Das bedeutet aber für die duraus breite Palette an Themen die kurzfristig angegangen und einer Lösung zugeführt werden muß, dass in Konsequenz vermutlich nicht mit schnellen großen Würfen zu rechnen ist. Denn eines ist auch klar, im Hintergrund haben in der ÖVP(aber natürlich auch der SPÖ) weiterhin Bundesländer/Bünde/Kammern und Gewerkschaften das Sagen. Diese werden auch nicht wirklich Lust und Laune verspüren, als Junior-Partner in einer Koalition Dr. Kern dabei zu helfen, seine SPÖ wieder als lösungsorientierte österreichische Volkspartei zu positionieren.

Man wird sehen, wielange die Dynamik der ersten Stunden hält - klar ist, dass wir bisher bis auf einige klare Worte noch keinerlei programmatische Einblicke in die Vorstellung des neuen Bundeskanzlers erhalten haben. Es ist uns zu wünschen, dass mit ihm eine neue Politik des Regierens Einzug hält.

Allerdings sollte uns allen klar sein, dass dieses Experiment auch kurzfristig scheitern kann, und danach der Weg zu Neuwahlen offen sein wird. Nach dem gestrigen Auftritt des neuen Manns an der SPÖ-Spitze kann sich die ÖVP dann warm anziehen.

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