Porno ist Verkürzung, bietet Projektionsfläche. Porno fragt nicht nach dem "warum", sondern liefert nur Nachfrage-optimierte Hochglanzbilder mit der Absicht, das Leben/die Existenz auf ein bloßes Abarbeiten eines triebgesteuerten Vorgangs zu reduzieren. Porno kennt kein Gefühl, kein davor und kein danach - Szene zu Ende, nächster Fick.

Die Entwicklung der Internettechnologie, die rasante Verbreitung von Breitbandanschlüssen und Smartphones in unserer Gesellschaft haben zu einer immer schneller und breiter werdenden Zugriffsmöglichkeit und Verbreitung der einst verschämt im Nachkastl-Ladl versteckten Nacktbilder/Videos gesorgt – mit durchaus erschreckenden Auswirkungen auch in vielen Bereichen unserer Gesellschaft. Mittlerweile wächst in den entwickelten Industrieländern eine Generation von Kindern und Jugendlichen heran, die immer früher immer unreflektierter Porno konsumieren, und die auch nicht mehr in der Lage ist, Produkt von realem Leben zu unterscheiden. Es ist wohl nicht von der Hand zu weisen, dass die Zunahme von Sexualdelikten im Kontext von KO-Tropfen, Gruppenvergewaltigungen, Vergewaltigungen im öffentlichen Raum auch auf die Vermittlung dieser sehr egoistisch/verantwortungslosen Sexualitätsdarstellung zurückzuführen ist. Wer nicht willig ist, den machen wir uns halt willig.

Auch die Elterngeneration ist ihren Kindern in diesem Problemkreis nicht unbedingt von Hilfe, führt sie doch selbst permanent ein Leben orientiert am Erfüllen nicht zu erfüllender Qualitätskriterien was den eigenen Körper, die eigene Sexualität und auch den eigenen Lifestyle betrifft. Auf der Strecke bleiben Kontinuität in den Beziehungen, und "Patchwork" ist und bleibt eine schöne englisch-sprachige Verbrämung von "Flickwerk". Ja, Mama und Papa sind vielleicht noch beste Freunde und wir verstehen uns alle und treffen uns womöglich auch noch mit den neuen Lebensabschnittspartnern und den gemeinsamen Kindern beim Heurigen – dass die Kinder allzu oft auf der Strecke bleiben, dass Schulversagen, Magersucht oder gar der Zug zu Drogen und falschen Freunden nicht zu selten zu beobachten sind, who cares?

Auch die Politik hat den Charme von Porno entdeckt: Warum noch viel Erklärungen abgeben, warum Hintergründe von Entscheidungen beleuchten. Bringen wir doch nur mehr Schlagzeilen, liefern wir nur mehr die Selbstbefriedigungsvorlagen für den Wähler-Mainstream - oh, unsere politischen Pläne sind nicht wirklich realitätsnahe oder umsetzbar? Macht ja nichts, morgen schon vergessen, oder von einem neuen Act ersetzt. Und wir machen mit, wir wollen, oder können uns auch schon gar nicht mehr mit Details und Komplexitäten herumschlagen. Unser Leben ist schon so zu schnell, zu laut und kaum packbar - warum sollten wir uns da noch mit Kleingedrucktem belasten. Auf uns lastet der Druck genauso potent und permanent willig zu sein wie die immer sexy jung und ungeheuer attraktiv daherkommenden DarstellerInnen in den Schmuddelfilmen. Und so kaufen wir die einfachen Wahrheiten, ob von Grün, Rot, Schwarz oder Blau. Gesetze werden gebrochen - ist ja auch egal, wie Hr. Franzobel gestern in einem Interview lapidar meinte "es ist ja nur Schlamperei, das ist Österreich. Wenn man das abstellt, dann funktioniert ja das Land nicht mehr". Deprimierend und zugleich wahrscheinlich doch sehr realistisch in der Betrachtung. Und so stimmen wir ein in die Jammerei "o mein Gott, ein dritter Wahlgang" - wie furchtbar, Millionen Menschen wären glücklich wenn in ihren Heimatländern Demokratie lebbar wäre - für uns nur eine ungeheure Anstrengung und Belastung, denn eigentlich wollen wir nicht nachdenken und schon gar nicht eine Position beziehen müssen.

Auch die Art und Weise wie wir miteinander kommunizieren, und auch was wir kommunizieren unterliegt dem Porno-Diktat. Gut ist nur was gefällt, wo die Daumen grün oder nach oben zeigen. Ein Text über die Schönheit eines Bergsees? Leider durchgefallen - bei uns bekommen nur Texte die schon im Titel die Begriffe "Sex mit Tieren/Kindern/....., Vergewaltigung, Analsex,..." aufweisen Zugriffe in den 10 oder gar 100tausenden. Von gelesen werden wage ich gar nicht zu sprechen angesichts der unendlichen Dummheiten und des Nichtreflektierens auf den Bezugstext, was man auf Facebook aber auch F&F immer mehr beobachten kann. Warum sich auch mit den Gedanken anderer auseinandersetzen, warum die Unschärfen zwischen eigener und Meinung eines Dritten ausloten? Einfacher ist es doch, den Andersmeinenden abzuvoten, ihn mit den Mitteln der social media abzustrafen. Wir leben ein Leben im permanenten Casting-Modus – gefällst Du oder Dein Leben mir nicht, dann lösch ich Dein Profil, basta.

Auch die Breite unseres Denkens und Wissens nimmt zunehmends ab. Unser Schulsystem nivelliert das Wissen und auch die Lust am eigenständigen Wissenserwerb unserer SchülerInnen konstant nach unten. Literatur, Ethik, Philosophie? Brauchen wir nicht, wer mehr als 5 Bücher in der Oberstufe liest ist schon suspekt - warum auch lesen, auf Youtube gibts ja auch die Zusammenfassung als Video zum anschauen, geht einfacher und macht weniger Kopfweh.

Und für all jene, die in unser System des permanenten potent und willig und schön sein nicht reinpassen haben wir keine Zeit und auch kein Verständnis. Wie auch, unsere Empathie beschränkt sich auf uns selbst. Obdachlose, Arbeitslose, Flüchtlinge, Arme - ja und, sollen selber schauen wie sie ihr Leben auf die Reihe bekommen. In unseren Porno-Lebensblasen bekommen wir ja auch nur die Meinungssplitter der Medien mit, und die werden auch mit jedem Jahr simpler und leichter zu verstehen.

Das Leben im Porno ist schön: Alles in Hochglanz, schicke Autos, tolle Penthäuser, fitte Körper und ein unreflektiertes Abarbeiten von sexuellen Konsumentenwünschen ohne jegliche Verantwortung oder Zwänge. Alles geht, oder?

Nur, was schlussendlich passiert wenn die Scheinwerfer ausgehen, die Models die kritische Altersgrenze überschreiten und nicht mehr gebucht werden, das sieht man nicht.

Wir sollten aufpassen, dass vielleicht nicht auch einmal in unserer Gesellschaft die Lichte ausgehen.

Fotolia/tatchaihot

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