Gestern erschien ein Artikel von Oswald Metzger auf Tichy, in dem dieser unter anderem gegen das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) wetterte. Wikipedia verrät: „Oswald Metzger ist ein deutscher Politiker und Publizist. Er war von 1974 bis 1979 Mitglied der SPD und von 1987 bis 2007 Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen. Seit April 2008 ist er Mitglied der CDU.“ Respekt! Ein Mann sucht verzweifelt Anschluss.

Ich finde die Diskussion um das BGE einfach faszinierend. Die Ablehnung ist scheinbar so breit und durch alle Schichten und Denkrichtungen gestreut, dass man da einfach genauer hinschauen sollte. Was mir dabei, wie bei Metzger, immer wieder unangenehm auffällt, ist, dass keiner der Kritiker sagt, welche Alternativen es gibt, wenn tatsächlich 30 bis 40 % der Arbeitsplätze durch Digitalisierung obsolet werden. Da wird dann der Kopf in den Sand gesteckt und gerufen, dass alles nicht so schlimm werde, schließlich hätte das die Vergangenheit gezeigt. Immer, wenn es einen technologischen Sprung gegeben hat, wären in anderen Bereichen Arbeitsplätze entstanden.

Ich halte das für idiotisch. Denn es geht nicht um schlichte Automatisierung, sondern um Künstliche Intelligenz und selbst lernende Systeme. Und DAS hat es noch nie gegeben.

Aber hier geht es mir um etwas anderes. Ich betrachte oft aufmerksam die Kommentare unter Artikeln über das BGE und die primitiven, neid- und hassgetriebenen Aussagen der Ablehner. Lässt sich alles zusammenfassen in den Sätzen: „Wie? Andere bekommen Geld, während ich arbeiten soll? Die hängen doch nur rum, saufen und gucken RTL.“ Ein wirklich schönes, optimistisches Menschenbild, was sich da offenbart.

Und auch ein etwas merkwürdiges Selbstbild. Offenbar ist jeder davon überzeugt, dass seine Arbeit wertvoll ist und sich dieser Wert in dem Erhalt von Geld ausdrückt, das annähernd wertäquivalent ist. Hier werden zwei tief im kollektiven Bewusstsein verankerte Mythen – Geld und Arbeit - miteinander verknüpft. Das kann nicht gut gehen, besonders dann nicht, wenn darauf so etwas wie Selbstwertgefühl aufgebaut wird. So wundert es nicht, dass die Diskussion um das BGE stets hochemotional und sehr persönlich geführt wird.

Wie „wertvoll“ ihre Arbeit tatsächlich ist, haben ja viele, deren Job ersatzlos wegrationalisiert wurde, in der Vergangenheit festgestellt. Betraf dies erst geringer qualifizierte oder einfache Tätigkeiten, sind wir jetzt schon eine Stufe höher angekommen. Deutsche Bank / Postbank planen zum Beispiel die Entlassung von 6000 Bankern. In Zukunft wird das immer mehr hoch- und höchstqualifizierte Jobs betreffen. Grund ist nicht nur Künstliche Intelligenz, sondern auch die Verlagerung von Aufgaben noch Indien oder China. Ich habe es vor über 10 Jahren selbst erlebt, wie Programmieraufgaben in einem Internetunternehmen nach Indien verlagert wurden.

Trotzdem hält sich der Mythos vom Selbstwert stiftenden Wert der Arbeit hartnäckig. Auch der zweite Mythos, der vom Zusammenhang von Geld und Leistung, ist nicht auszurotten. Gestern las ich einen Bericht, wie die Polizei einen kriminellen Clan hochnahm und zahlreiche Luxusautos sicherstellte. Davor einen Artikel über Vorstandsbezüge in zweistelliger Millionenhöhe. Und davor einen Text über die in die Billionen gehende Verschuldung in der EU und ein neues Rekord-Hoch der „Target 2 – Salden“ von 914 Milliarden.

„Geld“, liebe Freunde, sagt gar nicht aus. Es ist wohl nicht mehr als ein notwendiges Übel. Wir werden alle noch einen gewaltigen Crash erleben. Schon seltsam, dass selbst die, die finanzwirtschaftlich etwas durchblicken, die große Relativität erkennen, auf der anderen Seite felsenfest davon überzeugt, dass ihnen ihr Gehalt von 1900, 3600, oder 5200 Euro etc. ZUSTEHT. Und dass es etwas mit ihrer Leistung zu tun hat. Es hat etwas mit Angebot und Nachfrage zu tun.

Die Diskussion um das BGE hat vor allem eine tiefenpsychologische Dimension und ist deshalb so ungemein faszinierend. Das so genannte „Arbeitsethos“ steckt so tief im kollektiven wie auch im individuellen Bewusstsein drin, dass eine Erschütterung ungeheure Folgen haben wird.

Ja, wir stehen an der Schwelle einer Zeitenwende, die man sich nicht groß genug denken kann. Aus vielerlei Gründen. Ich schrieb das vor etwas mehr als zwei Jahren. Und seitdem denke ich immer wieder: „Du musst sie dir noch größer denken.“

Welch eine faszinierende Zeit!

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