Kontrollverlust! Ein Auto wird aus der Kurve getragen. Der Fahrer rudert hektisch am Lenkrad. Schaltet, bremst, beschleunigt, kuppelt wie wild und ist überzeugt, das schlingernde Fahrzeug noch unter seine Kontrolle bringen zu können. Der Beifahrer ist ein wenig besorgt, aber er vertraut dem Fahrer und ruft ihm ein paar Ratschläge zu. Auf der Rückbank hingegen macht sich Panik breit. Hier sind die Fliehkräfte deutlicher zu spüren und die Passagiere, die - weit vom Lenkrad und den Pedalen entfernt - jeder Einflussnahme beraubt sind, schreien und jammern. Einer hat sein Handy in der Hand, macht Fotos und postet hysterisch jede Schlingerbewegung. Die neben ihm Sitzende ruft wütend: „Das ist eine Verschwörung, eine gottverdammte Verschwörung.“

Dabei hatte alles so gut angefangen, damals in den 50ern. Gemeinsam hatte man ein neues Fahrzeug gebaut, windschnittig, mit einem starken Motor, einer verwindungssteifen Karosserie, guten Reifen und recht komfortablen Sitzen. Man war stolz und jeder fühlte sich ein wenig als Besitzer. So konnte man auf die Reise gehen.

Kraftvoll trieb der starke Motor das Fahrzeug an. Die Straßenverhältnisse waren ideal, der Asphalt trocken und griffig, es ging meist geradeaus in eine verlockende Zukunft.

Man kümmerte sich um das Fahrzeug, wartete es sorgfältig und fast jeden Tag fielen jemandem Verbesserungsmöglichkeiten ein, die prompt umgesetzt wurden. Es war eine Freude, auf der Straße die meisten anderen Autos hinter sich zu lassen.

Und so wurde man immer übermütiger und setze alles dran, den Motor noch schneller zu machen. An Reifen und Fahrwerk dachte man weniger. Wozu auch? Die Straßenverhältnisse waren doch bombig.

Die Wartung wurde zunehmend vernachlässigt. Komfortabel war es längst nur noch auf den vorderen Sitzen. Die hinten Sitzenden fühlten sich auch nicht mehr verantwortlich für das Fahrzeug und stolz war dort schon keiner mehr. Man war mit anderen Dingen beschäftigt, daddelte auf dem Handy und schaute Fernsehen, wo die Vorzüge des Autos und das Können des Fahrers in höchsten Tönen gelobt wurden. Wozu sich Sorgen machen?

Keiner bemerkte, dass die Situation langsam kritischer wurde. Die vorne träumten vom Weltrekord und der Fahrer drückte das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Die Stoßdämpfer waren alt und die Reifen abgefahren. An den tragenden Karosserieteilen fraß der Rost. Aber das interessierte keinen. Hauptsache, man konnte aus dem Motor noch ein paar PS herauskitzeln. Längst gab es auch keinen mehr, der sich auf Reparatur und Wartung verstand.

Irgendwann schlug das Wetter um. Es regnete und wurde diesig. Die Strecke wurde immer kurviger und der nasse Asphalt wechselte bisweilen mit Kopfsteinpflaster. Aber der Fahrer gab unbeirrt Gas. Sicher, ein paar Mal wurde es in engen Kurven etwas heikel, der Wagen schlingerte und drohte auszubrechen. Aber es gelang, das Fahrzeug wieder auf Spur zu bringen.

Die hinten interessierte das nicht. Sie glotzten auf ihre Displays, bestellten bei amazon oder buchten Urlaubsreisen.

Und schließlich kommt die scharfe Kurve 2018, die schon lange angekündigt war. Die der Fahrer voll Übermut und Ignoranz viel zu schnell ansteuert. In der er, ohne es zu ahnen, die Kontrolle verliert, und in der das Fahrzeug weit hinausgetragen werden und sich überschlagen wird.

Aus den rauchenden Wrack wird man dann noch eine gebrochene Stimme hören: „Das ist eine Verschwörung, eine gottverdammte Verschwörung.“

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