"Entwickelt sich der europäische Geist zum europäischen Satan ?" Diese Frage stellt sich in Anbetracht der Brexit-Verhandlungen und ihres spezifischen Verlaufs.

https://www.morgenpost.de/politik/article213260125/EU-will-Briten-im-Uebergang-nach-Brexit-kein-Stimmrecht-geben.html

Den Medienberichten zufolge, denen man kaum glauben kann, soll eine Übergangsphase bis zum endgültigen Brexit geschaffen werden, während derer Großbritannien kein Stimmrecht in der EU hat.

Auch wenn Insiderinformationen in der von Intransparenz geprägten Politik nicht erhältlich sind, so scheint diese Regelung in mehrerlei Hinsicht problematisch:

1.) Bis zum endgültigen Brexit könnte unter Umständen noch sehr viel Zeit vergehen. Z.B. durch eine neue Diskussion, durch eine neue Brexitabstimmung. Durch eine Brentrance-Debatte (British Re-Entrance, Britischer Wiedereintritt), eine Debatte rund um den Wiederbeitritt nach dem Brexit, in etwa in Form einer Änderungskündigung, die als Möglichkeit ja schon von Anfang an bei den Brexit-Debatten mitschwang.

2.) Die Brentrance-Befürworter, also die Befürworter eines Ausstiegs mit darauffolgendem Wiedereinstieg, um britisches Cherry-Picking (Rosinenklauben) rückgängig zu machen, waren vielleicht abstimmungsentscheidend bei der Brexit-Abstimmung (die mit 51.9% relativ knapp war). Aber sie waren nur phänotypisch (auf den ersten Blick) Brexit-Befürworter, aber genotypisch nicht, insofern, als sie ja von Anfang an eine Änderungskündigung vorhatten, d.h. eine Kündigung mit der Absicht auf einen Neuabschluss mit geänderten Bedingungen. Die Existenz dieser Brentrance-Befürworter bedeutet natürlich auch, dass das Brexit-Referendum nicht endgültig war, sondern nur einen Brexit unter den gegebenen Bedingungen zum Ziel hatte, was aber unter veränderten Bedingungen bedeutungslos wäre.

3.) Ein Stimmrechtslosigkeit Großbritanniens während einer u.U. langen Übergangsphase könnte ein Zweiklassensystem von Mitgliedern schaffen; stimmrechtslose und stimmrechtshabende. D.h. die Rest-EU würde - zumindest der Optik und der Empfindung nach - Großbritannien dafür mit Stimmrechtsentzug bestrafen, dass es über den Brexit abstimmte, bzw. dass es mehrheitlich einen Brentrance befürwortete, eine Änderungskündigung.

4.) Diese Stimmrechtslosigkeit Großbritanniens könnte eine anti-EU-Stimmung in Großbritannien schaffen, die eben den Brentrance verhindern könnte, der derzeit mehrheitsfähig erscheint. Eben deswegen, weil diese als britenfeindlich wahrnehmbare Haltung aus Brexit-Gegnern und aus Brentrance-Befürwortern wirkliche endgültige Brexiteers machen könnte, wodurch die Mehrheitsverhältnisse, die derzeit noch zugunsten eines zweiten Brexit-Referendums oder zugunsten eines Brentrance liegen, drehen könnten, in endgültigen Brexit.

5.) Diese ganze Entwicklung ist auch extrem problematisch für das Gleichgewicht der europäischen Großmächte. Nach einem Brexit wäre Frankreich der einzige EU-Staat mit einem Vetorecht im UNO-Sicherheitsrat, d.h. Frankreich könnte als einziges EU-Land mit seinem UNO-SC-Veto alles blockieren, was inner-EU an Politik beschlossen wird und über den UNO-Sicherheitsrat laufen muss, hingegen könnte kein anderer Staat Politik blockieren, die Frankreich z.B. während einer deutschen Regierungsbildungskrise und der damit verbundenen Unachtsamkeit, durchbringt. Der Brexit verursacht ein französisches Vetomonopol. Umso problamtischer ist, dass die EU-Chefverhandler in Sachen Brexit Franzosen oder frankophil sind (Barnier, Seeuws).

D.h. Frankreich hat ein Motiv, Großbritannien aus der EU "rauszuekeln", und zwar die Erlangung des französischen Vetomonopols über den UNO-Sicherheitsrat.

Die Gefahr, dass ein Leviathan (ein wohlmeinend-absolutistischer Souverän) sich zum Behemoth (Diktator) entwickeln könnte, thematisierte schon Thomas Hobbes.

https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Hobbes

Auch bei den Gremlins geht es um Kuscheltiere, die sich unter gewissen Bedingungen zu Mostren entwickeln können.

Auch der Januskopf spielt an auf die Ambivalenz der Verhältnisse.

Alle diese ambivalenten und zweischneidigen Themen aus Kultur und Geschichte sollten uns lehren, nicht allzublind zu vertrauen, nicht allzublind gutzuheissen, was auf EU-Ebene passiert, sondern kritisch zu reflektieren, ob das, was auf EU-Ebene passiert, auch wirklich dem europäischen Geist entspricht.

https://www.welt.de/politik/ausland/article158752873/Sinn-empfiehlt-Oesterreich-Kuendigung-des-EU-Vertrags.html

Der frühere Chef des Münchner IFO, Hans-Werner Sinn, hatte paradoxerweise Österreich eine EU-Änderungskündigung empfohlen, was bei der Kleinheit dieses Landes wahrscheinlich nicht sehr aussichtsreich ist, aber vielleicht meinte er ja, Österreich solle sich während der österreichischen EU-Vorsitzes darum bemühen, dass der Brexit in eine Brentrance, also eine Änderungskündigung, umgewandelt werde.

Sinn war auch einer der wenigen, die schon frühzeitig die potenzielle Gefahr eines Brexit für das Gleichgewicht der Großmächte innerhalb der EU betonten.

http://www.faz.net/aktuell/brexit/hans-werner-sinn-zum-brexit-fuer-deutschland-ist-es-verheerend-14926168.html

CC BY SA 3.0 / uploaded Bonitz / IFO https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Werner_Sinn#/media/File:Hans_Werner_Sinn.png

http://www.krone.at/534224

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/h-w-sinn-und-krone-irren-brexit-koennte-aenderungskuendigung-sein-26606

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Dieter Knoflach

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Matt Elger

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