Darabos zum Rücktritt gezwungen wegen meiner Befragungskritikthreads ?

Es gab eine Umbesetzung in der burgenländischen Landesregierung. Der frühere Verteidigungsminister Norbert Darabos, der auch für die von mir kritisierte Wehrpflicht-Zivildienst-Berufsheer-Volksbefragung 2013 teilverantwortlich war (sein Koalitionspartner-Gegenüber bei den Verhandlungen dürfte Vizekanzler Spindelegger gewesen sein), verabschiedet sich völlig aus der Politik.

https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/5573951/SPOe-Burgenland_Heinrich-Dorner-loest-Norbert-Darabos-als-Landesrat-ab

Laut der "Kleinen Zeitung" wird Norbert Darabos, der nach seiner Funktion als Verteidigungsminister burgenländischer Landesrat wurde, sich auf Raten aus allen Parteigremien und Parteifunktionen zurückziehen.

Falls ein Zusammenhang zwischen meinen kritischen Blogs zur Volksbefragung von 2013 und dem Rücktritt von Darabos bestehen sollte, so möchte ich betonen, dass ich den Rücktritt von Darabos keinesfalls deswegen wollte.

Die Ursache der ganzen Volksbefragungsmisere war aus meiner Sicht der damalige Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der eine Änderung der SPÖ-Doktrin von Berufsheerablehnung (wegen 1934) zu Berufsheerbefürwortung (damit die jungen Männer keine Wehrpflicht haben und bei der Wien-Wahl SPÖ wählen) durchsetzte. Der frühere Bundespräsident Heinz Fischer hatte das implizit als "Populismus" bezeichnet, ohne Häupl explizit zu nennen.

Und vollziehen musste diesen Schwenk Norbert Darabos als Verteidigungsminister, der aber vorher gesagt hatte, die Wehrpflicht sei in Stein gemeisselt, und nach Häupls Schwenk sehr dumm dastand. Diesen Beschluss, in Sachen Wehrpflicht die Bundesparteilinie zu ändern, hatte offensichtlich Häupl (wie auch den seltsamen SPÖ-Bundesparteitagsbeschluss, auf keiner Ebene mit der FPÖ zu koalieren, was die Burgenland-SPÖ brechen musste, um nicht sehr erpressbar durch die Burgenland-ÖVP zu sein) der Gesamtpartei aufgezwungen.

Der Widerwille gegen diesen von Häupl aufgezwungenen Kurswechsel war bei Darabos vielleicht so groß, dass er sich mit einer invaliden Volksbefragungsfrage rächte, die zwei völlig unterschiedliche Fragen vermanschte und sehr unzuverlässige Ergebnisse brachte. Allerdings war es nur eine Volksbefragung gewesen, die keinerlei Verpflichtungs-Charakter für die Politik hat; das Parlament kann jederzeit das Gegenteil beschliessen. (Zur Wehrpflicht-Befragung 2013 siehe den unten angegebenen Blog mit "Volksbefragung 2013 ungültig" )

Als jemand, der aus den Bundesländern nach Wien kam, so wie Norbert Darabos, habe ich Verständnis für seine problematische Lage; auch für seinen Spagat, im roten Wien sagen zu müssen, er sei ein Bollwerk gegen die FPÖ, weil Häupl die FPÖ als Stimmenfang-Feindbild brauchte, hingegen im Burgenland mit der FPÖ koalieren zu müssen, wenn man nicht völlig abhängig von der ÖVP sein wollte.

Und außerdem kann diese ungültige Volksbefragung, die auch von Politikern wie Franz Voves kritisiert wurde (wegen zu komplizierter Fragestellung) als positiv insofern betrachtet werden, weil jahrelang kaum jemand bemerkte, wie invalide sie ist (Invalidität bedeutet in Statistik und Politikwissenschaft, wenn ein Instrument nicht das misst, was es messen sollte; ein angeblicher Längenmaßstab aus dehnbarem Gummi ist invalide und seine "Messungen" ungültig). Entgegen dem, was die Populisten der direkten Demokratie behaupten, sind direktdemokratische Instrumente oft wenig brauchbar und liefern oft Scheinergebnisse, die wenig über den Volkswillen aussagen, je nach Fragestellung. Dass jahrelang kaum jemand in Politik und Medien bemerkte, wie problematisch diese 2013-Befragung ist, bis zu meiner Kritik im Jahr 2016, weist darauf hin, dass Österreichs Politik und Medien sich in einer Krise befinden. Die großen angeblichen Befürworter der direkten Demokratie, welchen Lagers auch immer, interessieren sich in Wirklichkeit nicht sonderlich dafür, wie man direktdemokratische Instrumente gestalten muss, damit sie tatsächlich den Volkswillen messen, wie die Fragestellung sein muss, wie die Debatte sein muss, etc.; "Das Volk soll entscheiden" - das klingt einfach gut. Aber der Teufel steckt immer in den Details, und wenn man bei den Details nicht aufpasst, dann kommt bei einer Volksabstimmung oder einer Volksbefragung irgendein Blödsinn heraus, der überhaupt gar nichts mit Demokratie und überhaupt gar nichts mit Volkswillen zu tun hat. Oft sind Politiker und Politikerinnen auch interessiert daran, dass Abstimmung durch möglichst manipulative und schlechte Fragen erfolgt, durch sogenannte Suggestivfragen, die schon eine Art Antwortzwang z.B. durch euphemistische oder dämonisierende Worte enthalten.

Es stellt sich auch die Frage, inwieweit Konfliktdemokratie zum Mißbrauch direktdemokratischer Instrumente beiträgt, hingegen Konsensdemokratie (wie in der Schweiz mit ihrer breiten Vierparteienkoalition) dem Mißbrauch direktdemokratischer Instrumente unwahrscheinlicher macht.

Gerade im Burgenland gibt es eine rot-blaue bzw. blau-rote Tradition: in der Ersten Republik (vor dem Nationalsozialismus) hatte der damalige SPÖ-Landesparteiobmann Ludwig Leser den großdeutschen Walheim zum Landeshauptmann gemacht; die Motivlage ähnelte sehr der von heute: wenn er Koalitionen mit den Großdeutschen ausgeschlossen hätte, dann wäre er hundertprozentig abhängig von den Christlich-Sozialen gewesen, die dann zwei Optionen auf Regierungsbildung gehabt hätten, hingegen alle anderen nur eine, was bedeutet hätte, dass die Christlich-Sozialen die anderen beiden hätten gegeneinander ausspielen können, ohne dass irgendwer was dagegen etwas machen kann, also eine Art absolute CS-Macht mit nur 30% (und auch das kann demokratiepolitisch bedenklich sein).

Die Situation in Häupls Wien war insofern ganz anders, als die SPÖ-Wien als einzige SPÖ-Landesorganisation eine Koalition mit der FPÖ ausschliessen konnte, und gleichzeitig zwei oder mehr Koalitionsoptionen behalten: mit der FPÖ, mit den Grünen, vielleicht mit den NEOS, jetzt vielleicht mit Jetzt.

CC / z.g. SPÖ Presse und Komm. https://de.wikipedia.org/wiki/Norbert_Darabos#/media/File:Norbert_Darabos_(8674434555).jpg

Norbert Darabos, vor zwei Tagen zum Rücktritt aus allen Funktionen gezwungen wegen meiner Kritik an der Wehrpflicht-Volksbefragung, die er maßgeblich mitverantwortete ?

Norbert Darabos war übrigens nicht der einzige SPÖ-Politiker gewesen, dessen Karriere Michael Häupl (rein theoretisch auch SPÖ) beschädigt hatte: auch der steirische Landeshauptmann Franz Voves war wegen der auf Voves gemünzten Häupl-Aussage "Ein Sozialdemokrat redet nicht wie die Pegida" unter die 30%-Rücktrittsmarke bei den steirischen Landtagswahlen gefallen und musste zurücktreten. Die Brutalität der Politik, insbesondere bei Michael Häupl bestätigt den alten Sager, dass in der Politik die Steigerungsformen von "Feind" "Todfeind" und weiter "Parteifreund" seien. Der frühere Team-Stronach-Politiker Haubenwallner hatte einmal in einem Interview mit einer Wiener Bezirkszeitung gesagt: "Die größten Feinde sitzen immer in der eigenen Partei". Ob diese Wiener Bezirkszeitung nicht schreiben durfte, oder nicht erkennen konnte, dass dieser Spruch auch auf die SPÖ zutreffen könnte, bzw. zutraf, ist bis heute unbekannt.

Der Grund für Häupl, Voves per Pegida-Vergleich zu schaden, könnte vielleicht gewesen sein, dass Voves Christian Kern Kanzlerqualitäten attestiert hätte, was Häupl möglicherweise als Angriff auf "seinen" Faymann empfunden hatte. Falls Voves´ Präferenz für Kern der Grund für Häupl war, ihn mit Pegida-Vergleichen politisch zu töten, so war dies nicht erfolgreich: Kern löste Faymann ab, und beendete die Ära der Häupl-treuen Kanzler.

Siehe auch meine Blogs:

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/brexit-prozess-wegen-referendumsfehlern-ungueltig-und-eu-vertragswidrig-53864

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/fuehren-schrott-eu-vertraege-zu-chaos-brexit-53711

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/oesterreich-braucht-berufsheer-fuer-auslandseinsaetze-volksbefragung-2013-ungueltig-24673

Zum SPÖ-Bundesparteitagsbeschluss, auf keiner Ebene mit der FPÖ zu koalieren, von dem von Vornherein absehbar war, dass er nicht halten würde:

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/zum-gebrochenen-spoe-beschluss-auf-keiner-ebene-mit-der-fpoe-zu-koalieren-23276

(auch aus dem Jahr 2016)

Der Begriff der "Ungültigkeit" bezieht sich nicht auf juristische Ungültigkeit, sondern auf statistische Ungültigkeit, darauf, dass ein Instrument nicht das misst, was es messen sollte, auch Validität.

Der hashtag "Intransparente Politik" bedeutet "Undurchsichtige Politik". Medien und die Politiker und Politikerinnen können eine "Phantomdebatte" (laut der designierten deutschen Kanzlerin Kramp-Karrenbauer) erzeugen, sodass viele Bürger und Bürgerinnen die Wahrheit gar nicht mehr erkennen können.

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